Dürnsteiner Puppentanz. Bernhard Görg
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dürnsteiner Puppentanz - Bernhard Görg страница 10

Название: Dürnsteiner Puppentanz

Автор: Bernhard Görg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990013687

isbn:

СКАЧАТЬ dass sie solche Vorbehalte mit ihrer Rede nach wenigen Minuten zum Schwinden bringen konnte.

      Ortsparteiobmann Wiesner, der die Anwesenden offensichtlich alle persönlich kannte, gab in seiner kurzen Begrüßungsansprache seiner Freude über das zahlreiche Erscheinen Ausdruck. Auf eine recht sympathische Art. Schwerer tat er sich mit der Vorstellung ihrer Person. Etwas linkisch, wie sie fand. Sie hatte sich vorgenommen, in ihrer Rede, die sie völlig frei halten wollte, auf die Bedeutung des Weinbaus nicht nur für die Region sondern für das gesamte Bundesland einzugehen. In Weißenkirchen natürlich ein Selbstläufer.

      Etwas schwieriger war es für sie schon, beim Thema Tourismus die richtige Balance zu finden. Die Wachau lebte zwar vom Tourismus, aber es gab viele Bewohner, für die der Fremdenverkehr mehr Fluch als Segen bedeutete. Weil sie seit drei Monaten Sicherheitssprecherin ihrer Partei im Landtag war, wollte sie sich im bundespolitischen Teil ihrer Rede auf die neue Parteilinie in Sachen Sexualstrafrecht konzentrieren. Aber auch deswegen, weil sie wusste, dass sie damit den meisten Frauen im Saal aus der Seele sprechen würde. Dem Beifall am Ende ihrer Rede nach zu schließen hatte sie ihr Ziel voll erreicht. Einige Damen hatten sich dabei sogar von ihren Sesseln erhoben.

      Nachdem der Applaus endlich verklungen war, lud der Ortsparteiobmann die Zuhörer ein, Fragen an die Referentin zu stellen. Ein übliches Ritual bei Parteiveranstaltungen. Ebenso wie es üblich war, dass sich alle Anwesenden zunächst gegenseitig ansahen, und niemand den Mut hatte, die erste Frage zu stellen. Bis der Parteiobmann die schön langsam peinlich werdende Stille mit einer eigenen Frage durchbrach. Kannte sie auch zur Genüge.

      »Liebe Frau Abgeordnete! Man munkelt ja schon seit einiger Zeit, dass du der nächsten Landesregierung angehören wirst. Ich bin sicher, dass alle hier im Raum wissen wollen, welches Ressort du denn gern hättest?« Ziemlich die blödeste Frage, die er ihr stellen konnte. Abwiegeln, rundweg bestreiten oder gar bejahen? Jede Antwort war möglich, aber keine wirklich befriedigend. Als Frage zum Aufwärmen absolut nicht zu gebrauchen. Dem Gesichtsausdruck des Obmanns konnte sie aber die Überzeugung ansehen, ihr eine besonders intelligente Frage gestellt zu haben. Vollkoffer.

      Samstag, 17. April 8 Uhr 20

      Die Luft war an diesem sonnigen Morgen noch frisch. Sie fröstelte, als sie auf die Veranda hinaustrat. Von der Donau stiegen zarte Dunstschleier auf. Morgenmantel allein war zu wenig. Gestern in Weißenkirchen war es ziemlich spät geworden. Lange Abende war sie gewohnt. Vielleicht war es dennoch auch Restmüdigkeit, die sie frösteln ließ. Mit ihren einundvierzig Jahren war sie eben nicht mehr die Jüngste. Immerhin eine der jüngeren Landtagsabgeordneten.

      Jedenfalls musste sie sich vor einer Verkühlung hüten. Angesichts ihres Terminkalenders war eine Erkrankung so ziemlich das Letzte, was sie brauchen konnte. Also zurück ins Haus. Ein Paar dicke Socken und unter dem Morgenmantel noch eine warme Trainingshose, das würde reichen. Jedenfalls wollte sie es sich nicht nehmen lassen, mit Martin auf der Veranda zu frühstücken. Sie hörte ihn schon in der Küche. Für das samstägliche Frühstück gab es im Hause Krenn seit Jahren und zu allen Jahreszeiten eine fixe Arbeitsteilung. Sie deckte nur den Tisch. Alles andere war allein seine Sache. Es war sein Ritual, um sich auf das Wochenende einzustimmen. Er holte beim Bäcker, den es in Rossatz noch gab, frisches Gebäck. Früher war er um Wurst und Käse auch noch in die örtliche Gemischtwarenhandlung gepilgert. Die hatte jedoch vor zwei Jahren zugesperrt. Einen Feinkostladen hatte es in dem kleinen Dorf nie gegeben. Also kaufte er die übrigen Zutaten je nach Zeit schon am Donnerstag oder Freitag in einem Supermarkt in Mautern. Den Kaffee hingegen bezog er via Internet aus Vietnam. Kein anderer Kaffee hatte diese cremige Schokoladennote.

      Sie wollte ihn in der Küche nicht stören. Also nahm sie alles aus der Anrichte neben der Verandatür. Zunächst ein frisches, blassgrünes Tischtuch. Darauf drapierte sie das Gmundner Porzellan und das alte Silberbesteck.

