Название: Das wirkliche Leben beginnt jetzt
Автор: A.H. Almaas
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783867811545
isbn:
Das ist der Grund, weshalb wir manchmal den Nichtausdruck von automatischen Emotionen üben. Wenn ihr das tut, dann seid ihr nicht nur aufmerksam auf euch selbst, indem ihr euch ständig spürt, sondern ihr seid auch aufmerksam, damit ihr nicht irgendeine automatische Emotion ausdrückt, die ihr empfindet. Haltet sie bei euch selbst, fühlt sie, versteht sie und benutzt sie als Nahrung für eure Präsenz und euer Verstehen. Ihr seid vielleicht nicht dauernd dazu in der Lage. Wichtig ist, daß ihr euch selbst nicht beschuldigt, wenn ihr es nicht perfekt könnt; der Punkt ist, soviel bewußte Anstrengung und Entschlossenheit wie möglich einzusetzen.
Das bedeutet, wenn ihr aus irgendeinem unbewußten Grund wütend seid, dann schreit ihr nicht einfach jemanden an, ihr behaltet es bei euch selbst, für euer Verstehen. Wenn ihr verletzt seid, weil jemand euch ablehnt, dann behaltet ihr das bei euch. Ihr sagt nicht zu dem anderen: „Du lehnst mich ab und ich finde dich abscheulich.“ Ihr laßt zu, daß ihr euch abgelehnt fühlt, ihr arbeitet daran, es allein oder mit eurem Lehrer zu verstehen, wenn ihr mit einem Lehrer arbeitet. Ihr benutzt die Energie, den Brennstoff, die Hitze, die aus dieser inneren Arbeit entsteht, in der Absicht, sie bei euch zu behalten, für eure Präsenz, für euer Verstehen, für die Transformation eurer Persönlichkeit.
Alle möglichen Emotionen können automatisch sein – zum Beispiel Hoffnungslosigkeit oder Verzweiflung. Auf diese Gefühle hin nicht zu handeln bedeutet, auch wenn ihr vielleicht morgens aufwacht und das Gefühl habt, daß euer Leben sinnlos und hoffnungslos ist, daß ihr aufsteht und trotzdem zut Arbeit geht. Nicht auf automatische Emotionen hin zu agieren bedeutet, wenn ein Freund vorbeikommt und ihr euch einsam und bedürftig fühlt und eine Umarmung wollt, daß ihr dann nicht auf diesen Wunsch hin handelt – ihr fühlt einfach nur, weil ihr wißt, daß dieser Wunsch ein automatisches und elementares Bedürfnis befriedigen soll.
Es kann vielleicht eine Weile dauern, bis ihr versteht, was das Nichtausdrücken von automatischen Emotionen mit sich bringt, und das ist in Ordnung. Wenn man den automatischen Emotionen nicht freien Lauf läßt, erreicht man, daß man dauernd bewußt ist. Wir sprechen nicht über Unterdrücken der Emotionen, wir sprechen darüber, sie nicht auszudrücken. Sie auszudrücken bedeutet, sie zu entladen, und das hält euch davon ab, wirklich zu verstehen und tiefer zu gehen. Emotionen auszudrücken hält den Prozeß der Transformation an, weil ein wahrhaft reifer Mensch nicht auf diese Emotionen hin handelt. Diese Übung ist äußerst wichtig; wenn wir sie machen, lernen wir eine Menge. Es ist vielleicht schwer zu verstehen, was das mit sich bringt, aber ihr müßt ohnehin ausdauernd sein. Wenn ihr zu dem heranwachsen wollt, der ihr in Wahrheit seid, dann müßt ihr diese Dinge lernen. Schonung hilft euch nicht weiter. Schonung nährt einfach die elementaren Bedürfnisse und Werte und perpetuiert sie.
Um diese Übung zu machen, müssen wir alles an Bewußtheit und an Willen aufbieten, was wir entwickelt haben. Wir müssen unsere Transformation bewußt in unsere eigenen Hände nehmen. Ein Mensch, der wahren Selbstrespekt hat, verkündet nicht seine Erleuchtung, noch möchte er gesehen werden. Je echter ihr seid, um so unsichtbarer seid ihr, weil ihr eure Verwirklichung für euch behaltet. Wünsche, sie zu zeigen oder zur Schau zu stellen oder andere zu beeindrucken, sind Wünsche nach Befriedigung, elementarer oder kindischer Bedürfnisse. Der wahre Mensch handelt nicht auf diese Bedürfnisse hin und hat sie mit der Zeit nicht mehr. Ein reifer, erwachsener Mensch geht einfach seinen Geschäften nach und versucht nicht, irgendjemandem zu gefallen.
