Название: Wer ist dein Gott?
Автор: Vitus Seibel
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Ignatianische Impulse
isbn: 9783429064013
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All dies – die Nöte und Zweifel, »der Gott für die anderen« und das Lob der Schöpfung – gehören in meinem Herzen zu »meinem Gott für die anderen und für mich«.
Jörg Dantscher SJ, Nürnberg, geb. 1941
Du, mein Gott
Du Gott meiner Kindheit
Am frühen Morgen durch die wogenden Weizenfelder zur Schule. Der blaue Himmel und die leuchtende Sonne lassen mir das Herz aufgehen. Schweigen geht gar nicht. Also singe ich dir mit lauter Kinderstimme – es hört mich ja keiner! –, was ich zuhause gelernt habe: »Der Tag ist aufgegangen, Herr, Gott, dich lob ich allezeit. Dir sei er angefangen, zu deinem Lob bin ich bereit …« Oh, wie ich dieses Gotteslob in der Natur geliebt habe – und immer noch liebe. Dir, dem »Herrgott« – so hießest du bei uns –, bin ich zunächst in der Schöpfung begegnet. Und dort habe ich dich immer wieder neu gesucht – und oft leicht und jubelnd gefunden. Dort hast du mich später »hinausgeführt in die Weite«, wann immer es mir eng war, mir alles oder alle auf die Nerven gingen.
Du Gott meiner Jugendjahre
So vollmundig ich dich als Kind gepriesen hatte, mit dem Stimmbruch wurde ich unsicherer, verschlossener und schweigsamer. Das Auf und Ab der Gefühle, das erstmalige Erspüren von Freiheit und Verantwortung für gute und, ja: schlechte Taten – wohin sollte ich mich wenden mit all dem? »Jugend vor Gott«, dieses Buch eines Jesuiten, das mit seinen Gebeten, Gedichten und Bildern eine ganze Generation katholischer Jugendlicher geprägt hat, hat auch mich begleitet. Es hat mir geholfen, dich als einen aufmerksamen, verständnis- und liebevollen Gesprächspartner an meiner Seite zu entdecken. Du hast meinen Blick auf dich und dein Wirken geweitet, aber mir auch die Tiefe meines Inneren und meine Aufgabe in der Welt erschlossen.
Du Gott meiner Lebensmitte
Im Heiligen Land, in der Wüste Sinai, begegnete ich dir auf neue Weise. Dort sprachst du zu mir mit einer »Stimme verschwebenden Schweigens« (Martin Buber), die mich betört und begeistert, ohne die ich mich kaum auf den Weg der Nachfolge deines Sohnes begeben hätte.
Mit dem Alter steigen die Verantwortung und das Risiko, mich, der ich scheinbar unersetzlich bin, im Aktivismus zu verlieren. Da begegnest du mir im Strudel der Wasser als der, um den allein sich alles dreht. Da erblicke ich dich, wo ich zu versinken drohe, am Ufer als der rettende Hafen. Dass ich deine Gegenwart, aus welchem Grunde auch immer, heute weniger spüre als früher, ist wahr. Aber dann bricht es plötzlich aus mir beschwörend heraus: »Du in mir und ich in dir.« Manchmal sind es genau diese Worte, die »den Schalter umlegen« und mein Leben plötzlich und unerwartet in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Du Gott meines Alters
Du, Jesus, sollst der Gott meines Alterns sein. Fast täglich denke ich ans Sterben, stets auf der Suche nach einer end-gültigen Perspektive für mein Leben. Mich begleitet seit über 20 Jahren das Gebet eines jung verstorbenen spanischen Jesuiten namens Isidro, der im klaren Bewusstsein seines nahen Endes dich, seinen Freund und compañero Jesus, bat:
»Wenn dein Weg an meinen Füßen vorbeigeht, sag mir, wohin wir gehen.
Gib, dass ich mich in deine Hände fallen lassen kann, in deine Augen schauend,
um zu erkennen, dass der Vater ein so mitfühlendes Herz hat wie das deine.
