Название: Selbstbewusst ist das neue Sexy
Автор: Sophia Faßnacht
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831269648
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Dass Frauen mit ihrem Äußeren unzufrieden sind, ist nicht mehr die Ausnahme, sondern zum absoluten Standard geworden. Viele Frauen stehen mit ihrem Aussehen auf Kriegsfuß oder fühlen sich – an den heutigen Schönheitsidealen gemessen –, gelinde gesagt, einfach noch nicht »schön genug«. Umfragewerte rund um das Thema Schönheit sprechen für sich:
Gerade einmal zehn Prozent der deutschen Frauen würden sich selbst als schön bezeichnen. Ganze 72 Prozent wären gern schlanker, so eine Umfrage der Marplan Forschungsgesellschaft mit über 10.000 Befragten. Und auch vor Kindern macht der Schönheits- und Schlankheitswahn nicht halt. Jedes zweite deutsche elfjährige Mädchen gibt an, sich zu dick zu fühlen. Laut einer Umfrage des Robert Koch-Instituts liegt bei etwa einem Fünftel aller Elf- bis 17-Jährigen der Verdacht auf eine Essstörung vor. Jedes dritte Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren zeigt Auffälligkeiten im Essverhalten, bei Jungen sind es 13,5 Prozent. Die verspürte Last, dem Ideal einer perfekten Schönheit entsprechen zu müssen, sehen viele Frauen von den Medien ausgelöst: 46 Prozent fühlen sich von den Bildern der Models, die sie Tag für Tag auf großen Werbeplakaten, im Internet oder im Fernsehen sehen, immens unter Druck gesetzt.
Wer schön ist, so scheint die Schlussfolgerung, der lebt auch ein einfacheres, ein glücklicheres Leben. Die Heil bringende Antwort auf ein Gefühl der Minderwertigkeit liefert für viele eine Industrie, die jährlich Milliarden mit dem Konzept »Schönheit« umsetzt: Wer sich heute dafür entscheidet, mit Produkten und Dienstleistungen rund um das Thema Geld zu verdienen, lebt in wahrhaft guten Zeiten. Denn die Schönheitsindustrie boomt wie noch nie zuvor. 53 Milliarden Dollar werden weltweit jährlich für sogenannte Cover-up-Kosmetik, also Produkte rund um Augen, Gesicht, Lippen und Nägel, ausgegeben. Allein die Deutschen zahlten im Jahr 2016 rund 1,84 Milliarden Euro für »dekorative Kosmetik«. Das macht eine monatliche Pro-Kopf-Ausgabe von etwa 110 Euro. Nun bitte nicht falsch verstehen: Hier soll nicht bewertet werden, dass sich Frauen gern hübsch machen, sich um sich sorgen und sich Gutes tun wollen. Das tun wir alle gern, ob es nun mit dekorativer Kosmetik oder anderen Pflegemaßnahmen stattfindet. Aber der Unterschied zwischen der Motivation »Ich unterstreiche meine Schönheit«, die davon ausgeht, dass wir alle etwas Schönes und Einzigartiges besitzen, und »Ich bin nur schön, wenn ich mich (über-)schminke«, liegt klar auf der Hand.
Wer noch mehr für die Schönheit tun will, der greift immer häufiger zu drastischeren Maßnahmen: Operative Eingriffe und die plastische Chirurgie sind mittlerweile kein Tabu mehr, sondern gesellschaftsfähig geworden: Rund 23 Millionen chirurgische und nicht chirurgische Eingriffe werden jährlich durchgeführt. Meist sind es auch hier Frauen, nämlich 80 Prozent, die sich für die Schönheit das Fett absaugen, die Augenfalten mit Botox unterspritzen oder die Brüste vergrößern lassen. Zwar ist auch beim männlichen Geschlecht eine steigende Bereitschaft zu Schönheitseingriffen zu verzeichnen, aber mit 17,5 Prozent ist der Anteil der Männer, die sich dafür entscheiden, dennoch merklich geringer. Schönheit ist also ein Riesenthema. Das heutige Ideal von Frauen sieht in den meisten Köpfen so aus, wie es uns durch die Bilder der Models auf den Plakaten eingeimpft wird: schlank, hellhäutig, aber gebräunt, lange Haare, große Augen, kleine Nase, volle Lippen, hohe Wangenknochen, blitzweiße Zähne, unbehaart, mit runden, stehenden Brüsten und einem möglichst knackigen Po.
