Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst. Dieter Radaj
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Название: Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst

Автор: Dieter Radaj

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783429063030

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СКАЧАТЬ das philosophische Fragen in seinem Rückgang hinter die Grunderfahrung der radikalen Fraglichkeit gelangen kann. Das ist insofern spekulativ, als es nicht mehr unmittelbarer Gegenstand der Erfahrung ist, auch wenn es an die Erfahrung anknüpft. »Spekulativ« ist somit im ursprünglichen Wortsinn als »schauend« zu interpretieren.

      Das Vonwoher der Fraglichkeit ist der einzige noch verwendbare Begriff, wenn im Rahmen eines offenen Nihilismus von Gott gesprochen werden soll. Die traditionellen Bestimmungen von Gott sind gemäß dem Grundsatz der radikalen Fraglichkeit nicht durchhaltbar, etwa »höchstes Seiendes«, »absoluter Geist« oder »absolute Person«. Weischedels philosophische Theologie wird daher zu einer Theologie des Vonwoher.

      Die von Weischedel umsichtig ausgearbeitete philosophische Theologie wird am Wesen des Vonwoher erläutert. Dieses erschließt sich über die nachfolgend zusammengefassten unterschiedlichen Bestimmungen.

      Die Aufgabe, das Vonwoher seinem Wesen nach auszulegen, soll über die Sprache gelöst werden. Sprache ist aber (nach Weischedel) von der Erfahrung her gebildet. Wie ist dann ausdrückbar, was nicht der unmittelbaren Erfahrungsebene angehört? Andererseits würde Schweigen dem auch nicht gerecht, denn was als Problem entgegentritt, will durchdacht sein, und Denken erfolgt mittels Sprache. Sprache knüpft an das Bekannte an, um auch das Unbekannte verständlich zu machen. Da die gemeinte Sache, das Wesen des Vonwoher, den Zustand des Schwebens beinhaltet, muss die Sprache diesem Aspekt gerecht werden. Um den Geschehens- und Beziehungscharakter in den Vordergrund zu stellen, will Weischedel den Verben den Vorzug vor den Substantiven geben.

      Aber das ist noch unzureichend für das Reden vom Vonwoher als Gott. Dieses Reden bedarf zusätzlich der Analogie: Reden von etwas im Hinblick auf ein anderes (Gott). Trotz der bemühten Ähnlichkeit wird der qualitative Unterschied der Seinsebenen nicht aufgehoben. Wenn analoges Reden der Erhebung vom Endlichen zum Unendlichen, vom Zeitlichen zum Ewigen dient, dann entsteht daraus eine »überschwängliche« Theologie. Wird dagegen das Endliche negiert, um zum Unendlichen zu gelangen, dann ist dies die Grundlage der negativen Theologie. Beide Sprechweisen sind im vorliegenden Fall nur mit Einschränkungen anwendbar. Am deutlichsten wird sich das Schweben im Begriff des Vonwoher durch dialektisch-analoges Reden ausdrücken lassen. Erst in Verbindung von Begriff und Gegenbegriff, Aussage und Gegenaussage erscheint im vorliegenden Fall die Wahrheit.

      Ein erster analog gebrauchter Begriff, der sich für die Aufklärung des Vonwoher eignet, ist der des Geheimnisses, denn er beinhaltet in besonderer Weise das Schweben: das nicht von vornherein Begreifbare, die mit dem Verstand nicht ergründbare Tiefe, die gleichzeitig beunruhigende und faszinierende Wirkung, die Mischung von Offenheit und Verborgenheit mit verschiebbarer Grenze, das wesensmäßig nie völlig Enträtselbare.

      Der philosophischen Theologie des Vonwoher obliegt es, dem Geheimnis des Vonwoher nachzuspüren. Die fragliche Wirklichkeit weist auf das Geheimnis zurück. Damit ist aber das Wesen des Vonwoher nicht ausreichend bestimmt. Weitere Analogien sind erforderlich, um zu einem genaueren Begriff des Vonwoher zu gelangen.

      Eine erste positive Bestimmung des Vonwoher erfolgt über den Begriff des Vorgehens (analog ausgedrückt). Das Vonwoher tritt in seine Präsenz über die Erfahrung der fraglichen Wirklichkeit. Das Vonwoher bringt die Wirklichkeit in ihre Fraglichkeit. Dazu muss es die entsprechende Mächtigkeit (analog ausgedrückt) besitzen. Das mächtige Vorgehen liefert die Wirklichkeit dem Nichtsein aus und hält sie doch wieder im Sein. So wird das Sein über dem Abgrund des Nichtseins gehalten, und das macht den Schwebezustand der Wirklichkeit aus. Die Mächtigkeit des Vorgehens bedeutet jedoch kein mächtiges Seiendes, keinen mächtigen Geist und schon gar keine mächtige Person. Die Annahme eines allmächtigen Gottes würde der radikalen Fraglichkeit widersprechen.

