Название: Dürnsteiner Puppentanz
Автор: Bernhard Görg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783990013687
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Der Koch zeigte auf den Stapel an beigen Schürzen, die auf einem Hocker lagen. Amüsant zu sehen, wie die Damen diese Schürzen skeptisch ansahen. Mit diesen Fetzen sollten sie ihre schönen Kleider überdecken? Farblich passend war das Beige auch in den seltensten Fällen.
Sie selbst hatte zwar ebenfalls keine gesteigerte Sehnsucht nach einer Schürze. Aber ihr Outfit zu verdecken konnte nicht schaden. Allerdings wollte sie sich die missmutigen Gesichter der Damen nicht entgehen lassen. Daher ließ sie den anderen Kursteilnehmern den Vortritt.
Da sah sie, wie die Dame mit dem tiefen Ausschnitt sich an Erich wandte, der unmittelbar hinter dieser Exhibitionistin stand. Mit der offensichtlichen Bitte, ihr die Schürze an ihrem Rücken zusammenzubinden. Und was tat ihr Mann? Er kam dieser Aufforderung bereitwilligst, wie ihr schien, nach. Aber nicht nur das. Er nutzte auch die Gelegenheit, der trotz ihrer Stilettos klein geratenen Frau über die Schulter ins Dekolletee zu schauen. Bei seiner Körpergröße von 1,85 kein Problem.
Doris wusste nicht, ob sie in dem Moment rot oder ganz blass wurde. Aber eines wusste sie: dass ihr Gesicht mit Sicherheit seine Farbe wechselte. Am liebsten hätte sie Reißaus genommen.
Das ließ allerdings ihr Stolz nicht zu. Außerdem hätte sie damit alles nur noch schlimmer gemacht. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Sie war doch bis jetzt immer selbstbewusst genug gewesen, um sich ihres Mannes sicher zu sein. War vielleicht doch diese verdammte Josefa Machherndl und nicht diese Kokotte an ihrer Gemütslage schuld?
Bei der Zubereitung des Menüs konnte sie sich überhaupt nicht konzentrieren. Sie war so zerstreut, dass sie sich sogar vom Koch die Frage gefallen lassen musste, ob sie heute zum ersten Mal in einer Küche stehen würde. Zwar mit einem Augenzwinkern vorgetragen. Aber bei jemandem, dessen oberstes Ziel es doch war, nur ja keinen Kursteilnehmer zu verärgern, war das doch eine sehr deutliche Ansage. Den heutigen Tag musste sie jedenfalls abschreiben.
Samstag, 17. April 16 Uhr 05
Die Weinreben des Tausendeimerbergs zeigten erst einen kleinen Anflug von Grün. Dennoch schirmte das knorrig verästelte Gehölz ihn und sein Fernglas gut genug gegen Blicke ab. Im Garten seiner Zielperson war alles ruhig. Er wusste nicht, ob sich Klaus Strasser an der Blütenpracht seiner Marillenbäume erfreute. Wenn ja, dann sollte es heute zum letzten Mal sein.
Wieder dieses Zittern. Würde Klaus Strasser heute laufen gehen oder nicht? Schon seit eineinhalb Stunden beobachtete er das Haus. Jedenfalls war Strasser spät dran. Um drei Uhr war ein Lieferwagen vorgefahren. Mehrere Kisten wurden ausgeladen. Er hätte es trotz seines Fernglases nicht beschwören können. Aber so vorsichtig. wie Fahrer und Beifahrer mit den Kisten umgingen, musste es sich hauptsächlich um Geschirr handeln. Bei den Strassers gab es offensichtlich ein Fest zu feiern.
Zum fünften oder sechsten Mal richtete er sein Fernglas auf die umliegenden Hügel. Es kam vor, dass auch andere Menschen mit einem Fernglas unterwegs waren. Die hätten ihn erspähen können. Zumal immer das Risiko bestand, dass sich das Sonnenlicht in seinen Linsen spiegelte und das Glas aufblitzen ließ. Aber da war niemand.
Vor dem Haus tat sich wieder etwas. Zwei junge Mädchen, er schätzte sie auf Anfang zwanzig, kamen in einem Kleinwagen an. In schwarzem Gewand und weißer Schürze. Extra engagierte Serviererinnen. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis das Fest begann. Wenn die ersten Gäste ankamen, war seine Chance vorbei.
Das Zittern erfasste seine Arme. Unkontrollierbar. Er konnte das Fernglas kaum noch halten. Die Puppe war gestern in der Donau gefunden worden. Daher musste er heute zuschlagen. Heute. Samstag. Da war Strasser noch hier. Am Sonntag fuhr er meist schon am frühen Nachmittag zurück nach Wien.