Was wir beim Anblick dieser »Überwesen« aus den Werbeplakaten und Modezeitschriften vergessen, ist, dass selbst Models im Normalfall nicht so aussehen, wie sie auf diesen Bildern wirken. Was noch nicht dem Idealbild entspricht, wird per Photoshop und Co. ideal gemacht. Was in unseren Köpfen geschieht, ist das, was man eine »mediale Gewöhnung« nennt. Bilder, die wir unablässig sehen, führen zu einem Gewöhnungseffekt. Obwohl also der Körper eines Models für eine Frau mit einer durchschnittlichen Statur, wenn überhaupt, oft nur mit größter Anstrengung und Entbehrungen erreicht werden kann, weil er im Schnitt 20 Prozent dünner ist als der von Frauen mit Normalgewicht – und weil der Körper blutjunger Models oft wenig mit den Maßen einer erwachsenen Frau zu tun hat –, beginnen wir zu glauben, dass das Extrem normativ ist. Also das zeigt, was wir gesellschaftlich als Norm betrachten. Die Maße 90–60–90, die man über viele Jahre so gern als Körperideal bezeichnet hat, sind für erwachsene Frauenkörper tatsächlich eine extreme Seltenheit. Denn während bei der Brust der reale Umfang einer erwachsenen Frau tatsächlich 90 Zentimetern entsprechen könnte, spiegeln die Maße 60 und 90 bei Taillen- und Hüftumfang eher den Durchschnittswert eines jugendlichen Mädchens wider.
Was haben diese unrealistischen Ideale mit unserem Selbstwert gemacht, und wie weitreichend sind die Folgen? Auch hier sind die Ergebnisse alarmierend und zeigen, wie dringend ein Umdenken nötig ist.
Der »Dove Beauty Confidence Report« aus dem Jahre 2016 zeigt, dass der Selbstwert von Frauen weltweit stetig abnimmt. 86 Prozent der Frauen in Deutschland gaben an, aufgrund eines negativen Selbstbildes bereits soziale Aktivitäten gemieden und sich freiwillig isoliert zu haben. Bei 91 Prozent der Frauen hat ihr negatives Körperbild dazu geführt, dass sie bereits auf Nahrung verzichtet oder ihre Gesundheit durch andere Maßnahmen gefährdet haben. Dass ein negatives Selbstbild über die Körperwahrnehmung hinaus tief ins Seelenleben eingreift, zeigt die Aussage, dass sechs von zehn Frauen den Druck verspüren, keine Schwäche zeigen zu dürfen. »Immer perfekt sein zu müssen«, das ist es, was viele von uns tagtäglich spüren. Nun wissen die meisten Frauen (72 Prozent) laut dieser Studie aber auch, dass die Ideale, die von den Medien kommuniziert werden, unrealistisch sind, und wünschen sich eine Veränderung, um den Druck nach Schönheit aufzulockern. Die Body-Positivity-Bewegung ist hierbei ein wichtiger Schlüsselfaktor. Denn der Ruf nach einer Welt, in der sich Frauen sich selbst und ihrem Körper liebevoll zuwenden können, ohne in eine Schablone gezwängt zu werden, wird immer lauter. Wer sich über viele Jahre an hohen Maßstäben orientieren musste, beginnt nun, sich immer mehr dem Druck von aufoktroyierten Idealen zu widersetzen. Obwohl die sozialen Medien natürlich auch ein Ort sind, in denen das Ideal vom perfekten Körper propagiert wird, hat sich durch die Demokratisierung der Mode- und Medienwelt durch die Digitalisierung auch eine neue Diversität herausgebildet.
Viele Menschen beginnen, sich gegen ein vordiktiertes Ideal zu wehren. Sie wollen sie selbst sein dürfen. Die Individualisierung kommt also langsam auch bei unseren Körperidealen an. Wir selbst werden Herr oder Herrin unseres Wertes – und lassen keine Industrie, keine Medien und keine anderen Menschen darüber bestimmen. Die Botschaft der Body-Positivity-Bewegung ist:
DU BIST SCHÖN,
weil du wertvoll bist. Und nicht wertvoll, weil du schön bist.
Bin ich schön?
Kommt ganz darauf an, in welcher Epoche du fragst. Vielleicht muss man ein wenig in die Vergangenheit reisen, um sich dem Begriff Schönheit von einem erfrischenden Standpunkt aus zu nähern und sie ein wenig von der starken Fokussierung auf ein heutiges Ideal zu lösen. Denn die Schönheit »von heute« ist nicht unbedingt die Schönheit »von früher«.
Wenden wir uns, bevor wir uns später wieder mit den heutigen Schönheitsidealen und der Body-Positivity-Bewegung beschäftigen, zuerst der Vergangenheit zu und tauchen ein wenig in die Geschichte der Schönheit ein. Die Suche danach, Schönheit zu begreifen, ist wohl so alt wie die Existenz des Menschen selbst. »Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet«, sagte der Dichter Christian Morgenstern, was sich sehr idealistisch und romantisiert anhören mag. Doch wenn man sich bei der Frage danach, was die ideale Schönheit eigentlich ist, auf Spurensuche begibt, zeigt sich in der Zeitgeschichte ein Bild der Diversität. Schönheit hat eben tausend Gesichter …
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