Dürnsteiner Puppentanz. Bernhard Görg
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Название: Dürnsteiner Puppentanz

Автор: Bernhard Görg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990013687

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СКАЧАТЬ immer darauf versessen war, ganz nah an einen Brückenpfeiler heranzuschwimmen. Um sich seinen Mut zu beweisen. Schon als Zwölfjähriger hatte er begonnen, hart zu trainieren. Gern wäre er ein sehr schneller Schwimmer geworden. Aber andere waren noch schneller. Auch, weil er erst spät gewachsen war. Bis zum Ende der Schulzeit war er kleiner gewesen als seine Altersgenossen. Wenigstens hatte die Ausbildung zum Rettungsschwimmer geklappt.

      Jetzt saß er nicht an diesem Platz, um in die Donau zu springen und sich neuerlich seinen Mut zu beweisen. Dazu hätte er heute einen Neoprenanzug gebraucht. Die Temperatur des Wassers schätzte er wegen des langen Winters auf maximal neun Grad.

      Heute hatte seine Anwesenheit hier einen anderen Grund. Er zitterte. Obwohl es in seinem Auto sehr warm war. Er zitterte, weil er Angst hatte, sein Plan würde schon im ersten Anlauf scheitern. Dieses Zittern kannte er von früher. Fühlte sich ganz anders an als ein Frösteln, das ihm selbstverständlich ebenfalls vertraut war. Er fröstelte, wenn ihm kalt war. Er zitterte, wenn er Angst vor Misserfolg hatte.

      Durch sein Fernglas blickte er über die Donau, hinüber zur Terrasse des Schlosshotels Dürnstein. Recht voll für Mitte April. Den Menschen schien die Kühle, die vom Fluss aufstieg, nichts auszumachen. Ein Paar an der Brüstung machte immer wieder schwungvolle Bewegungen mit den Armen. Offenbar warfen die beiden ein paar frechen Spatzen Krümel von ihrer Mehlspeise zu. Weiter oben erblickte er eine Gruppe von Leuten, die den steilen Weg von der Ruine herabstiegen. Durch das Fernglas alles gut zu erkennen. Aber auf der Donau selbst regte sich nichts.

      Er war froh, im Auto sitzen zu können. Seit seiner Kindheit reagierte er äußerst empfindlich auf Kälte. Sehr robust war man in seiner Familie ja seit Generationen nicht gewesen. Sein Vater war schon im Alter von achtundfünfzig Jahren gestorben. Und seine Mutter mit vierundsechzig. Und sein Bruder sogar schon mit vierzehn.

      In letzter Zeit hatte er sich öfter bei der Frage ertappt, wie lange er wohl selbst noch leben würde. Nicht, dass ihn ein frühes Ende übermäßig gestört hätte. So toll war sein bisheriges Leben ja nicht gewesen. Viel stärker als die mögliche Dauer seines Lebens hatte ihn seit vielen Jahren die Frage beschäftigt, warum ihm von seinen Eltern nicht die Gene, die er für ein erfolgreiches Leben hätte brauchen können, in die Wiege gelegt worden waren. Er hatte Erfolgsmenschen in seinem Umfeld über Jahre studiert. Fast alle waren intelligent, zum Teil sogar hochintelligent. Es war ein Lügenmärchen, dass Erfolg im Beruf auch ohne Intelligenz zu haben war. Aber daran allein konnte es nicht liegen. Er selbst hatte ja schon als Schüler als begabt gegolten. Nicht ganz so talentiert wie sein verstorbener Bruder, aber immerhin. Seinen Beobachtungen zufolge hatten Erfolgsmenschen ihm bestimmte Eigenschaften voraus: Sie hatten wesentlich kräftigere Ellbogen, die sie nicht nur benutzten, um sich vorzudrängen. Sie rammten damit auch ohne Hemmungen alle beiseite, die ihnen im Weg standen. Sie waren berechnender und ohne Mitgefühl. Schlossen nur Freundschaft mit Menschen, von denen sie sich etwas versprachen. Und logen, ohne rot zu werden, wenn die Lüge ihren Interessen diente. Manchmal fragte er sich, ob er diese Fähigkeiten insgeheim auch alle gern gehabt hätte. Kleinere Anläufe in diese Richtung hatte er zweifellos unternommen. Aber letztlich fehlte ihm dann doch die Härte. Im letzten Moment hatte er immer zurückgezuckt. Ob er diesmal auch zurückzucken würde? Nein. Diesmal nicht. Er war fest entschlossen. Er musste es tun.

      Ungeduldig ließ er sein Fernglas über die Donau schweifen. Das Motorboot, auf das er wartete, würde er schon von Weitem sehen können. Ein ganz bestimmtes Motorboot. Wahrscheinlich würde es von Krems heraufkommen. Von dort, wo die vollbesetzte MS Wachau auf ihrer Fahrt zu ihrer Endstation schon vor einiger Zeit verschwunden war. Auf die MS Wachau hatte er die größten Hoffnungen gesetzt. Sein ganzes Timing war darauf ausgerichtet, dass ein Passagier oder sonst wer auf dem Schiff Alarm schlug.

