Der Aktionskreis Halle. Sebastian Holzbrecher
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Aktionskreis Halle - Sebastian Holzbrecher страница 7

СКАЧАТЬ zu haben. Allerdings hat der Kardinal handschriftliche Aktenvermerke über die weitverzweigten Absetzungsbemühungen von Alfred Bengsch42 gegenüber Friedrich Maria Rintelen hinterlassen, die offensichtlich gezielt ein vom Berliner Kardinal konstruiertes Geschichtsbild korrigieren sollten. Im Berliner Diözesanarchiv (DAB) findet sich ein Teilnachlass des Berliner Erzbischofs Alfred Kardinal Bengsch.43 Dieser Quellenbestand erweist sich im Hinblick auf den AKH als wenig aussagekräftig, da er nur marginale Hinweise auf einzelne Personen des Aktionskreises enthält. Die ebenfalls im Berliner Diözesanarchiv befindliche Quellensammlung von Martin Höllen weist dagegen auch Hinweise und Schriftstücke zum AKH auf, die keinen Eingang in die dreibändige Quellenedition gefunden haben. Die wohl umfangreichste und aussagekräftigste Quellensammlung kirchlicher Provenienz stellen die Akten der Berliner Ordinarien- und späteren Bischofskonferenz dar, die sich im Regionalarchiv der Ordinarien Ost (ROO) im Bistumsarchiv Erfurt befinden. Die amtlichen Protokolle der Ordinarien- und späteren Bischofskonferenz sowie Quellen, Vermerke und Briefe aus dem Bestand der Bischofskonferenz zum AKH selbst erlauben eine Annäherung an die bischöfliche Bewertung der Hallenser Reformbemühungen, obwohl die Quellendichte hierbei auffallend gering ist.

      In staatlichen Archiven sind Quellen derjenigen Institutionen und Organe der DDR überliefert, die sich mit dem Hallenser Aktionskreis auseinandergesetzt haben. Dazu zählen die Arbeitsgruppe für Kirchenfragen beim Zentralkomitee (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Staatssekretär für Kirchenfragen und dessen Sekretariat im Rang einer Dienststelle sowie das Ministerium für Staatssicherheit. Der mit Abstand umfangreichste Quellenbestand findet sich in den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die durch den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) zugänglich gemacht werden. Die quellenkritisch äußerst differenziert zu bewertenden Akten, die teilweise unvollständig oder fragmentarisch überliefert und aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten teilweise anonymisiert sind, enthalten personenbezogene Dossiers, operative Vorgänge sowie Personal- und Berichtsakten inoffizieller Mitarbeiter des MfS. Der Staatssekretär für Kirchenfragen und dessen Dienststelle waren für die genuin staatliche Einordnung und Bewertung der katholischen Kirche insgesamt und daher auch für den Aktionskreis Halle verantwortlich. Das im Berliner Bundesarchiv überlieferte Quellendepositum enthält detaillierte Berichte und Einschätzungen über den AKH sowie die bischöfliche Bewertung des Kreises und ist daher, obgleich im Umfang wesentlich geringer als die Akten der Staatssicherheit, nicht minder aussagekräftig. Die politische und damit in der DDR letztlich entscheidende Einordnung des Aktionskreises fand in der Abteilung für Kirchenfragen beim ZK der SED statt. Der äußerst geringe, aber dennoch bedeutende Quellenbestand der Arbeitsgruppe zum AKH ist in der „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ (SAPMO) im Berliner Bundesarchiv überliefert.

      Das äußerst umfangreiche Quellenmaterial ist unterschiedlich zu gewichten. Das Privatarchiv des Aktionskreises sowie die kirchlichen Archive beinhalten überwiegend Primärquellen der handelnden Personen. Quellenkritisch sind diese Überlieferungen als besonders authentisch und zuverlässig zu qualifizieren, wenngleich besonders bei eigens für die kirchlichen Akten verfassten Vermerken die Aussageintention und die jeweilige Situation des Verfassers mitbedacht werden müssen, um Tendenzen einer gezielten Geschichtsbildung erkennen zu können. Die staatlichen Quellen sind quellenkritisch mindestens ebenso differenziert zu betrachten. Interne Einschätzungen und Berichte staatlicher und vor allem geheimpolizeilicher Organe verfolgten nicht nur eine Informationsabsicht. Innerhalb des diktatorischen Systems wird man stets mit zusätzlichen Interessen und Aussageabsichten zu rechnen haben, die den Inhalt einer Quelle überlagern und verzerren können. Der Aussagewert und die Verlässlichkeit dieser Sekundärquellen sind deshalb je eigens zu überprüfen. Dies ist im besonderen Maße dort geboten, wo es sich um Informationen und Berichte von inoffiziellen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit handelt.

