Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst. Dieter Radaj
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Название: Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst

Автор: Dieter Radaj

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783429063030

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СКАЧАТЬ eine von Gott offenbarte Wahrheit vertritt, während die antike Philosophie bescheidener zur Erhellung des Seins und zur Praxis des Lebensvollzugs beitragen will. Gleichzeitig waren gnostische Strömungen abzuwehren, die Erlösung durch mystische Selbst- und Gotteserkenntnis anstrebten.

      Tatsächlich gelingt es dem Kirchenvater Augustinus, die paulinischen Glaubenssätze mit neuplatonischer Philosophie zu einer neuartigen Einheit zu verbinden. Er erkennt und nutzt die Möglichkeiten einer philosophisch begründeten Schriftexegese. Aber die Philosophie allein kann nach Augustinus die Wahrheit nicht finden, sondern nur der durch die Schrift und die Kirche verbürgte Glaube.

      Die Philosophie des Mittelalters, die Scholastik, ist überwiegend philosophische Theologie. Sie entfaltet sich auf der Grundlage christlich anerkannter Schriften (Paulus, Kirchenväter, Aristoteles) und deren begrifflich-denkerischer Auslegung nach der Vernunft. Albertus Magnus und Thomas von Aquin begründen den Aristotelismus der Scholastik. Die natürliche Vernunft wird dem übernatürlichen Offenbarungsglauben unterstellt, wobei über den Grad der Unterstellung unterschiedliche Auffassungen bestehen. Überwiegend wird die gemäßigte Ansicht vertreten, dass die philosophische Theologie als denkerische Durchdringung der Glaubensinhalte zu betreiben sei. Ein weiteres bevorzugtes Betätigungsfeld sind die Gottesbeweise. Zunehmend wird die Macht der Vernunft gegenüber dem Glauben wahrgenommen, was sich in den zeitgleichen Anfängen der Naturwissenschaft ausdrückt. Eine weitere bedeutsame Strömung der philosophischen Theologie des Mittelalters ist die Mystik, in der sich die Erkenntnisweisen des Verstandes und des Herzens verbinden. Am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit steht schließlich der bedeutende philosophische Theologe Nikolaus von Kues, der im »gelehrten Nichtwissen« die seinerzeitigen Glaubensund Vernunftwahrheiten zur Deckung bringt.

      Die philosophische Theologie der frühen Neuzeit wird von den großen rationalen Systemen von Descartes, Spinoza und Leibniz beherrscht. Vorausgegangen sind die theologisch relevanten reformatorischen Erneuerungsbewegungen und die dadurch ausgelöste Gegenreformation. Die angesprochenen rationalen Systeme führen die scholastische Denktradition fort, sind aber auch schon von der mechanistisch-mathematischen Denkweise der aufstrebenden Naturwissenschaft geprägt.

      Die Aufgabe der philosophischen Theologie sieht Descartes darin, das Dasein und die Wahrhaftigkeit Gottes rational nachzuweisen, auch wenn der Glaube als primäre Quelle der Gotteserkenntnis gilt. Grundlegend ist ihm der Begriff der Substanz. Gott ist unendliche Substanz, ungeschaffenes Sein. Geist ist endliche denkende Substanz (res cogitans). Materie ist endliche ausgedehnte Substanz (res extensa). Das Weltbild ist konsequent mechanistisch.

      Die philosophische Theologie steht bei Spinoza im Zentrum des Denkens. Jegliche Offenbarungstheologie ist ausgegrenzt, obwohl Spinoza jüdischer Herkunft ist. Der rationalen Philosophie wird alle Wahrheitserkenntnis zugeordnet. Es gibt nur eine Substanz, nämlich Gott, während denkende und ausgedehnte Substanz Attribute Gottes sind. Gott ist aller Wirklichkeit, allem Geist und allen Dingen immanent (Pantheismus). Alles Geschehen ist streng determiniert, es gibt keine Willensfreiheit.

      Auch bei Leibniz ist die philosophische Theologie ein wesentliches Element seines rationalen Weltentwurfs. Offenbarungsglauben und Vernunfterkenntnis sind verträglich, weil beides Gaben Gottes sind. Gott ist ursprüngliche unendliche Substanz, aus der sich die endliche Substanz in Form metaphysischer, seelenartiger Punkte, genannt »Monaden«, ableitet. Gott wird begriffen als Macht (zum Sein), als Verstand (zum Wahren) und als Wille (zum Guten). Damit stellt sich das Problem der Rechtfertigung Gottes angesichts der Übel und des Bösen in der Welt, die Theodizee. Leibniz befindet, Gott habe die beste aller möglichen Welten geschaffen, in der das Böse zur Beförderung des Guten dient.

      Zur Zeit der großen rationalen Systeme auf dem europäischen Kontinent etabliert sich als erkenntnistheoretische Gegenposition in England der Empirismus, der allein in der Erfahrung die Quelle jeglichen Wissens sieht. Der bedeutendste Vertreter des Empirismus ist David Hume. Die Ideen, darunter die Gottesidee, entstehen nach seiner Auffassung im Verstand, ohne dass das Bezeichnete tatsächlich existiert.

