Название: Toter Dekan - guter Dekan
Автор: Georg Langenhorst
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783429062842
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„Frau Mechtersheim und Herr Brandtstätter sind Professoren an der Theologischen Fakultät“, klärte er sie auf. „Und ich dachte, wir könnten hier vielleicht einiges ganz ungezwungen bereden, oder?“, wandte er sich an die beiden. „Von mir aus gern“, meinte der massige Mann. „Hauptsache, ich bekomme bald etwas zu essen. Ich habe heute wirklich nicht eine Minute Zeit gehabt, etwas zu mir zu nehmen. Du auch, Klara?“ ‚Aha, also doch eine Duz-Beziehung!‘, dachte Beate Kellert.
„Ja, ich nehme die Dorade auf Rucola und wie immer einen gemischten Salat“, entgegnete die Frau, die sich nach wie vor nicht sonderlich wohl zu fühlen schien. Brandtstätter bestellte für sie beide – für sich eine Pizza Hawaii, extragroß.
‚Nicht unbedingt das, was man abends bei einem Edelitaliener bestellt‘, dachte Beate Kellert, die das leichte Stirnrunzeln des Kellners sehr wohl bemerkt hatte. Ihr Blick streifte kurz die Augen von Frau Mechtersheim, die ihr Verständnis heischend zublinzelte, als wollte sie sagen: ‚So ist er nun einmal!‘
Brandtstätter schien das alles wenig zu stören. Er hatte die Speisekarte beiseitegelegt und wandte sich nun wieder dem Kommissar zu: „Was wollen Sie denn noch wissen, Herr Kommissar? Wir haben doch schon alles Wichtige zu Protokoll gegeben, oder?“ Bevor Kellert antworten konnte, mischte sich seine Frau ins Gespräch. „Entschuldigung, darf ich mal was ganz Einfaches fragen? Also, ähm, wie sag ich das denn jetzt? Sind Sie beide wirklich Theologieprofessoren? Ich habe mir die irgendwie anders vorgestellt, also in Schwarz und mit Brille oder so. Und Sie als Frau?“
Hier wandte sie sich an Klara Mechtersheim. „Ich wusste gar nicht, dass es weibliche Theologieprofessoren gibt. Geht das denn? Ich dachte, das sind alles Priester!“ Brandtstätter lachte, sein mächtiger Körper bebte und sein Bass dröhnte durchs Lokal. „Soso, das verbinden Sie also mit einem Theologieprofessor“, sagte er dann, als er sich wieder beruhigt hatte und sich auch die verwunderten Gäste von den Nachbartischen wieder ihren eigenen Angelegenheiten zuwandten. „Ja, solche Typen haben wir auch im Kollegium, stimmt schon. Aber nicht nur. Und …“, nun fixierte er Beate Kellert, „… denken Sie, ich wäre ein Priester?“
„Oh.“ So unerwartet direkt befragt, geriet Beate Kellert ins Stottern. Hilfesuchend blickte sie zu ihrem Mann, aber der schaute ausdruckslos an ihr vorbei. ‚Wenn du dich schon einmischst, dann musst du auch die Konsequenzen tragen‘, schien dies auszusagen. „Nein“, sagte sie dann, „sind Sie nicht. Oder doch?“, fragte sie nach.
Wieder fuhr ein Lachreiz durch den mächtigen Körper, aber dieses Mal unterdrückte Brandtstätter ihn. „Falsch getippt, Gnädigste“, sagte er in bewusst übertrieben breiter österreichischer Höflichkeit. „Wissen Sie, ich bin Ordenspriester. Aber wir leben nicht im Kloster, sondern haben uns auf soziale Arbeit spezialisiert. Wir leben bei denen, die uns brauchen. Und glauben Sie, das geht: Bei den Arbeitslosen herumlaufen mit Anzug und Krawatte? In die Asylunterkünfte gehen in edlem und teurem Zwirn? Vierzehn Jahre habe ich bei denen gelebt, bei den Ärmsten der Armen, die man nicht sieht und nicht sehen will. Und als ich dann hier Professor für Pastoraltheologie wurde, habe ich mir geschworen, diesen Menschen treu zu bleiben. Ich muss denen noch in die Augen sehen können, verstehen Sie? Und das ist schwer genug, wenn Sie ein gesichertes und regelmäßiges Professorengehalt beziehen. Wenn Sie ständig mit den feinen Damen und Herren des Bildungsbürgertums und der Kulturschickeria zu tun haben.“
„Elmar versucht sein Leben ganz konsequent an Jesus auszurichten“, fiel unvermittelt seine Kollegin ein. „Aber das ist gar nicht so leicht. Wie lebt man das heute in unserer Gesellschaft, eine Nachfolge Jesu? Jedenfalls habe ich davor großen Respekt. Ich selbst könnte das so nie.“
