Название: Wer ist dein Gott?
Автор: Vitus Seibel
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Ignatianische Impulse
isbn: 9783429064013
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Gott ist aber nicht nur ein Empfänger, der nur auf meine Initiativen reagiert, sondern vielmehr ein ganz aktiver Geber. Er ist überhaupt die Motivationsquelle, die mich bewegt, eine Initiative aufzugreifen und ihn zu suchen. Er sucht mich also, indem er versucht, mich zum Suchen nach ihm zu bewegen. Das fällt ihm nicht immer sehr leicht, weil ich manchmal ganz schön stur sein kann. Aber er ist doch Gott, er schafft das.
Gott ist gegenwärtig. Das bedeutet für mich, dass er sich in meinem Leben finden lässt. Eine große Motivation, warum ich ein Jesuit geworden bin, war, mein Leben zu verleugnen und dafür nur Gott zu suchen. Aber mit der Zeit hat mich diese Suche nach Gott in mein Leben zurückgeführt, wenn auch mit ganz anderen Augen. Gott hat mir gezeigt, dass er mir in der Wirklichkeit begegnen möchte, und deshalb suche ich jeden Abend diese Wirklichkeit, wenn ich die Hände zusammenfalte und einen Rückblick auf den vergangenen Tag werfe. Dort zeigen sich mir Gespräche, Begegnungen, Erkenntnisse, Gefühle, Stimmungen usw., die eine bestimmte Botschaft über mich selbst und über Gott in sich bergen. Diese Botschaften sind Ermutigungen oder Bestätigungen, die mich in diese oder jene Richtung zu bewegen bzw. die schon eingeschlagene Richtung zu bewahren versuchen. Mittlerweile gibt es jeden Tag eine solche Fülle an Botschaften, die von Gott geschenkt werden, dass ich, ganz überwältigt, meine Hände wieder entfalte und alle diese empfangenen Ermutigungen und Bestätigungen zurück in seine Barmherzigkeit vertrauensvoll versenke. Mich tröstet dann sein Wort: »Was ich in dir angefangen habe, werde ich auch vollenden.« Und dieses Wort richtet sich auch an jeden, der diese Zeilen liest.
Lukas Ambraziejus SJ, München, geb. 1995
Der Gott meiner Freiheit und Verantwortung
»Es standen mir mehrmals die Tränen in den Augen die letzten Tage. Ich bin einiges gewohnt und kenne viel, aber dies stößt wirklich an meine psychischen Kräfte. Was alles möglich ist in dieser Welt, überschreitet meine Denkkapazität. Menschen werden hier mit Füßen getreten, die MINUSCA schaut weg, und Menschenrechtsverletzungen werden noch nicht einmal dokumentiert, weil der Zugang zu den umkämpften Gebieten es nicht zulässt, Dörfer alle abgebrannt werden, die alten Menschen, die nicht mehr gehen können, werden in ihren eigenen Hütten verbrannt. Eine Katastrophe, die man sich nicht vorstellen kann. Sag mir bitte, wo ist unser Herrgott.«
Diese Frage stellt eine humanitäre Arbeiterin in der Zentralafrikanischen Republik in ihrer E-Mail an mich. Eine oft gestellte und schwer zu beantwortende Frage. Es ist weniger die Frage, wer Gott ist, sondern wo Gott ist. Vielleicht ist es besser, zu dieser Frage, die ein verzweifelter Schrei der leidenden Menschheit ist, zu schweigen. Die schreiende Gottesfrage hat viele Aspekte, und ich frage mich manchmal: Ist denn Gott immer dann verantwortlich, wenn wir Menschen diese Grausamkeiten und Katastrophen verursachen? Alles, was in der Zentralafrikanischen Republik geschieht, ist Menschen-gemacht. Gott – der abwesende Gott – wird als eine verzweifelte Erklärung herbeigezogen angesichts des völligen Versagens von Menschen in ihrer Freiheit. Wir Menschen halten den Abgrund der menschenmöglichen Barbarei nicht aus und brauchen wenigstens da noch den abwesenden Gott als Letztentschuldigung.
So verständlich diese Frage nach Gott sein mag, so bleiben Menschen – allein Menschen – verantwortlich für die vielen Gräueltaten und Unmenschlichkeiten, die anderen Menschen angetan werden. Es ist unsere gottgegebene menschliche Freiheit, die uns befähigt, so oder anders zu handeln. Wir sind verantwortlich für das, was wir tun oder nicht tun.
Gott bleibt für mich dieser Urgrund unserer menschlichen Freiheit und Verantwortung, der uns ernst nimmt in unserer Freiheit, auch wenn wir versagen und Unmenschliches tun. Aber gerade dort, in der menschlichen Katastrophe des völligen Versagens und der Eigenverschuldung des Menschen, ist Gott, der uns selbst in unserem Versagen auffängt. Da ist Gott in denen, die geschunden werden. Nirgendwo ist Gott mehr präsent als in den Leidenden, in den Gekreuzigten unserer Tage. Gott ist da im stummen Leiden. Aber wo ist der Mensch – der Mitmensch?
