Indem ich nun dasjenige, was mir dem Inhalt nach schon bekannt war, in einem fremden kauderwelschen1 Idiom herstottern sollte, wobei mir denn ein gewisses Näseln und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht wenig empfohlen wurde, so kam ich gewissermaßen von der Sache ganz ab und amüsierte mich auf eine kindische Weise an den seltsamen Namen dieser gehäuften Zeichen. Da waren Kaiser, Könige und Herzoge, die, als Akzente hie und da dominierend, mich nicht wenig unterhielten. Aber auch diese schalen Späße verloren bald ihren Reiz. Doch wurde ich dadurch schadlos gehalten, dass mir beim Lesen, Übersetzen, Wiederholen, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs umso lebhafter entgegentrat, und dieser war es eigentlich, über welchen ich von meinem alten Herrn Aufklärung verlangte. Denn schon vorher waren mir die Widersprüche der Überlieferung mit dem Wirklichen und Möglichen sehr auffallend gewesen, und ich hatte meine Hauslehrer durch die Sonne, die zu Gibeon, und den Mond, der im Tal Ajalon stillstand, in manche Not versetzt; gewisser anderer Unwahrscheinlichkeiten und Inkongruenzen nicht zu gedenken. Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem ich mich, um von dem Hebräischen Meister zu werden, mit dem Alten Testament ausschließlich beschäftigte und solches nicht mehr in Luthers Übersetzung, sondern in der wörtlichen beigedruckten Version des Sebastian Schmidt, den mir mein Vater sogleich angeschafft hatte, durchstudierte. Hier fingen unsre Stunden leider an, was die Sprachübungen betrifft, lückenhaft zu werden. Lesen, Exponieren, Grammatik, Aufschreiben und Hersagen von Wörtern dauerte selten eine völlige halbe Stunde: denn ich fing sogleich an, auf den Sinn der Sache loszugehen und, ob wir gleich noch in dem ersten Buche Mosis befangen waren, mancherlei Dinge zur Sprache zu bringen, welche mir aus den spätern Büchern im Sinne lagen. Anfangs suchte der gute Alte mich von solchen Abschweifungen zurückzuführen; zuletzt aber schien es ihn selbst zu unterhalten. Er kam nach seiner Art nicht aus dem Husten und Lachen, und wiewohl er sich sehr hütete, mir eine Auskunft zu geben, die ihn hätte kompromittieren können, so ließ meine Zudringlichkeit doch nicht nach; ja da mir mehr daran gelegen war, meine Zweifel vorzubringen, als die Auflösung derselben zu erfahren, so wurde ich immer lebhafter und kühner, wozu er mich durch sein Betragen zu berechtigen schien. Übrigens konnte ich nichts aus ihm bringen, als dass er ein über das andere Mal mit seinem bauchschütternden Lachen ausrief: »Er närrischer Kerl! Er närrischer Junge!«
Indessen mochte ihm meine, die Bibel nach allen Seiten durchkreuzende kindische Lebhaftigkeit doch ziemlich ernsthaft und einiger Nachhilfe wert geschienen haben. Er verwies mich daher nach einiger Zeit auf das große englische Bibelwerk, welches in seiner Bibliothek bereit stand und in welchem die Auslegung schwerer und bedenklicher Stellen auf eine verständige und kluge Weise unternommen war. Die Übersetzung hatte durch die großen Bemühungen deutscher Gottesgelehrten Vorzüge vor dem Original erhalten. Die verschiedenen Meinungen waren angeführt und zuletzt eine Art von Vermittelung versucht, wobei die Würde des Buchs, der Grund der Religion und der Menschenverstand einigermaßen neben einander bestehen konnten. So oft ich nun gegen Ende der Stunde mit hergebrachten Fragen und Zweifeln auftrat, so oft deutete er auf das Repositorium; ich holte mir den Band, er ließ mich lesen, blätterte in seinem Lucian, und wenn ich über das Buch meine Anmerkungen machte, war sein gewöhnliches Lachen alles, wodurch er meinen Scharfsinn erwiderte. In den langen Sommertagen ließ er mich sitzen, so lange ich lesen konnte, manchmal allein; nur dauerte es eine Weile, bis er mir erlaubte, einen Band nach dem anderen mit nach Hause zu nehmen.
Der Mensch mag sich wenden, wohin er will, er mag unternehmen, was es auch sei, stets wird er auf jenen Weg wieder zurückkehren, den ihm die Natur einmal vorgezeichnet hat. 5o erging es auch mir im gegenwärtigen Falle. Die Bemühungen um die Sprache, um den Inhalt der heiligen Schriften selbst endigten zuletzt damit, dass von jenem schönen und viel gepriesenen Lande, seiner Umgebung und Nachbarschaft, so wie von den Völkern und Ereignissen, welche jenen Fleck der Erde durch Jahrtausende hindurch verherrlichten, eine lebhaftere Vorstellung in meiner Einbildungskraft hervorging.
Dieser kleine Raum sollte den Ursprung und das Wachstum des Menschengeschlechts sehen; von dorther sollten die ersten und einzigsten Nachrichten der Urgeschichte zu uns gelangen, und ein solches Lokal sollte zugleich so einfach und fasslich, als mannigfaltig und zu den wundersamsten Wanderungen und Ansiedelungen geeignet, vor unserer Einbildungskraft liegen. Hier, zwischen vier benannten Flüssen, war aus der ganzen zu bewohnenden СКАЧАТЬ