      5.Abgrenzung der Thematik

      Die vorliegende Studie zum Aktionskreis Halle will die Geschichte dieser Gruppe in der spezifischen Situation der katholischen Kirche in der DDR darstellen und untersuchen. Aufgabe einer wissenschaftlichen Untersuchung des AKH kann es nicht sein, persönliche Eindrücke und Verletzungen zu thematisieren. Der Versuch, eine umfassende Geschichte des Aktionskreises zu verfassen und dabei allen unterschiedlichen Wahrnehmungen nachzugehen, sie zu beschreiben und ihnen gerecht werden zu wollen, ist allein schon aufgrund der Vielzahl von Personen im AKH zum Scheitern verurteilt. Die biographischen Annäherungen an einige Protagonisten des Aktionskreises konzentrieren sich vorwiegend auf ihr Wirken in der Gruppe selbst und beanspruchen keine Vollständigkeit. Aufgrund der zu behandelnden kurzen Zeitspanne von knapp 20 Jahren, der Fülle der zu erörternden Themen und des ungeheuren Quellenmaterials und nicht zuletzt, weil der AKH in die zentralen Themen, die Kirche in der DDR betreffend, vernetzt war, könnte der Eindruck entstehen, dass eine Gesamtgeschichte für die 70er und 80er Jahre abgeliefert wird. Diese ist allerdings weder intendiert noch kann sie im Rahmen einer Dissertation geleistet werden. Die Geschichte des Hallenser Aktionskreises ist und bleibt ein Teilaspekt einer noch zu verfassenden „ostdeutschen Kirchengeschichte“. Das Fehlen verschiedener Bischofsbiographien kann durch die in dieser Arbeit unternommenen Sekundärzugänge nicht aufgewogen werden und präsentiert sich in bestimmten Fragen als limitierender Faktor. Im Rahmen dieser Dissertationsschrift kann auch keine abschließende biographische oder theologische Beschreibung und Einordnung der verschiedenen ost- und westdeutschen Bischöfe erfolgen. Dieses Feld bleibt weiteren Forschungen vorbehalten. Weiterer Forschungsbedarf besteht zudem bei anderen innerkirchlichen Gruppierungen in der DDR. Welche Rolle spielten die regionalen Akademikerkreise, das Leipziger Oratorium, die Vielzahl der Priestergruppen, die - auch im Geheimen – existierten, tatsächlich und wie waren sie untereinander vernetzt?

       I.DER AKTIONSKREIS HALLE (AKH)

      Die Geschichte und Entwicklung des Aktionskreises Halle werden im Folgenden chronologisch dargestellt. Ausgehend von verschiedenen postkonziliaren Krisen und Konflikten stellt der Bischofswechsel im Kommissariat Magdeburg 1969/70 das auslösende Moment für die Gründung der Gruppe im Jahr 1970 dar. Dass es hierbei tatsächlich zu einer Wahl des neuen Bischofs kam, ist als Sonderfall zu charakterisieren und im Licht der Konzilsrezeption zu interpretieren. Die hierbei entstandenen Konflikte sollten die Bewertung des Aktionskreises nachhaltig prägen und werden daher detailliert erörtert. Schließlich wird in einem dritten Punkt der Aktionskreis als Gruppe eingehend dargestellt und analysiert: welche Ziele verfolgte er, wer gehörte zu dem Kreis und wie war die Gruppe vernetzt? Welche kirchlichen und gesellschaftlichen Themen hat die Gruppe bearbeitet und wie wurde der Aktionskreis Halle durch den ostdeutschen Katholizismus eingeordnet und bewertet? Am Gründungsauslöser, der Struktur und Zielsetzung sowie an der thematischen Arbeit des AKH lässt sich die basiskirchlichen Konzilsrezeption ablesen und hinsichtlich der Ausgangsthese analysieren.

      1.Krisen, Konflikte und Potentiale am Vorabend der Gründung

      Das II. Vatikanum stellte in vielerlei Hinsicht einen Antwortversuch auf innerkirchliche Verschiebungen und Krisen dar. Dass die nachkonziliare Zeit von einer offeneren und pluraleren Diskussion um die konkrete Gestalt von Kirche geprägt war, konnte insofern nicht verwundern. Ende der 1960er Jahre zeigte sich nicht nur im westdeutschen Katholizismus, dass sich an die Phase der unmittelbaren Konzilsbegeisterung eine zweite Phase der enttäuschten Hoffnungen und der Resignation anschloss.44 Vielen schritt die Konzilsrezeption nicht schnell genug voran oder wurde nicht weit genug getrieben. Andere erblickten in der vom Konzil autorisierten Hinwendung der Kirche zur Welt den entscheidenden Fehler, der für die postkonziliaren Krisen verantwortlich gemacht wurde. Im Folgenden soll die Gemengelage dargestellt werden, die nach dem Konzil im Kommissariat Magdeburg herrschte und die zur Gründung einer innerkirchlichen Protestgruppe mit beigetragen hat.

СКАЧАТЬ