Der Aktionskreis Halle. Sebastian Holzbrecher
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СКАЧАТЬ Auch die Motive und Verantwortlichkeiten kirchlicher und staatlicher Stellen wurden bislang kaum thematisiert bzw. ausreichend zu ergründen und zu analysieren gesucht.26 Schließlich bleibt erläuterungsbedüftig, ob der Aktionskreis Halle nur ein Opfer staatlicher Zersetzungspraktiken war oder ob er nicht durch Unterwanderung und Infiltrierung durch das MfS passiv oder aktiv zum Vollzugsgehilfen staatlicher Interessen wurde.27

      3.Aufbau und Methodik

      Die vorliegende kirchengeschichtliche Arbeit gliedert sich entsprechend der historischen und theologischen Forschungsmotive in vier Hauptkapitel, denen sich ein resümierender Ausblick anschließt. Ausgehend von einer genetischen Darstellung der Geschichte, Struktur und des Wirkens des Aktionskreises Halle als postkonziliare Reformgruppe im ersten Teil wird im zweiten Kapitel die Konzilsrezeption durch den AKH konkret nachgezeichnet. Anhand dreier Themen von kirchlicher und gesellschaftlicher Relevanz wird die Konzilsrezeption des Aktionskreises exemplarisch analysiert und mit bischöflichen Rezeptionsbemühungen komparativ diskutiert.

      Aufgrund der spezifisch ostdeutschen Situation einer Kirche im totalitären Staat ist es in einem dritten Hauptteil notwendig, die rein innerkirchliche Betrachtung des Aktionskreises um die staatliche Perspektive zu ergänzen. Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass die Arbeit in zwei Teile - die Geschichte und Konzilsrezeption einerseits und die staatliche Auseinandersetzung andererseits - zerfällt. Um jedoch ein vertieftes Verständnis von dem zu erlangen, was der AKH war, durch sein Tun beabsichtigte und was er für die katholische Kirche in der DDR angestoßen und bedeutet hat, ist die Verschränkung beider Teile unabdingbar. Die Auseinandersetzung der Kirche mit der atheistischen Einparteiendiktatur sozialistischer Prägung ist für die DDR konstitutiv. Nur so kann das tatsächliche Umfeld, in dem sich die Rezeption der konziliaren Reformbemühungen bewähren musste, dargestellt werden. Diese Dimension unterscheidet die Situation des AKH elementar von der bundesdeutscher Priester- und Solidaritätsgruppen. Sie macht deutlich, dass die Verfolgung innerkirchlicher Reformanliegen in der DDR mit Repressionen und zum Teil existentiellen Gefährdungen verbunden sein konnte. Die politische und staatliche Bewertung sowie das daraus resultierende geheimpolizeiliche Vorgehen gegen einzelne Personen und den AKH insgesamt wird detailliert beschrieben, um die Menschenverachtung des SED-Staates herauszustellen und zugleich den Erfolg oder Misserfolg staatlicher Einflussnahme kritisch bilanzieren zu können. Dass eine gezielte staatliche Zersetzungsstrategie gegenüber dem AKH nicht ohne eine partielle Kooperation mit leitenden kirchlichen Stellen stattfinden konnte, wird eigens im vierten Kapitel aufgezeigt und kritisch hinterfragt. Der resümierende Ausblick bündelt die historisch-theologischen Darstellungen und synthetisiert die Ergebnisse in drei Begriffen und Modellen.

      Grundlegend für die historische Arbeit ist das Quellenstudium in Archiven verschiedener Provenienz. Die zu bearbeitenden Quellen werden historisch-kritisch analysiert, eingeordnet und interpretiert sowie mit der Literatur zur zeitgeschichtlichen Katholizismusforschung vernetzt. Methodisch orientiert sich die kirchengeschichtliche Dissertation zunächst an der ereignisgeschichtlichen Darstellung von Vorgängen und Entwicklungen, um dabei nach auslösenden, hemmenden und begleitenden Faktoren zu fragen. Strukturgeschichtlich wird nach den Charakteristika der basiskirchlichen Gemeinschaft in der katholischen Kirche in der DDR gefragt. Theologie- und ideengeschichtlich kommen jene Auffassungen, Einstellungen und Konzepte in den Blick, die Personen und Gruppen wirksam beeinflusst und Handlungen legitimiert und motiviert haben. Als kirchengeschichtliche Arbeit ist die vorliegende Analyse der Hermeneutik theologischer Forschung verpflichtet. Kirchengeschichte wird dabei als theologische Disziplin betrieben, die nicht nur historische Fakten und Entwicklungen festhält, sondern auch zu theologisch relevanten Ergebnissen führt. Ein derartiger Zugang zum AKH legitimiert sich nicht nur a priori durch das fachspezifische Selbstverständnis und die damit verbundene Methodik. Eine theologisch ausgerichtete Heuristik empfiehlt sich auch durch das Forschungsobjekt selbst. Die Konzilsrezeption ist insofern keine bloß von außen an den Hallenser Aktionskreis herangetragene, analytische Matrix. Sie entspringt vielmehr dem Gründungsimpuls und der bleibenden Intention der Gruppe. Der in dieser Studie verfolgte historisch-theologische Ansatz vermag es deshalb, die Entwicklungen gerade nicht losgelöst vom Selbstverständnis des Forschungsobjektes zu deuten und einzuordnen. Ein explizit sozialgeschichtlicher, soziologischer oder politikwissenschaftlicher Zugang zum Thema AKH wird in dieser Untersuchung aufgrund der damit verbundenen Aporien aus Methodologie, Forschungsobjekt und Forschungsfrage nicht verfolgt. Die breite Quellenüberlieferung in den konsultierten Archiven erlaubt nicht zuletzt durch konkrete Überlieferungsvergleiche eine differenzierte Darstellung. Auf qualifizierte Zeitzeugeninterviews wurde nur dort zurückgegriffen, wo die ansonsten umfangreiche Quellenlage widersprüchlich oder inexistent ist oder Zeitzeugen zusätzliche Hintergrundinformationen geben können.28