Peter Balleis SJ, Genf, geb. 1957
Gott – fern und nah
Der alte Mann mit wallendem weißem Bart fern oder über den Wolken – diese Erinnerung an Gott habe ich überhaupt nicht. Von (meist ungarischen) Sacré-Cœur-Schwestern religiös sozialisiert – Kindergarten und Grundschule im Kloster Riedenburg in Bregenz –, wurde ich anhand von großen, anschaulichen Schaubildern im Nazarenerstil mit Jesus vertraut gemacht: dem Heiler und Menschenfreund, dem Prediger und Meister, dem Freund. Auch wenn ich diese Tafeln heute kitschig nennen würde: Damals regten sie meine kindliche Phantasie an. So einer will ich auch sein – ein Jünger in der Nähe Jesu!
Gott spielte dabei keine große Rolle. Keine, an die ich mich erinnern kann. Das blieb lange so. Als Seminarist (1981/84) stand ebenfalls Jesus im Vordergrund. Bewusst wurde mir der Kontrast in den Gebeten, die sich an Gott richteten, etwa im Stundengebet, oder bei den Psalmen. Erst die Bibelschule in Nazareth und Jerusalem im Sommersemester 1984 brachte eine Horizonterweiterung: Am Sinai, auf dem Berg Horeb und im Katharinenkloster, fühlte ich mich – bei einem unglaublich klaren Sternenhimmel – Gott nahe: dem Schöpfer und Gestalter der Welt, auch wenn ich mich mitten in der Wüste vorfand. Die Psalmen, etwa Ps 8, begannen neu zu wirken. Ein Jahr später trat ich in Innsbruck in den Jesuitenorden ein.
Als mir mein hochverehrter Lehrer Walter Kern SJ empfahl, Karl Rahner SJ zu lesen, ihn selber, seine Texte, nicht Artikel über ihn, konnte ich anfangs mit dem »namenlosen«, »unergründlichen«, »schweigenden«, »fernen« Gott wenig anfangen. Das klang für mich zu abstrakt und zu unpersönlich – und kontrastierte stark mit meiner Heilig-Land-Erfahrung: mit den Augen Jesu sehen und staunen. Erst allmählich, zunächst eher auf der intellektuellen Schiene, entdeckte ich Gott – als »Gott meines Herrn Jesus Christus«. Dass ich mit Jesus dem Christus zusammen vor Gott stehe, zu Gott, dem Vater und Schöpfer, bete, dass ich mich wie Jesus verloren und von Gott verlassen fühlen kann – das brachte mich in die Nähe Gottes. Er war plötzlich fern und nah zugleich. Und weil ich das IHS als »Iesum Habemus Socium« (Wir haben Jesus zum Gefährten) lese, bedeutet mir die Stelle im Kolosserbrief sehr viel: in Jesus »das Bild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15) vor mir zu haben. Oder Joh 14,9: »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.«
Etwas kam dazu: Gebete und Meditationen, liturgische Texte, in denen Gott Attribute zugesprochen wurden, die ihn »verfügbar« machen wollen, unbewusst oder bewusst, stießen mich mit der Zeit zunehmend ab als religiöser Kitsch. Vielleicht ist das eine Alterserscheinung. Die »Gras-und-Ufer«-Romantik, so lautstark ich sie als Jugendlicher mitsang, erschien mir unerträglich. So einen Kuschel-Gott wollte ich nicht (mehr). Die beiden Tagebücher von Fridolin Stier (»Vielleicht ist irgendwo Tag« und »An der Wurzel der Berge«) lösten ein gewaltiges Aha-Erlebnis aus und ließen mich Gott neu entdecken – als den nahen, mir innerlicher als ich mir selbst, wie Augustinus sagt, und als den fernen, unantastbaren Gott zugleich.
Deswegen kann ich »Großer Gott, wir loben dich« mit derselben Ergriffenheit singen wie Huub Oosterhuis: »Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott … Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?«
Andreas Batlogg SJ, München, geb. 1962
Du führst mich hinaus ins Weite
Gott ist es, der mir den Mut schenkt, neue Schritte zu gehen. Das ist mein Glaube. Und so verstehe ich den Sinn meines Lebens: weiterzugehen.
Im Paradies zu leben, fest und immer am gleichen Ort – das hat dem Menschen nicht gutgetan. Seitdem ist die jüdisch-christliche Glaubensgeschichte voller Bewegungen: Abraham macht sich auf den Weg, Mose und das erste Volk Gottes und auch Jesus Christus, der Wanderprediger aus Nazareth. Wir Menschen sind für den Weg geschaffen, für die Veränderung und die damit einhergehende Entwicklung.
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