„Ja und Sie, was machen Sie denn als Frau in der Theologie?“, fragte Beate Kellert nach, bevor Elmar Maria Brandtstätter zu einer weiteren Rede anheben konnte, was er offenbar sehr gern zu tun pflegte. Klara Mechtersheim überlegte, was sie antworten sollte. Bernd Kellert, nun doch interessiert an dem von seiner Frau eingeschlagenen Gesprächspfad, setzte nach: „Ja, und dann noch als einzige Frau im Kollegium. Das ist doch bestimmt nicht einfach, oder?“
„Nun zunächst mal gibt es ja bei uns im Mittelbau durchaus noch einige weitere Frauen“, begann die Religionspädagogin, „aber im Professorium bin ich die einzige, das stimmt. Deswegen bin ich ja auch so froh, dass Elmar, also Professor Brandtstätter, mich immer wieder unterstützt. Aber Sie haben schon ganz Recht“, hier wandte sie sich an Beate Kellert. „Bei uns in der Katholischen Theologie gibt es noch nicht lange Professorinnen. Qualifizierte Bewerberinnen gibt es natürlich genug, aber …“
„Aber was?“, fragte ihre Gesprächspartnerin nach. „Nun“, mischte sich Brandtstätter ein: „Das ist so: Manche Bischöfe wollen nicht, dass ihre zukünftigen Priester von Frauen ausgebildet werden. Deren Theologie passt ihnen nicht und überhaupt: Dass man sich von Frauen etwas sagen lassen soll, dass Frauen diese Kompetenzen mitbringen, das passt bei manchen einfach nicht in das Weltbild. Und diese Auffassung teilen leider auch einige meiner Herren Kollegen. Die wollen auch lieber unter sich bleiben. Da haben Frauen in Berufungsausschüssen von vornherein keine Chance.“ „Hatte auch Dekan Gerstmaier diese Einstellung?“, wollte Kommissar Kellert wissen. „Na, der an erster Stelle“, knurrte Professor Brandtstätter zurück.
„Aber Sie sind ja doch Professorin geworden. Wie kam denn das?“, fragte Beate Kellert verwundert nach.
„Ach, der Elmar malt das ein bisschen zu schwarz-weiß. Es gibt durchaus Bischöfe, die uns Frauen in der Theologie fördern. Und das gilt auch für die meisten meiner Kollegen. Doch, Elmar!“, beharrte sie, als sie sah, dass ihr Gegenüber protestieren wollte. „Inzwischen gibt es in Deutschland schon einige Theologieprofessorinnen. Klar, es könnten mehr sein, aber lass uns mal ein paar Jahre abwarten. Das wird schon noch ganz normal werden. Also es ist so. Sie wandte sich wieder an die Kellerts. „Die weit überwiegende Mehrheit der Theologiestudenten will gar nicht Priester werden. Nein, fast alle studieren Theologie, weil sie Religionslehrerin oder Religionslehrer werden wollen, wenige andere Journalisten, Pastoralreferenten oder was weiß ich. Und von denen sind drei Viertel weiblich. Mindestens! Und es wäre doch absurd, wenn eine überwiegend weibliche Studierendenschaft von ausschließlich männlichen Lehrenden ausgebildet wird, oder?“
„Na ja“, fuhr sie fort, nachdem sie einen Schluck Mineralwasser getrunken hatte, „und deshalb gibt es inzwischen fast überall mindestens eine Professorin.“ – „Alibiprofessorin“, rief Brandtstätter dazwischen – „Das muss man nicht so sehen, Elmar! Gut, ich bin jedenfalls Religionspädagogin, das ist ein Fach, das die ‚hohen Herren‘ eh nicht so ernst nehmen. In den theologischen Kernwissenschaften, also Dogmatik und Moraltheologie, da ist es für uns Frauen noch viel schwerer. Aber mir gefällt dieser Freiraum. Ich kann forschen und sagen, was ich will, das ist ein echter Vorteil. Außerdem habe ich die bei weitem größten Studierendenzahlen in meinen Veranstaltungen. An mir kommt keiner vorbei, der irgendetwas mit Theologie zu tun hat. Das sehe ich als große Chance.“
„Und wie wird man Professorin?“, hakte Beate Kellert nach, die nun wirklich neugierig geworden war. „Ach so, ja! Bei mir war das so: Ich habe Theologie und Mathematik studiert.“ „Tatsächlich?!“, entfuhr es dem Kommissar, bei dem das Wort Mathematik wohl unangenehme Erinnerungen an quälende Schulstunden hervorrief. „Ja, das hört sich zunächst komisch an, nicht wahr?“, gestand die Professorin, um dann jedoch unbeirrt weiterzusprechen. „Aber Sie glauben gar nicht, was die beiden Fächer alles gemeinsam haben.
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