Dichtung und Wahrheit. Johann Wolfgang von Goethe
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Название: Dichtung und Wahrheit

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818869

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СКАЧАТЬ wie­der­hol­tem Ver­druss gab es nur ge­häs­si­ge Tren­nun­gen. Kein Wun­der da­her, dass man auf an­de­re An­stal­ten dach­te, wel­che so­wohl be­stän­di­ger als vor­teil­haf­ter sein soll­ten.

      Auf den Ge­dan­ken, Pen­sio­nen zu er­rich­ten, war man durch die Not­wen­dig­keit ge­kom­men, wel­che je­der­mann emp­fand, dass die fran­zö­si­sche Spra­che le­ben­dig ge­lehrt und über­lie­fert wer­den müs­se. Mein Va­ter hat­te einen jun­gen Men­schen er­zo­gen, der bei ihm Be­dien­ter, Kam­mer­die­ner, Se­kre­tär, ge­nug, nach und nach al­les in al­lem ge­we­sen war. Die­ser, na­mens Pfeil, sprach gut fran­zö­sisch und ver­stand es gründ­lich. Nach­dem er sich ver­hei­ra­tet hat­te und sei­ne Gön­ner für ihn auf einen Zu­stand den­ken muss­ten, so fie­len sie auf den Ge­dan­ken, ihn eine Pen­si­on er­rich­ten zu las­sen, die sich nach und nach zu ei­ner klei­nen Schul­an­stalt er­wei­ter­te, in der man al­les Not­wen­di­ge, ja zu­letzt so­gar La­tei­nisch und Grie­chisch lehr­te. Die weit­ver­brei­te­ten Kon­ne­xio­nen von Frank­furt ga­ben Ge­le­gen­heit, dass jun­ge Fran­zo­sen und Eng­län­der, um Deutsch zu ler­nen und sonst sich aus­zu­bil­den, die­ser An­stalt an­ver­traut wur­den. Pfeil, der ein Mann in sei­nen bes­ten Jah­ren, von der wun­der­sams­ten Ener­gie und Tä­tig­keit war, stand dem Gan­zen sehr lo­bens­wür­dig vor, und weil er nie ge­nug be­schäf­tigt sein konn­te, so warf er sich bei Ge­le­gen­heit, da er sei­nen Schü­lern Mu­sik­meis­ter hal­ten muss­te, selbst in die Mu­sik und be­trieb das Kla­vier­spie­len mit sol­chem Ei­fer, dass er, der nie­mals vor­her eine Tas­te an­ge­rührt hat­te, sehr bald recht fer­tig und brav spiel­te. Er schi­en die Ma­xi­me mei­nes Va­ters an­ge­nom­men zu ha­ben, dass jun­ge Leu­te nichts mehr auf­mun­tern und an­re­gen kön­ne, als wenn man selbst schon in ge­wis­sen Jah­ren sich wie­der zum Schü­ler er­klär­te und in ei­nem Al­ter, worin man sehr schwer neue Fer­tig­kei­ten er­langt, den­noch durch Ei­fer und An­halt­sam­keit Jün­gern, von der Na­tur mehr Be­güns­tig­ten den Rang ab­zu­lau­fen su­che.

      Durch die­se Nei­gung zum Kla­vier­spie­len ward Pfeil auf die In­stru­men­te selbst ge­führt, und in­dem er sich die bes­ten zu ver­schaf­fen hoff­te, kam er in Ver­hält­nis­se mit Frie­de­ri­ci in Gera, des­sen In­stru­men­te weit und breit be­rühmt wa­ren. Er nahm eine An­zahl da­von in Kom­mis­si­on und hat­te nun die Freu­de, nicht nur etwa ei­nen Flü­gel, son­dern meh­re­re in sei­ner Woh­nung auf­ge­stellt zu se­hen, sich dar­auf zu üben und hö­ren zu las­sen.

      Auch in un­ser Haus brach­te die Le­ben­dig­keit die­ses Man­nes einen grö­ßern Mu­sik­be­trieb. Mein Va­ter blieb mit ihm, bis auf die strit­ti­gen Punk­te, in ei­nem dau­ern­den gu­ten Ver­hält­nis­se. Auch für uns ward ein großer Frie­de­ri­ci­scher Flü­gel an­ge­schafft, den ich, bei mei­nem Kla­vier ver­wei­lend, we­nig be­rühr­te, der aber mei­ner Schwes­ter zu de­sto grö­ße­rer Qual ge­dieh, weil sie, um das neue In­stru­ment ge­hö­rig zu eh­ren, täg­lich noch ei­ni­ge Zeit mehr auf ihre Übun­gen zu wen­den hat­te; wo­bei mein Va­ter als Auf­se­her, Pfeil aber als Mus­ter­bild und an­trei­ben­der Haus­freund ab­wech­selnd zur Sei­te stan­den.