      In der französischen Aufklärung wird dieser Gedanke zum Materialismus und Atheismus radikalisiert. Die Gottesvorstellung gilt als unvereinbar mit der Vernunft, als Wahnvorstellung und Trugbild. Rousseau überwindet den einseitigen Vernunftbezug der französischen Aufklärung, indem er die »natürliche Religion« im Gefühl verankert. In der deutschen Aufklärung ruft Lessing zu religiöser Toleranz auf. Die großen monotheistischen Religionen seien Ausdruck einer eingeborenen »Vernunftreligion«.

      Als Vollender der Aufklärung gilt Immanuel Kant. Die philosophische Theologie verdankt Kant eine neuartige vernunftkonforme Begründung. Eine kritische Untersuchung der herkömmlichen Gottesbeweise zeigt, dass die Vernunft das Dasein Gottes nicht nachweisen kann. Der Gottesbegriff wird dennoch als »regulatives Prinzip der theoretischen Vernunft« beibehalten. Die Frage nach Gott als dem Unbedingten wird dagegen auf Basis der praktischen Vernunft beantwortet. Für den handelnden Menschen gibt es ein unbedingtes moralisches Gesetz, einen »kategorischen Imperativ«. Dem Anspruch des moralischen Gesetzes steht die Willensfreiheit des Menschen gegenüber. Gott wird als der Urheber des Moralgesetzes postuliert.

      Im Deutschen Idealismus, der im Anschluss an Kant in Deutschland vorherrschenden philosophischen Strömung, erfährt die philosophische Theologie einen letzten Aufschwung. Nach Fichte ist die Außenwelt ein Erzeugnis des Ich (subjektiver Idealismus). Nach Schelling sind Außen- und Innenwelt polare Aspekte desselben geistgezeugten Ganzen (objektiver Idealismus, Identitätsphilosophie). Nach Hegel entfaltet sich der Weltgeist dialektisch zur Weltwirklichkeit (absoluter Idealismus). Alle drei genannten Philosophen haben eigenständige philosophische Theologien entwickelt.

      Im subjektiven Idealismus von Fichte, begründet durch einen dialektischen Dreischritt zum Ich, existiert Gott als Ich-bezogenes inneres Sein, verstanden als geistige Wirklichkeit, als Wissen. Der Begriff wird zum Weltschöpfer. Das absolute Wissen Gottes realisiert sich im relativen Wissen des Menschen, der im Vollzug der Liebe seine Ichhaftigkeit abstreifen und das Absolute intuitiv erfassen kann. Das Absolute manifestiert sich in der Einheit von Freiheit des Menschen und Sein Gottes.

      Im objektiven Idealismus von Schelling, begründet durch einen dialektischen Dreischritt zum Geist, ist der Geist das vom Ich unabhängig Seiende. Der Schritt vom Objekt zum Subjekt folgt der Stufung der Natur von der toten Materie zum vernunftbegabten Menschen, während der Schritt vom Subjekt zum Objekt der Stufung des Selbstbewusstseins von der Sinnesempfindung zur intellektuellen Anschauung entspricht. Schließlich wird die wesensmäßige Identität von Natur und Geist, Außenund Innenwelt, Objekt und Subjekt vertreten.

      Im absoluten Idealismus von Hegel wird das Denken des Menschen, soweit es die Wahrheit und das Sein betrifft, zum Denken des Weltgeistes erklärt, der die Dinge erschafft, indem er sie denkt. Im Weltgeist fallen Denken, Wahrheit und Sein zusammen. Das Absolute wird zu dem, was es ist, nämlich Identität des Gegensätzlichen, durch die Bewegung der Begriffe. Dieses Werden bzw. Bewegen erfolgt als dialektischer Prozess im Dreischritt von Thesis, Antithesis und Synthesis. Er ermöglicht »die Erkenntnis des Entgegengesetzten in seiner Einheit«.

      Die zentrale Aussage der philosophischen Theologie Hegels lautet: Gott ist absoluter Geist. Das Geistige allein ist das Wirkliche, die Dinge sind nur Schein. Das Wesen des Geistes ist Tätigkeit. Der Geist erschafft sich selbst im dialektischen Prozess. Weischedel1 (ibid. S. 379) hat das in folgender Weise zur Anschauung gebracht: »Der absolute Geist – Gott – ist zunächst, in seinem Ansichsein, der reine Begriff. Er entäußert sich sodann selbst und wird zur Natur und zum leiblich-seelischen Dasein des Menschen. Im weiteren Gange wendet er sich – im menschlichen Geiste und in dessen Geschichte – auf sich selber zurück und wird so für sich selbst. Schließlich versöhnt er sich – im Durchgang durch Kunst, Religion und Philosophie – mit sich selber und wird nun wirklicher absoluter Geist«.