      Sie deckte nur für zwei Personen. Allzu selten gesellte sich zum Frühstück ihre sechzehnjährige Tochter Emma dazu. Am Wochenende war sie in der Regel nicht vor zehn Uhr aus dem Bett zu kriegen. Der vierzehnjährige Philipp tauchte überhaupt nie auf. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, gar nicht zu frühstücken. Um dann beim Mittagessen umso kräftiger zuzulangen.

      Das Tischdecken war schnell erledigt. Die dicken grünen Polsterauflagen holte sie noch und legte sie auf die Sessel. Dann ließ sie sich in ebendiese grüne Polsterung fallen. Sie zwang sich, das Handy noch liegen zu lassen. Stattdessen ließ sie den gestrigen Abend Revue passieren. Von ihrer Rückfahrt von Weißenkirchen nach Rossatz musste sie Martin unbedingt erzählen. Gerne hätte sie die Rollfähre über die Donau genommen. Aber die war ja so spät abends längst nicht mehr in Betrieb. Sie musste donauabwärts bis Stein, dann über die Donaubrücke nach Mautern und schließlich noch ein paar Kilometer wieder stromauf nach Rossatz fahren. Rund 17 Kilometer, um ihr Haus zu erreichen, das am gegenüberliegenden Ufer fast in Sichtweite lag. Beim Wegfahren hatte sie wegen dieses Umweges zu später Stunde noch geseufzt. Aber schon bei der Ausfahrt aus Weißenkirchen war ihr die Pracht der Frühlingsnacht aufgefallen. Ein echter Genuss. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals blühende Marillenbäume im Mondlicht bewusst wahrgenommen zu haben. Gestern zum ersten Mal. Fast noch schöner als bei Sonnenschein.

      Ihr Wohnort rühmte sich in seinen Werbebroschüren, das größte Marillenanbaugebiet der ganzen Wachau zu beherbergen. Dennoch konnte sie von ihrer Veranda aus nur in der Ferne vereinzelt ein paar Bäume in weißer Blütenpracht sehen. In ihrem Garten standen nur Apfelbäume. Die würden sich mit ihrer Blüte noch einige Wochen Zeit lassen. Vielleicht ging es sich bis zum nächsten Vollmond aus. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es das Rosa der Apfelblüten locker mit dem Weiß eines blühenden Marillenbaums aufnehmen konnte. Aber ob das Rosa bei Vollmond auch so strahlen würde? Würde sich Martin, der honorige Herr Notar und umsorgende Familienvater, zu einem späten Spaziergang mit dem gewissen Extra verführen lassen?

      Seit siebzehn Jahren war sie verheiratet. Sie fragte sich manchmal, ob sie nicht erst später hätte heiraten und ihre Ungebundenheit noch länger hätte genießen sollen. Auf diese Frage fand sie allerdings nie eine eindeutige Antwort.

      Klar war ihr jedenfalls, dass sie es mit ihrem Martin recht gut getroffen hatte. Respektabel, verständnisvoll, ihre Karriere fördernd, witzig und durchaus zum Herzeigen. Auch ein Vorzug, der für sie, die sich oft auch bei gesellschaftlichen Anlässen zeigen musste, nicht zu unterschätzen war. Ihr Mann machte sowohl im Niederösterreicher-Anzug als auch im Smoking eine ausgezeichnete Figur. Nach ihrem Einzug in den Landtag hatte Martin ihr empfohlen, dafür zu sorgen, dass sich alle das Kürzel »KK« einprägten. Würde ihr bei ihrem weiteren Aufstieg nützlich sein. Hatte bis jetzt auch prächtig funktioniert. Im Grunde war er es gewesen, der ihr Interesse an der Politik geweckt hatte. Ihr Vater hatte das nie vermocht, obwohl er Kremser Bezirkshauptmann gewesen war, und Politik bei ihm immer an erster Stelle stand.

      Ja, Martin war ein guter Griff. Aber sehr schön war auch die Freiheit gewesen, die sie in ihrer Jugend weidlich genutzt hatte. So weidlich, dass sie im Interesse ihres weiteren Aufstiegs auf die Diskretion all derer hoffen musste, die einst in den Genuss dieser Freiheit gekommen waren. Bisher kein Problem. Schließlich war das alles schon recht lang her. Als ÖVP-Abgeordnete musste sie sich jedenfalls davor hüten, mit solcher Freiheit assoziiert zu werden. Daher war sie dieser Tage eine mustergültige Ehefrau. Aber von Vollmondnächten unter blühenden Bäumen träumte sie trotzdem.

      Da ihr der Sinn so nach Blüten stand, holte sie ein kleines scharfes Messer aus der Anrichte, schlüpfte in die Pantoffel, die auf der Veranda stets bereit standen, ging hinunter in den Garten und schnitt ein paar Blumen aus der Wiese. Ein paar große Gänseblümchen, die Namen der anderen, der kleinen roten und blauen, kannte sie nicht. Wiesenblumen eben. Das hübsche kleine Sträußchen stellte sie in einer Vase auf den Frühstückstisch. Ein wenig dufteten sie sogar.

      Allerdings wurde der Duft überlagert vom Aroma des Kaffees, das durch die Verandatür herausströmte. СКАЧАТЬ