      Eine be­son­de­re Lieb­ha­be­rei mei­nes Va­ters mach­te uns Kin­dern viel Un­be­quem­lich­keit. Es war näm­lich die Sei­den­zucht, von de­ren Vor­teil, wenn sie all­ge­mei­ner ver­brei­tet wür­de, er einen großen Be­griff hat­te. Ei­ni­ge Be­kannt­schaf­ten in Hanau, wo man die Zucht der Wür­mer sehr sorg­fäl­tig be­trieb, ga­ben ihm die nächs­te Ver­an­las­sung. Von dort­her wur­den ihm zu rech­ter Zeit die Eier ge­sen­det; und so­bald die Maul­beer­bäu­me ge­nug­sa­mes Laub zeig­ten, ließ man sie aus­schlüp­fen und war­te­te der kaum sicht­ba­ren Ge­schöp­fe mit großer Sorg­falt. In ei­nem Man­sard­zim­mer wa­ren Ti­sche und Ge­stel­le mit Bret­tern auf­ge­schla­gen, um ih­nen mehr Raum und Un­ter­halt zu be­rei­ten: denn sie wuch­sen schnell und wa­ren nach der letz­ten Häu­tung so heiß­hung­rig, dass man kaum Blät­ter ge­nug her­bei­schaf­fen konn­te, sie zu näh­ren; ja sie muss­ten Tag und Nacht ge­füt­tert wer­den, weil eben al­les dar­auf an­kommt, dass sie der Nah­rung ja nicht zu ei­ner Zeit er­man­geln, wo die große und wun­der­sa­me Ver­än­de­rung in ih­nen vor­ge­hen soll. War die Wit­te­rung güns­tig, so konn­te man frei­lich die­ses Ge­schäft als eine lus­ti­ge Un­ter­hal­tung an­se­hen; trat aber Käl­te ein, dass die Maul­beer­bäu­me lit­ten, so mach­te es große Not. Noch un­an­ge­neh­mer aber war es, wenn in der letz­ten Epo­che Re­gen ein­fiel: denn die­se Ge­schöp­fe kön­nen die Feuch­tig­keit gar nicht ver­tra­gen; und so muss­ten die be­netz­ten Blät­ter sorg­fäl­tig ab­ge­wischt und ge­trock­net wer­den, wel­ches denn doch nicht im­mer so ge­nau ge­sche­hen konn­te, und aus die­ser oder viel­leicht auch ei­ner an­de­ren Ur­sa­che ka­men man­cher­lei Krank­hei­ten un­ter die Her­de, wo­durch die ar­men Krea­tu­ren zu Tau­sen­den hin­ge­rafft wur­den. Die dar­aus ent­ste­hen­de Fäul­nis er­reg­te einen wirk­lich pest­ar­ti­gen Ge­ruch, und da man die to­ten und kran­ken weg­schaf­fen und von den ge­sun­den ab­son­dern muss­te, um nur ei­ni­ge zu ret­ten, so war es in der Tat ein äu­ßerst be­schwer­li­ches und wi­der­li­ches Ge­schäft, das uns Kin­dern man­che böse Stun­de ver­ur­sach­te.

      Nach­dem wir nun ei­nes Jahrs die schöns­ten Früh­lings- und Som­mer­wo­chen mit War­tung der Sei­den­wür­mer hin­ge­bracht, muss­ten wir dem Va­ter in ei­nem an­de­ren Ge­schäft bei­ste­hen, das, ob­gleich ein­fa­cher, uns den­noch nicht we­ni­ger be­schwer­lich ward. Die rö­mi­schen Pro­spek­te näm­lich, wel­che in dem al­ten Hau­se, in schwar­ze Stä­be oben und un­ten ein­ge­fasst, an den Wän­den meh­re­re Jah­re ge­han­gen hat­ten, wa­ren durch Licht, Staub und Rauch sehr ver­gilbt und durch die Flie­gen nicht we­nig un­schein­bar ge­wor­den. War nun eine sol­che Un­rein­lich­keit in dem neu­en Hau­se nicht zu­läs­sig, so hat­ten die­se Bil­der für mei­nen Va­ter auch durch sei­ne län­ge­re Ent­fernt­heit von den vor­ge­stell­ten Ge­gen­den an Wert ge­won­nen. Denn im An­fan­ge die­nen uns der­glei­chen Ab­bil­dun­gen, die erst kurz vor­her emp­fan­ge­nen Ein­drücke auf­zu­fri­schen und zu be­le­ben. Sie schei­nen uns ge­ring ge­gen die­se und meis­tens nur ein trau­ri­ges Sur­ro­gat. Ver­lischt hin­ge­gen das An­den­ken der Ur­ge­stal­ten im­mer mehr und mehr, so tre­ten die Nach­bil­dun­gen un­ver­merkt an ihre Stel­le, sie wer­den uns so teu­er, als es jene wa­ren, und was wir an­fangs miss­ge­ach­tet, er­wirbt sich nun­mehr uns­re Schät­zung und Nei­gung. So geht es mit al­len Ab­bil­dun­gen, be­son­ders auch mit Por­trä­ten. Nicht leicht ist je­mand mit dem Kon­ter­fei ei­nes Ge­gen­wär­ti­gen zu­frie­den, und wie er­wünscht ist uns je­der Schat­ten­riss ei­nes Ab­we­sen­den oder gar Ab­ge­schie­de­nen.

      Ge­nug, in die­sem Ge­fühl sei­ner bis­he­ri­gen Ver­schwen­dung woll­te mein Va­ter jene Kup­fer­sti­che so viel wie mög­lich wie­der her­ge­stellt wis­sen. Dass die­ses durch Blei­chen mög­lich sei, war be­kannt; und die­se bei großen Blät­tern im­mer be­denk­li­che Ope­ra­ti­on wur­de un­ter ziem­lich un­güns­ti­gen Lo­ka­lum­stän­den vor­ge­nom­men. Denn die großen Bret­ter, wor­auf die an­ge­rauch­ten Kup­fer be­feuch­tet und der Son­ne aus­ge­stellt wur­den, stan­den vor Man­sard­fens­tern in den Dach­rin­nen an das Dach ge­lehnt und wa­ren da­her man­chen Un­fäl­len aus­ge­setzt. Da­bei war die Haupt­sa­che, dass das Pa­pier nie­mals aus­trock­nen durf­te, son­dern im­mer feucht ge­hal­ten wer­den muss­te. Die­se Ob­lie­gen­heit СКАЧАТЬ