Dürnsteiner Puppentanz. Bernhard Görg
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Название: Dürnsteiner Puppentanz

Автор: Bernhard Görg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990013687

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СКАЧАТЬ Bei diesem einen Wort hätte er ihnen sogar einen mit Torte vollgestopften Mund nachgesehen.

      Die Stimmung ihm gegenüber war auch in den folgenden Wochen und Monaten nicht besser geworden. Deshalb hatte er im Herbst den Antrag gestellt, zur Dienststelle Mautern, die im Abschnitt Wachau auch für die Strompolizei zuständig war, versetzt zu werden. Der Antrag war innerhalb von zwei Wochen bewilligt worden. Offensichtlich deshalb so schnell, weil die Kollegen in Mautern einen Mann mit seiner Erfahrung dringend brauchten. Zum Unterschied von Krems hatte der Postenkommandant von Mautern wohl keine Angst vor einem neuen Star in der Mannschaft. Natürlich war ihm die Prüfung für den Bootsführerschein nicht erspart geblieben. Für einen Mann seiner Klasse nur eine kleine Hürde, die er schon im zweiten Anlauf bewältigte.

      So ein Polizeiboot war schon ein beachtliches Gerät. Ein Motor, bei dem jedes Motorrad vor Neid erblassen konnte. Pferdestärken ohne Ende. Diese Pferdestärken mit der linken Hand zu bändigen, während er mit der rechten das Fernglas hielt und den Adlerblick über den Strom gleiten ließ, das machte ihm so schnell keiner nach. Geschmeidig um die Kurve. Nur nicht zu nahe ans Ufer. Bei der ersten Boots-Prüfung war er knapper an die Ufersteine herangefahren. Der Prüfer hatte einfach die Nerven verloren.

      Aber Moment einmal. Das war doch… Schlagartig bekam er eine Gänsehaut. Das musste es sein. Motor drosseln. Beidrehen. Geschmeidig beidrehen. Motor abstellen. Verdammt! Wo war das Biest jetzt? Ah, da tauchte es wieder auf. An der Längsseite des Boots war der lange Stock mit dem Enterhaken an der Spitze befestigt. Den nahm er zur Hand. Nur nicht zu weit vorbeugen. Nur nicht ins Wasser fallen. Er musste noch etwas näher heran. Zum Glück trieb dieses Ding in seine Richtung. Der Kopf sah tatsächlich eingeschlagen aus. Noch ein kleines Stück. Nein. Leiche war das keine. Es war eine ordinäre Schaufensterpuppe. Aus Holz. Mit eingerissenem Kopf und bekleidet mit einem dunkelblauen Trainingsanzug. Schöner Anzug. Er lächelte. Diese Suchaktion würde für ihn noch einen sehr befriedigenden Abschluss bringen. Sein eigener Trainingsanzug war ja doch schon sehr alt. An den Knien und an der Sitzfläche bereits mehr als fadenscheinig. Ein kurzer Blick auf die Puppe genügte, um zu erfassen, dass der Trainingsanzug so gut wie neu war. Konnte er feststellen, obwohl der Anzug klitschnass war. Da bewährte es sich wieder einmal, dass er immer gut darin gewesen war, zwei und zwei zusammenzuzählen und auch aus komplizierten Sachverhalten einfache Schlüsse zu ziehen.

      Nach zwei vergeblichen Anläufen hatte er die Puppe endlich an Bord. Das Ding war sauschwer und das Wasser saukalt. Er musste darauf achten, mit dem Enterhaken nicht den Anzug aufzureißen. Aber es war die Mühe wert. Sowohl Oberteil als auch Hose waren wie neu. Noch am Boot rief er bei der Mordkommission an und berichtete, dass es sich bei dem Fund nur um eine alte Schaufensterpuppe handelte.

      Ebenfalls noch am Boot entkleidete er die Puppe. Den Trainingsanzug drückte er aus, so gut es ging, und rollte ihn zu einem Bündel zusammen.

      Den Hafen verließ er mit dem Bündel in der einen Hand. Mit dem anderen Arm umfasste er die Puppe und schleifte sie mehr oder weniger neben sich her. Schließlich konnte er das Ding nicht einfach am Boot oder im Polizeihafen herumliegen lassen. Leider war niemand da, der ihm zur Hand gehen konnte.

      Verschwitzt kam er bei seinem roten Skoda Octavia an und verfrachtete das Ding in den Kofferraum. Später würde er die Puppe in einen Müllcontainer werfen, der in der Nähe seiner Wohnung aufgestellt war. Aber vorher würde er dem nassen Trainingsanzug noch eine schnelle Handwäsche im Waschbecken besorgen und ihn zum Trocknen aufhängen. Er konnte es kaum erwarten, seine Beute anzuprobieren. Seine Elfriede würde Augen machen.

      Freitag, 16. April 19 Uhr 30

      In Gföhl war sie so lange wie möglich an der Seite des Landeshauptmanns gestanden und hatte mit den Leuten geredet. Sie fand, dass sie ihn gut ergänzt hatte. Und umgekehrt. Von ihm konnte sie viel lernen. Ganz besonders mochte sie es, wenn er seine große Hand väterlich auf ihre Schulter legte und sie vorstellte: Katharina Krenn, unsere Sicherheitssprecherin. Das kam bei den Leuten gut an.