Und wenn du überraschend kommst,
gib mir Zeit, deine Hände zu erkennen,
deinen Weg und deine Augen,
auf dass die Unruhe mich nicht verwirren möge.«
Stefan Dartmann SJ, Rom, geb. 1960
GOTT – abwesend und gegenwärtig
Wenn von Gott die Rede ist, dann befällt mich manchmal großes Unbehagen. Werden wir in unseren Glaubensgesprächen und Bibelrunden, in unserer Theologie, in unserer kirchlichen Praxis und Verkündigung dem Geheimnis Gottes auch nur annähernd gerecht? Können wir ihm jemals gerecht werden? Vor Gott muss man eigentlich verstummen, kein Begriff und kein Bild können ihn einfangen. Andererseits denke ich mir, dass gerade heute, in der Zeit einer abgründigen »Gotteskrise«, neu von Gott gesprochen werden muss: klar, eindeutig und überzeugend.
Für mich ist die Unterscheidung Martin Luthers zwischen dem verborgenen und dem offenbaren Gott sehr wichtig geworden. Wenn ich in die Welt blicke, dann sehe ich nichts von Gott, weil Gott kein Teil dieser Welt ist. Gott ist vollkommener als alles, was ich denken oder erfahren kann. Ich stutze immer ein wenig, wenn von den unterschiedlichsten Gotteserfahrungen berichtet wird oder wenn man sich auf den Willen Gottes beruft. Kann man einen Gott, der »in unzugänglichem Licht wohnt« (1 Tim 6,16), so ohne weiteres erfahren? Was ich erfahre, ist eine Welt, die wunderschöne und auch ganz schreckliche Seiten hat; eine Welt, die eigentlich absurd ist, jedenfalls aber ambivalent, und gerade in ihrer Ambivalenz auf ein unbegreifliches Geheimnis verweist, das mir jedoch völlig unzugänglich bleibt. Ich denke mir, dass nichts ohne Gott sein kann, dass alles von ihm abhängig ist. Aber dieser Gedanke ist für sich genommen in keiner Weise tröstlich, weil er mich nur dem verborgenen Gott ausgeliefert sein lässt. Für mich heißt das, unter dem »Zorn Gottes« zu stehen. Und das ist keine harmlose Angelegenheit.
Erst vor diesem dunklen Hintergrund gewinnt die Botschaft Jesu ihre wahre Bedeutung: Jesus Christus, und er allein, offenbart die Gegenwart des verborgenen Gottes. Durch Jesus habe ich Zugang zu Gott und kann zu ihm beten, also auf sein Wort antworten. Im Evangelium wird mir zugesagt, dass das Geheimnis der Wirklichkeit mich mit unendlicher Barmherzigkeit umfängt, und nicht nur mich, sondern die ganze Welt. Jesus, der Sohn, offenbart den Vater und nimmt die Menschen hinein in seine Beziehung zum Vater; eine Beziehung, die von Ewigkeit her besteht und nur im Glauben erkannt werden kann, eine Beziehung, die selber Gott ist, der Heilige Geist. Nur in einem trinitarischen Verständnis ist Gemeinschaft mit Gott sinnvoll aussagbar. Gott lässt uns geborgen sein in einer Gemeinschaft mit ihm, gegen die nichts in der Welt ankommt, nicht einmal der Tod. Darauf will ich mein Vertrauen setzen. Und dieses Vertrauen kann ich mit Vernunft und Erfahrung weder begründen noch widerlegen. Doch in diesem Vertrauen erscheint dann auch die Welt in einem neuen Licht, nicht mehr als ein Gleichnis der Abwesenheit Gottes, sondern als ein Gleichnis seiner Gegenwart. In diesem Vertrauen werde ich anders leben: menschlicher, freier, mutiger. Ich muss nichts in der Welt vergöttern. Ich muss an der Welt nicht mehr verzweifeln.
So lebe ich irgendwie in der Spannung zwischen dem verborgenen und dem offenbaren Gott. Der Gaube, das Vertrauen auf Gott, ist bei mir häufig angefochten. Bis jetzt gab es aber immer wieder auch die Erfahrung, dass gerade die Anfechtungen mich auf Gott verweisen. Ich hoffe, dass das so bleiben wird. Was mich stets tröstet, ist der Gedanke, dass letztlich nichts von mir abhängt.
Robert Deinhammer SJ, Innsbruck, geb. 1977
Das sich entäußernde Geheimnis
Gott СКАЧАТЬ