      Seine zweite Hoffnung waren die Paddler. Immer wieder kamen ein paar kleine Boote in gemächlichem Tempo an ihm vorbei. Es war ein schöner Tag gewesen. Da gab es auch unter der Woche immer ein paar Paddler, die sich mehr oder weniger treiben ließen. Am Wochenende würde sich deren Zahl sicher verzehnfachen. Vielleicht hätte er zur Sicherheit bis zum Wochenende warten sollen. Die Leute schauten ja eher in die Gegend oder in die Luft, als dass sie einen Blick auf die Wasseroberfläche warfen.

      Das Motorboot kam einfach nicht daher. Vor mittlerweile drei Stunden hatte er sie der Donau übergeben. Enttäuschend war das. Aber er war noch nicht deprimiert. Spätestens bei der Staustufe in Altenwörth würde irgendjemand auf sie aufmerksam werden. Das war sein Plan B. Allerdings konnte es immer noch sein, dass sie doch am Ufer hängengeblieben war. Obwohl sie sich zunächst wie geplant Richtung Strommitte bewegt hatte.

      Er schaute mit dem Fernglas Richtung Mauterner Brücke. Da sah er es. Das Boot. Endlich. Größer als die meisten Motorboote, die die Donau befuhren. Unverkennbar nicht nur an der silbergrau-blauen Lackierung, sondern auch an der rot-weiß-roten Fahne, die am Heck flatterte. Noch konnte er sich aber nicht sicher sein. Hätte ja auch eine Routinefahrt der Polizei sein können.

      Keine zwei Minuten später war er sicher. Das Boot fuhr nicht in direkter Linie stromaufwärts, sondern in einem Zickzack-Kurs. Als würden die Personen an Bord nach etwas Ausschau halten. Er wollte gar nicht weiter warten. Was er sah, reichte ihm.

      Das Zittern hörte mit einem Schlag auf. Die ersten beiden Schritte seines Plans hatten funktioniert. Er ermahnte sich, deswegen nicht übermütig zu werden. Diese Schritte waren eine vergleichsweise leichte Übung. Der nächste würde ihm viel schwerer fallen. Mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust startete er sein Auto.

      Freitag, 16. April 17 Uhr 30

      Die Größe des Kunststücks, gleichzeitig das Boot zu steuern und die Wasseroberfläche mit dem Fernglas abzusuchen, hatte er zugegebenermaßen etwas unterschätzt. Das war sogar für einen Felix Frisch eine Herausforderung. Noch dazu im Zwielicht des späten Nachmittags. Es herrschte ja beinahe schon Dämmerung. Vielleicht hätte er seinen jungen Kollegen doch nicht wegschicken sollen. Aber er hatte eben ein weiches Herz und wollte für die jungen Kollegen ein leuchtendes Vorbild in Sachen Kameradschaft sein. Gerade als sie beide das schnittige Polizeiboot besteigen wollten, hatte der Kollege den Anruf von seiner Frau bekommen. Der kleine Sohn hätte hohes Fieber und würde ständig nach seinem Vater rufen. Da musste er den Kollegen doch drängen, sich schleunigst auf den Weg nach Hause zu machen. Die Donau abzusuchen würde er auch allein schaffen.

      Schaffte er ja auch. Ein gestandenes Mannsbild wie er war sogar diesem schwierigen Auftrag gewachsen. Spezialauftrag von der Mordkommission. Die Donau zwischen Krems und Dürnstein sollten sie nach einer angeblichen Leiche absuchen. Oder einem Gegenstand, der wie eine Leiche aussah.

      Irgendetwas musste da wohl im Wasser sein. Das sollte er finden. Also fuhr er im Zickzack stromaufwärts. Die Donau kannte er in diesem Abschnitt mittlerweile wie seine Westentasche. Vielleicht war es gut, dass er diesen Auftrag alleine erledigte. In letzter Zeit fehlten ihm sowohl die Herausforderungen als auch die Erfolgserlebnisse. Wenn da irgendwo doch eine Leiche schwamm, dann war er jedenfalls der Richtige, um sie zu bergen. Dazu brauchte es schon einen Mann mit seiner Erfahrung.

      Vor einem knappen Jahr war er endlich vom Revierinspektor zum Gruppeninspektor befördert worden. Ohne dass ihm die Beförderung Freude bereitet hätte. Es hatte schon mit der Beförderungszeremonie begonnen. Die war gar nicht nach seinem Geschmack verlaufen. Er musste ja zugeben, dass es bei der Kremser Polizei nicht üblich war, dass bei solchen Anlässen der niederösterreichische Polizeidirektor oder zumindest ein Kremser Vizebürgermeister persönlich anwesend waren. Aber in seinem speziellen Fall wäre das schon gerechtfertigt gewesen. Welcher zukünftige Gruppeninspektor konnte schon von sich behaupten, einen so großen Beitrag nicht nur zur Aufklärung eines Mordes, sondern einer ganzen Mordserie geleistet zu haben. Gott sei Dank hatte wenigstens seine Elfriede für die Feier eine Torte gebacken. Die ließen sich natürlich alle gut munden. Sogar eine Kaffeemaschine hatte seine Frau mitgebracht, weil der Kaffee aus dem Automaten wie Abwaschwasser schmeckte. Im Torte-Essen СКАЧАТЬ