Название: Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst
Автор: Dieter Radaj
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429063030
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Die philosophische Theologie des Vonwoher hat nach Weischedel eher Berührungspunkte mit der philosophischen Theologie von Hegel. Übereinstimmend wird festgestellt, dass die erfahrbare äußere und innere Wirklichkeit auf etwas anderes verweist: bei Hegel auf den absoluten Geist bzw. bei Weischedel auf das Vonwoher der Fraglichkeit, das eigentlich Wirkliche in aller faktischen Wirklichkeit. In beiden Fällen ist damit keine Transzendenz gemeint: Der absolute Geist ebenso wie das Vonwoher sind in der faktischen Wirklichkeit anwesend. Beide philosophischen Theologien kennen des Weiteren eine Art von unmittelbarer Berührung mit dem eigentlich Wirklichen: die Erhebung des Geistes vom Endlichen zum Unendlichen bei Hegel; dem ist gegenüberzustellen das Vorgehen des Vonwoher durch alles fragliche Wirkliche hindurch bei Weischedel.
Erheblicher als die Übereinstimmungen sind jedoch die Unterschiede. Hegel setzt bei der allein als geistig verstandenen Wirklichkeit ein; dem ist gegenüberzustellen die Wirklichkeit als Fraglichkeit. Hegel meint, mittels der Erhebung der Vernunft vom Endlichen zum Unendlichen, vom Zeitlichen zum Ewigen gelangen zu können; dem ist gegenüberzustellen das Verbleiben im Endlichen bzw. Zeitlichen. Hegel begreift das ermöglichende Prinzip der rein geistigen Wirklichkeit als absoluten Geist oder Gott; dem ist gegenüberzustellen die Zurückweisung geistiger Phänomene als Eigenschaften Gottes. Hegel leitet die Weltwirklichkeit aus einem obersten Prinzip ab, nämlich aus der dialektischen Struktur des absoluten Geistes; dem ist gegenüberzustellen das Vorgehen des Vonwoher ohne Aussage über die Weise der Ermöglichung des Wirklichen und über dessen Struktur.
Eine enge Beziehung sieht Weischedel dagegen zwischen seiner philosophischen Theologie des Vonwoher und der philosophischen Theologie von Schelling. In dessen Begriff Gott wird innergöttlich zwischen Existenz, Grund der Existenz und Ungrund unterschieden – das entspricht den Momenten des Seins, der Nichtigkeit und des Schwebens im Begriff des Vonwoher der Fraglichkeit. Im Unterschied zu Hegel und in Übereinstimmung mit dem Konzept des Vonwoher wird das oberste Prinzip nicht einseitig als Geist aufgefasst. Aber auch in Schellings philosophischer Theologie sind die Unterschiede zum Vonwoher erheblicher als die Übereinstimmungen: Die Wirklichkeit wird nicht als fraglich gesehen, das Ziel ist eine der Zeit enthobene Sphäre, Existenz als geistige Existenz und Grund der Existenz als Natur in Gott sind positiv bestimmt, und die Struktur der Weltwirklichkeit wird aus einem absoluten Prinzip hergeleitet.
6. Folgerungen hinsichtlich Weltwirklichkeit und Menschenbild
Abschließend werden die Folgerungen hinsichtlich Weltwirklichkeit und Menschenbild mitgeteilt, die sich nach Weischedel aus der philosophischen Theologie des Vonwoher ergeben.
Weltwirklichkeit ist nicht selbstverständliches Bestehen, sondern Fraglichkeit. Sie tritt unter den Aspekt des Vorgehens des Vonwoher. Ermöglichend ist das Vorgehen im Ermöglichten anwesend – also kein Schöpfungsgedanke im christlichen Sinn. Die als fraglich angesehene Weltwirklichkeit verschafft dem Menschen eine absolute Distanz, die es ihm gestattet, aus den welthaften Verstrickungen herauszutreten, einmündend in die wesenhafte Freiheit des Menschen. Neben der Grundhaltung der distanzierten Freiheit ergeben sich im Hinblick auf die drei Momente im Vonwoher (Sein, Nichtsein und Schweben) folgende konkrete Haltungen zur Weltwirklichkeit.
Das erste Moment ist das Sein. Das Sein des welthaft Wirklichen in seiner Fraglichkeit muss als durchscheinend verstanden werden, und zwar so, dass es das Moment des Seins im Vonwoher und in dessen Vorgehen in Erscheinung bringt. Sein im welthaften Sinn ist die Manifestation des Seins des Vonwoher. So gesehen ist die Welt nicht mehr bloßes Aggregat vorhandener Dinge und auch kein bloßer gesetzmäßiger Zusammenhang. Die Welt muss als vom Vonwoher ermöglicht begriffen werden. Das führt zur Demut vor der Tiefe der Welt.