      Von Gföhl war sie direkt nach Weißenkirchen gefahren. Als sie den Bahnübergang kurz vor der Ortseinfahrt überquerte, warf sie einen Blick auf die Uhr über dem Tachometer. Sie war zu früh dran. Der Beginn der Veranstaltung war für 19 Uhr 30 angesetzt. Jetzt war es 19 Uhr 30. So etwas war ihr zu Beginn ihrer politischen Karriere fast immer passiert. In letzter Zeit immer seltener. Bei der richtigen Inszenierung eines Auftritts war die Zeit ein entscheidender Faktor. Sie hatte vom Landeshauptmann gelernt, dass ein Politiker nie pünktlich sein durfte. Erstens würden die Leute sonst glauben, dass Politiker nichts zu tun hätten. Zweitens müsse unter den Wartenden eine gewisse Ungeduld oder sogar Unruhe geschürt werden, um schon das Erscheinen der Hauptperson zu einem wesentlichen Teil des nachfolgenden Erlösungsrituals zu machen. Sie wusste allerdings auch, dass es für ihn als Spitzenpolitiker eine deutlich höhere Verspätungstoleranz gab als für sie als einfache Landtagsabgeordnete. Sie beschloss daher, nur fünfzehn Minuten an der Ortseinfahrt zu parken.

      Heute Abend hatte die Weißenkirchener ÖVP zu einer Veranstaltung geladen. Die Schwarzen waren in der traditionsreichen Weinbaugemeinde immer die Platzhirsche gewesen. Sie waren die einzige Partei, die es sich leisten konnte, außerhalb von Wahlzeiten Parteiveranstaltungen abzuhalten. Ursprünglich hatte der Ortsparteiobmann den Landeshauptmann höchstpersönlich wegen des politischen Referats angefragt. War aber von dessen Büro abschlägig beschieden worden. Terminkollision. Daher war sie zum Zug gekommen.

      Pünktlich, mit der ihr angemessenen Verspätung, startete sie ihren Wagen und fuhr zum »Holzer«. Dieses Gasthaus war in Weißenkirchen eine Institution. Seit neun Generationen im Besitz der Familie. Sie war seit drei Jahren im Landtag und kannte daher fast alle Ortsparteiobmänner und -obfrauen ihres Wahlkreises. Auch den vor dem Lokal wartenden Weißenkirchener Obmann Hans Wiesner.

      Mit einem deutlichen Handzeichen signalisierte er ihr, ihren Wagen in die geöffnete Hofeinfahrt zu lenken. Ein kleines Schild aus Stuck, ursprünglich weiß, aber nie gereinigt, prangte über der Hofeinfahrt. Mit einer in abgeblättertem Gold eingravierten Jahreszahl: 1738. Die Holzers waren nicht nur Wirtsleute, sondern auch Weinbauern. Im zweiten Beruf nicht ganz so bekannt wie im ersten. Ihre Veltliner und Rieslinge waren durchaus gut zu trinken, aber in den großen nationalen oder gar internationalen Wein-Führern waren sie nicht zu finden.

      Nach einer kurzen Begrüßung mit einem zaghaften Kuss auf beide Wangen führte der Obmann sie hinein. Das Gasthaus hatte neben der Schankstube einen großen Saal. Dessen Decke war gemessen an der Größe zu niedrig, sodass der Raum etwas Bedrückendes ausstrahlte. Bis zu 120 Leute fanden hier Platz. Normalerweise wurde so viel Platz in Weißenkirchen nur in der Faschingszeit gebraucht. Beim Feuerwehrball etwa, oder beim Pfarrball. Da musste allerdings ein großer Teil der Ballbesucher in der Schankstube Platz nehmen, weil der Saal für die Kapelle und die Tanzfläche reserviert war. Den Pfarrball gab es schon lang nicht mehr. Ebenso wenig wie das Kindergschnas. Früher ein Fixpunkt im Weißenkirchener Veranstaltungskalender. Jetzt wurde der Saal in erster Linie für Hochzeiten verwendet. Bei geschickter Anordnung der Tische sah der Saal auch mit deutlich weniger Gästen ziemlich voll aus. So auch an diesem Abend.

      Katharina hatte sich schon früh angewöhnt, bei ihren Auftritten die Zahl der Besucher zu schätzen. Weil sie daraus auf die organisatorische Schlagkraft der örtlichen Parteileitung schließen konnte. Aber natürlich auch, weil die Besucherzahl ein höchst brauchbares Indiz für ihre eigene Zugkraft darstellte. Zirka sechzig Personen. Gar nicht schlecht.

      Dass der Publikumsandrang auch ihr zu verdanken war, bemerkte sie am deutlichen Überhang der männlichen Besucher, die auch einen stärkeren Beitrag zum insgesamt sehr freundlichen Begrüßungsapplaus leisteten als die anwesenden Damen. Das kannte sie schon von anderen Veranstaltungen. Bei der Wahl ihrer Garderobe legte sie stets Wert darauf, Frauen, die von der Natur nicht mit denselben Vorzügen ausgestattet worden waren wie sie selbst, nicht vor den Kopf zu stoßen. Deshalb schminkte sie sich bei solchen Gelegenheiten auch ausgesucht dezent. СКАЧАТЬ