Da kam der Anwalt aus seinem Bau. Zielstrebig steuerte er auf seinen protzigen Porsche zu. In einem blauen Trainingsanzug mit weißen Streifen. Er ging laufen. Trotz des Festes. Trotz des baldigen Eintreffens der ersten Gäste.
Den Porsche durfte er nicht entwischen lassen. Daher rannte er zu seinem Wagen, der nur ein paar Meter entfernt im Schatten von ein paar Bäumen parkte. Er fuhr, so schnell er konnte, den Berg hinunter durch die verwinkelten Gassen. Bald sah er den Porsche in einiger Entfernung vor sich.
Jetzt musste Strasser nur noch eine einsam gelegene Laufstrecke wählen. Die Chancen dafür standen 7:2. Von vielen Beobachtungen wusste er, dass Klaus Strasser immer wieder seine Laufstrecken wechselte. Bis heute hatte er neun gezählt. Von diesen eigneten sich sieben für seinen Plan. Wegen der einsamen Lage und der Uneinsehbarkeit von Teilen der Laufstrecke. Jetzt kam es drauf an. Fuhr Strasser zur Donau hinunter, um am Treppelweg zu laufen, der an einem so schönen Samstag im Frühling voller Radfahrer war? Oder wählte er eine einsame Strecke in den Wäldern?
An der Hauptstraße bog der Porsche nach Norden Richtung Waldviertel ab.
Das Schicksal war heute offenbar nicht auf Strassers, sondern auf seiner Seite. Er wollte bewusst von Schicksal reden, nicht von Glück. Schicksal passte besser zu dem, was in der nächsten Stunde geschehen sollte.
Samstag, 17. April 17 Uhr 55
Ihre ursprüngliche Idee war gewesen, sein Geburtstagsfest ohne fremde Hilfe zu gestalten. Nur die Familie Strasser. Klaus, Theresa, Katja und Mathias. Bald hatte sie jedoch eingesehen, dass das für sie nicht zu schaffen war. Weil die Kinder protestierten und auch Klaus von diesem Plan alles andere als begeistert war. Hilfe im Haushalt war nie seine Sache gewesen. Daher hatte sie einen Koch und zwei junge Studentinnen aus Spitz engagiert. Die schienen sich über den in Aussicht gestellten Verdienst aufrichtig zu freuen.
Der Koch war schon gestern Nachmittag zu einem Bauern nach Mühldorf gefahren, um sich von einem frisch geschlachteten Kalb die schönsten Stücke auszusuchen. Und von einem Rind, das schon seit einer Woche in der Kühlkammer des Bauern hing. Mit dem Auftrag an den Landwirt, das Fleisch bis heute vierzehn Uhr bei den Strassers abzuliefern. Hatte auch bestens geklappt.
Seit einer guten Stunde füllte sich das Haus mit den angesagten zwanzig Gästen. Obwohl das Geburtstagsfest offiziell erst um achtzehn Uhr starten sollte. Gute Freunde nahmen es mit Beginnzeiten eben nicht so genau. Die meisten Gäste waren schon mehrmals bei ihnen zu Besuch gewesen und hatten keine Mühe gehabt, das Haus zu finden. Dennoch verbrachte sie viel Zeit am Telefon, um diejenigen herzulotsen, die sich in dem verwinkelten Ort verfuhren.
Die, die über Nacht bleiben wollten, hatten schon in ihren Quartieren eingecheckt und sich auch vorsichtshalber den Schlüssel zu ihrer Unterkunft mitgenommen, wie sie es ihnen empfohlen hatte. Der Abend würde ja sehr lang werden und die Rezeptionen der meisten kleinen ländlichen Hotels waren nachts nicht durchgehend besetzt.
Gott sei Dank hatte sie die Mehrheit der zu früh Kommenden überreden können, noch einen kleinen Ausflug zur Ruine Hinterhaus und zum Tausendeimerberg, dem bekanntesten Weinberg der ganzen Wachau, zu machen. Keine zehn Gehminuten vom Wochenendhaus der Strassers entfernt. Jetzt waren fast alle wieder zurück.
Das Geburtstagskind war jedoch noch immer nicht da. Sie hatte Klaus gebeten, doch ausnahmsweise am Vormittag laufen zu gehen. Aber nein. Seit der Zeit ihres Kennenlernens wusste sie, dass Klaus erstens ein Sturkopf und zweitens wenig rücksichtsvoll war. Also Joggen am Nachmittag. Heute kurz nach sechzehn Uhr. Dieses Timing hatte er bestimmt absichtlich so gewählt, um sie nervös zu machen. Langweilig würde ihr mit ihm nie werden.
Zum Glück kannten ihn seine Freunde gut genug, um sich von seiner Sturheit und seiner СКАЧАТЬ