Das zweite Moment ist die Nichtigkeit. Die Nichtigkeit des welthaft Wirklichen, die erst dessen Fraglichkeit ausmacht, muss ebenfalls als durchscheinend verstanden werden, diesmal so, dass sie das Moment der Nichtigkeit im Vonwoher und in dessen Vorgehen in Erscheinung bringt. Nichtigkeit im welthaften Sinn, etwa das Verfallensein an Untergang und Tod, ist die Manifestation der Nichtigkeit des Vonwoher. Damit wird es unmöglich, sich an das Bestehende zu klammern. Das scheinbar Gesicherte ist ungesichert. Der Mensch muss dem Vertrauen auf das Sein der Dinge entsagen. Er muss den Tod ebenso wie das Leben achten.
Das dritte Moment ist das Schweben zwischen dem Sein und der Nichtigkeit. Dieses Schweben des welthaft Wirklichen zwischen Sein und Nichtsein bringt das Moment des Schwebens im Vonwoher und in dessen Vorgehen in Erscheinung. Deshalb lässt sich nicht ein für allemal und in theoretischer Reflexion ausmachen, welches Seiende in seinem Bestehen unterstützt und welches dem Untergang preisgegeben werden soll. Was konkret zu tun ist, lässt sich nur im Augenblick entscheiden.
Innerhalb der Weltwirklichkeit hat der Mensch besondere Aufgaben. Indem das Vonwoher in seinem Vorgehen die Wirklichkeit als fraglich erscheinen lässt, verlangt es, dass der Mensch darauf antwortet. Das geschieht im Fragen, vorzüglich im radikalen Fragen. Das Vonwoher kann als Ruf in die Frage verstanden werden, was überhaupt erst die fragende Existenz ermöglicht. Da fragend die Distanz zur Weltwirklichkeit gewonnen wird, ist der Ruf in die Frage gleichbedeutend mit dem Ruf in die Freiheit. So ist der Mensch das in seine Freiheit gerufene Wesen, aber zugleich in der Verantwortung vor dem Vonwoher.
Den vorstehend beschriebenen Haltungen des Menschen gegenüber der Weltwirklichkeit und gegenüber der eigenen Existenz fügt Weischedel zwei Grundbestimmungen hinzu: die Haltung der Offenheit und die Haltung des Loslassens, von Weischedel »Abschied« genannt.
Die Offenheit ist Voraussetzung für das Fragen. Sie ist unabdingbares Postulat für den, der sich vom Vonwoher bestimmt weiß. Im konkreten Dasein bedingt das die Bereitschaft zum Gespräch und die Respektierung des Gesprächspartners. Offenheit heißt aber auch, sich für die Fraglichkeit aller Wirklichkeit zu öffnen.
Das Loslassen schließt das Wagnis ein, sich auf das Ungewisse einzulassen. Es umfasst den Mut zur Selbstaufgabe und das Bestreben, im ganzen Bereich des konkreten Daseins seine Freiheit zu erringen und zu bewahren. Diese Haltung hat den Charakter des Schwebens zwischen der Selbstverständlichkeit des Seins und den Verlockungen des Nichtseins. Sie kann als Gelassenheit bezeichnet werden. Sie lässt den Menschen sich selbst finden und führt ihn zu seiner wesenhaften Freiheit. Gelassenheit im Tun bedeutet Sachbezogenheit. Abschließend formuliert Weischedel: »Gott, das Vonwoher, ist Geheimnis, und der Mensch hat es abschiedlich als Geheimnis zu wahren«.
7. Zusammenfassung und Wertung von Weischedels philosophischer Theologie
Bevor eine Wertung der philosophischen Theologie Weischedels versucht wird, wird deren Inhalt nochmals zusammengefasst, um den Überblick zu erleichtern.
Am Anfang steht bei Weischedel der freie Grundentschluss zum Philosophieren, Letzteres verstanden als Fragen, Infragestellen und Weiterfragen, weiter verschärft zum radikalen Fragen nach Sein und Sinn. Dieser Grundentschluss geht von der philosophischen Grunderfahrung der Fraglichkeit von Weltwirklichkeit und Menschenexistenz aus: Fraglichkeit als ein Schweben zwischen Sein und Nichtsein sowie zwischen Sinn und Sinnlosigkeit. Diese Grunderfahrung wird als »unmittelbar präsent« bezeichnet. Dem heutigen Stand der Philosophiegeschichte entsprechend, erfolgt das radikale Fragen in Form des »offenen Skeptizismus« (kein Verneinen der Möglichkeit von Wahrheit), des »offenen Atheismus« (kein Verneinen der Möglichkeit eines Gottes) und des »offenen Nihilismus« (kein Verneinen der Möglichkeit von Sein und Sinn).
Der Inhalt der philosophischen Theologie Weischedels stellt sich in kürzestmöglicher Form wie folgt dar: Die Fraglichkeit der Welt- und Menschenwirklichkeit tritt in Erscheinung als ein Schweben zwischen Sein und Nichtsein sowie zwischen Sinn und Sinnlosigkeit. Das Vonwoher ist das Letzte, wohin das philosophische Fragen in seinem Rückgang hinter die Grunderfahrung der radikalen Fraglichkeit gelangen kann. Das Wesen des Vonwoher ist Geheimnis, aber auch mächtiges Vorgehen, das den ständigen Prozess des Schwebens zwischen Sein und Nichtigkeit in der Wirklichkeit unterhält.
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