      4.Quellenlage

      Die kirchengeschichtliche Bearbeitung des Aktionskreises Halle kann sich auf eine breite Quellenbasis stützen. Sowohl in privaten, kirchlichen als auch staatlichen Archiven und in universitären Forschungseinrichtungen finden sich Nachlässe, Korrespondenzen, amtliche Mitteilungen, Rundschreiben, Protokolle, Tonbandaufzeichnungen und Aktenvermerke des Kreises sowie in unterschiedlicher Ausprägung auch von kirchlichen und staatlichen Antagonisten. Diese Überlieferungsdichte wird durch die bereits edierten Quellenbände ergänzt und erlaubt in weiten Teilen eine detaillierte Darstellung und Erörterung.29

      Der primäre Quellenbestand findet sich im Privatarchiv des Aktionskreises Halle, das als Depositum in der Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte in Erfurt lagert.30 Hier befinden sich Kopien der Rundbriefe, Protokolle der Vollversammlungen und Sprecherkreissitzungen, Mitgliederlisten, Empfängerlisten der Rundbriefe, Berichte über Aktivitäten, Vorträge sowie ein großer Teil der Korrespondenz des AKH und seiner Mitglieder. Das Archivmaterial ist durch verschiedene Vorarbeiten teilweise erschlossen und verzeichnet.31 Ergänzt wird dieses Privatarchiv, das den materiellen Ausgangspunkt der Forschungen darstellt, durch den Nachlass von Adolf Brockhoff 32 sowie durch private Aktensammlungen von Dr. Claus Herold33, Helmut Langos34, Joachim Garstecki35 und Dr. Peter Willms.36

      Insgesamt vier Diözesanarchive in Magdeburg, Paderborn, Berlin und Erfurt beinhalten den kirchlichen Quellenbestand jener Bischöfe, Gremien und Institutionen, die sich offiziell und inoffiziell mit dem AKH befassten.37 Dieser Bestand ist im Vergleich zum Privatarchiv des AKH oder den staatlichen Quellen auffallend gering ausgeprägt und konzentriert sich vor allem auf die Jahre 1969/70 sowie 1984/85. Die Situation eines totalitären Staates und die latente Papierknappheit in der DDR haben die Amtskirche nicht selten von einer schriftlichen Fixierung bestimmter Fragen und Positionen Abstand nehmen lassen. Im Bistumsarchiv Magdeburg (BAM) konnten die Aktensammlungen zum Aktionskreis Halle eingesehen werden, die sich neben der Sammlung der AKH-Rundbriefe vor allem auf Briefe im Zusammenhang mit den „Magdeburger Vorgängen 1969/70“ konzentrieren. Die beiden Teilnachlässe von Weihbischof Friedrich Maria Rintelen38 und Bischof Johannes Braun39 sind hinsichtlich der bischöflichen Bewertung des AKH wenig aussagekräftig.40 Deutlicher tritt allein in der vorwiegend handschriftlich überlieferten Korrespondenz zwischen Weihbischof Friedrich Maria Rintelen und dem Paderborner Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger41 die Einschätzung von bestimmten Personen und Entwicklungen zutage. Eine Vielzahl von Akten des Bistumsarchivs beinhaltet personenbezogene Informationen, die aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht zugänglich sind. Hier erlauben die kirchlichen Akten keinen Vergleich zu privat überlieferten Quellen. Im Erzbischöflichen Archiv Paderborn (EAP) befinden sich Akten der kirchlichen Verwaltung sowie der amtlichen Korrespondenz zwischen Magdeburg und Paderborn. Vor allem bis 1970 ist durch die Akten des Magdeburger Kommissars und des Nachlasses von Lorenz Kardinal Jaeger eine detaillierte Rekonstruktion von Entwicklungen und Entscheidungen des Paderborner Erzbischofs möglich. Die vor allem im Nachlass Jaeger enthaltene Korrespondenz erlaubt einen weitreichenden Einblick in das Handeln des Erzbischofs hinsichtlich der Magdeburger Vorgänge. Der regelmäßige Briefverkehr СКАЧАТЬ