Bei dieser Übung geht es nicht darum, die Emotionen anzuhalten. Es geht eher darum, damit aufzuhören, auf sie hin (oder von ihnen aus) zu handeln, weil wir erkennen, daß sie aus dem Teil von uns kommen, der elementar, primitiv und kindisch ist. Das ist genauso, wie wenn man ein Kind aufzieht. Euer Kind darf nicht alles tun, was es möchte, weil es euer Haus auf den Kopf stellt und sich wahrscheinlich selbst wehtut. Dasselbe gilt für euch selbst. Ihr laßt den kindischen Teil von euch nicht alles tun, was er möchte, weil er euer Leben auf den Kopf stellen und euch schaden würde. So einfach ist das. Ihr müßt ihn disziplinieren. Dieser kindische Teil von euch wird lernen müssen, daß seine Verhaltensweisen nicht erwachsen sind, daß es für sie keine Verwendung gibt und daß sie nur destruktiv sind. Wenn ein Baby wütend ist, dann wirft es vielleicht seine Flasche auf den Boden, macht sie kaputt oder wirft mit Sachen und fühlt sich gut dadurch. Es versteht nicht, warum man will, daß es aufhört, und es wird noch wütender, wenn man versucht, es dazu zu bringen, aufzuhören. Dasselbe gilt für euch: ihr sagt vielleicht, daß es sich gut anfühlt, wenn ihr euren Ärger ausdrückt, und das kann auch wahr sein, aber es ist auch destruktiv euch selbst und der Menschheit im Allgemeinen gegenüber. Wut auszudrücken ist eine automatische Reaktion. Wie ein Baby müßt ihr, um erwachsen zu werden, lernen, dies zu unterlassen. Es spielt keine Rolle, ob sich das Ausdrücken gut oder schlecht anfühlt – darum geht es nicht. Es geht um Integrität, Selbstrespekt, Reife, Menschlichkeit und Wahrheit.
Reife und Wahrheit
Manchmal denke ich, daß viele von euch aus den falschen Gründen hier sind. Viele von euch bestehen auf einer Erwartungshaltung gegenüber der inneren Arbeit und versuchen, etwas zu bekommen, was zu verschaffen nicht Aufgabe der inneren Arbeit ist. Schüler bringen Probleme vor und möchten, daß ich sie löse. Sicher muß jeder von uns seine Probleme lösen, aber das ist nicht der Zweck der inneren Arbeit, und es ist auch nicht mein Interesse, wenn ich mit Menschen arbeite. Wenn ich mit jemandem arbeite, dann geht es mir im Allgemeinen nicht darum, Probleme zu lösen. Vielmehr finde ich die Situation, daß man von mir erwartet, für Leute oder sogar mit ihnen Probleme zu lösen, sehr langweilig und undankbar. Es geht am Entscheidenden vorbei. Bestimmte Probleme zu lösen ist nicht das Wichtigste, weil immer neue Probleme entstehen werden. Das Leben ist voller Probleme. Wenn ihr euer Leben dem Lösen von Problemen widmet, dann habt ihr den Rest eures Lebens alle Hände voll zu tun. Sicher gibt es im Leben einen Platz für das Lösen von Problemen. Aber Schüler glauben oft, daß das Lösen von einem Problem nach dem anderen schließlich alle Probleme beseitigen wird und zum Glück führt. Aber so läuft es nicht.
Die Haltung, die eigenen Probleme beseitigen zu wollen, stärkt das Anhaften an Probleme. Man erzeugt weiter ein Problem nach dem anderen, da man dies zu tun versteht und auch erwartet. Es ist leicht, Probleme und Themen zu erzeugen. Wenn dieser Mechanismus eure Arbeit beherrscht, bleiben Probleme der Schwerpunkt eurer Aufmerksamkeit, während andere Dinge an Bedeutung verlieren.
Ich verstehe, daß jemand ab und zu etwas sehr Dringendes hat, ein Problem, das gelöst werden muß. Das ist in Ordnung und ich bin manchmal bereit auf diese Weise zu helfen. Aber das ist nicht die Funktion des Lehrers oder unserer Arbeit hier. Ich bin mehr am Ablauf des Prozesses interessiert, wenn ich mit jemandem arbeite, und am Verstehen der Vorgänge des Prozesses als am Ergebnis. Ich schaue nicht auf die Lösung; eher schaue ich darauf, wie der Schüler mit dem Problem oder der Situation umgeht. Wie setzt er sich mit dem Problem oder der Situation auseinander? Was für eine innere Haltung nimmt er ein? Daran kann ich sehen, wieviel jemand gelernt hat. Ich finde es viel lohnender mit einem Schüler zu arbeiten, wenn er nicht so sehr an der Lösung des Problems interessiert ist als vielmehr neugierig auf die Wahrheit der Situation.
Unsere innere Arbeit ist von bestimmten Werten motiviert, und sie hat ihre eigenen Prinzipien und ihre eigene Ästhetik. Diese Prinzipien, Werte und Ästhetik sind andere als die, um die es beim Beseitigen von Schwierigkeiten geht. Wenn es meine Aufgabe wäre, Menschen dabei zu helfen, Probleme zu lösen, würde ich nicht länger als ein oder zwei Jahre in dieser Arbeit aushalten. Ich wäre wie eine Mutter mit hundert Kindern, die sich um sie kümmern und jedesmal, wenn sie weinen, trösten muß. Ich bin keine Mutter, und auch wenn ich mit Kindern zu tun habe, erwarte ich von ihnen ein gewisses Maß an Verantwortungsbereitschaft. Auch einem Kind versuche ich nicht automatisch, jedesmal zu helfen, wenn es weint und Hilfe verlangt. Manchmal ist das Liebevollste, was man tun kann, ein Kind СКАЧАТЬ