      Der Begriff des mächtigen Vorgehens des Vonwoher ist noch zu formal. Es muss genauer bestimmt werden, in welcher Weise sich dieses Vorgehen vollzieht. Nach Weischedel vollzieht es sich als Erschüttern, als Im-Sein-Halten und als Erwirken des Schwebens (analog ausgedrückt). Das Vonwoher erschüttert in seinem Vorgehen das Bestehende, es liefert das Seiende (einschließlich der menschlichen Existenz) dem möglichen Nichtsein aus. Das fragliche Seiende hält sich dennoch im ständig gefährdeten Sein, das Sein im fraglichen Seienden kommt erst durch die Präsenz des Vonwoher zustande (jedoch nicht als schaffendes Prinzip). Schließlich gilt es, die abstrakte Trennung des vom Vonwoher Erwirkten in Sein und Nichtsein aufzuheben. Was eigentlich erwirkt wird, ist das Schweben zwischen den beiden Extremen; eben das macht die Wirklichkeit aus.

      Es stellt sich die Frage, ob nicht nur das Vorgehen des Vonwoher, sondern auch dieses selber durch analoge Bestimmung gekennzeichnet werden kann – über die Momente des Geheimnisses und der Mächtigkeit hinaus. Welche Strukturen sind dem Vonwoher zuzusprechen, damit es gerade so, wie beschrieben, vorgehen kann und nicht anders? Zum Vonwoher gehört das Sein schlechthin, durch das es über das Sein aller Weltwirklichkeit mächtig ist. Ebenso gehört die »Nichtigkeit« dazu, durch die es als Abgrund für die Weltwirklichkeit wirkt. Schließlich hält das Vonwoher das Sein und die Nichtigkeit in der Schwebe – in einem Prozess ständigen Auseinandertretens und Wiedervereinens. Das Vonwoher ist daher das Unfragliche über aller Fraglichkeit.

      So und nur so kann nach Meinung von Weischedel heute vom Gott der Philosophen gesprochen werden. Es ist dies kein unmittelbarer Gott, aber auch kein erdachter Gott. Es ist dies das Vonwoher, dessen Begriff aus der Betrachtung der Weltwirklichkeit entspringt, wenn diese als zugleich seiend, nichtseiend und schwebend angesehen wird. Der Gott der Philosophen – das Vonwoher – ist somit das absolute Schweben. Dieser Gott ist vermutlich umfassender, als was der menschliche Geist von ihm begreifen kann. So tritt am Ende an die Stelle des Redens das Schweigen.

      Zum vorstehend Ausgeführten ist noch eine Ergänzung notwendig. Bisher ist das Vonwoher ausschließlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet worden, dass es in seinem Vorgehen Sein, Nichtsein und Schweben des Seienden ermöglicht. Jetzt muss auch noch das Vonwoher unter dem Gesichtspunkt von Sinn und Sinnlosigkeit betrachtet werden. Was Sein ermöglicht, ermöglicht auch Sinn, denn eben wenn Sein vom Vonwoher ermöglicht wird, wird ihm im Blick auf dieses Sinn verliehen. Das Vonwoher ist aber nicht nur als unbedingte Sinnermöglichung, sondern ebenso als unbedingte Sinnabgründigkeit zu verstehen. Also kann die Weltwirklichkeit – einschließlich des menschlichen Daseins – weder als eindeutig sinnhaft noch als eindeutig sinnlos wahrgenommen werden.

      Abschließend stellt Weischedel die Frage nach der Zeitlichkeit bzw. Ewigkeit des Vonwoher. Da das Vonwoher selber ein Vorgehen ist, muss es aus menschlicher Sicht zeitlich gedacht werden. Möglicherweise muss aber gerade diese Aussage analogen Denkens zurückgelassen werden, zumal ein zeitliches, also begrenztes Absolutes schwer vorstellbar ist. Andererseits ist das angesprochene Schweben nur als zeitlicher Prozess vorstellbar, zumindest in der Weltwirklichkeit. So muss die Frage nach der Zeitlichkeit oder Ewigkeit des Vonwoher offen bleiben.

      Der christliche Gottesbegriff unterscheidet sich von Weischedels Vonwoher. Der Transzendenz Gottes steht die Immanenz des Vonwoher gegenüber, bedingt durch dessen Bezug auf die Fraglichkeit der Weltwirklichkeit. Eine verborgene innerweltlich-göttliche Region wird zwar nicht ausgeschlossen, es wird aber keine Möglichkeit gesehen, darüber eine begründete Aussage zu machen. Unvereinbar mit der philosophischen Theologie des Vonwoher ist auch die Aussage der christlichen Theologie, Gott sei wesensmäßig Person und Geist. Schließlich ist die Offenbarung Gottes in Menschwerdung, Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi im Rahmen der philosophischen Theologie des Vonwoher nicht nachvollziehbar.

      Die aufgezeigten Gegensätze im Gottesbegriff sind in den ganz unterschiedlichen, zum Ausgangspunkt gewählten Grunderfahrungen begründet – in der christlichen Religion das persönliche Angesprochensein des Menschen durch den als Person erfahrenen Gott, in der philosophischen Theologie des Vonwoher die denkerisch festgestellte Fraglichkeit der Weltwirklichkeit. Die philosophische Theologie СКАЧАТЬ