Название: Essentielle Befreiung
Автор: A.H. Almaas
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783867811521
isbn:
Im Westen haben Psychologen Modelle von dem formuliert, was sie die „mentale Struktur“ oder den „psychischen Apparat“ nennen, um die Struktur des Geistes zu beschreiben. Nach einer dieser Formulierungen gibt es eine Struktur, die sich von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter entwickelt und die „Struktur des Geistes“ wird. Im allgemeinen wird nicht diskutiert, ob es getrennt oder jenseits davon, daneben oder über dem noch etwas gibt.
In vielen Traditionen des Ostens finden wir, daß sie nicht Struktur betrachten, wenn sie den Geist, den „großen Geist“, verstehen wollen. Sie versuchen zu verstehen, ob es jenseits von Struktur einen Geist gibt. Oder ist Struktur die Struktur von etwas anderem? Existiert er irgendwo, von irgend etwas hervorgebracht? Diese Richtung der Untersuchung hat viele meditative Systeme hervorgebracht, die den Geist zu verstehen und alle diese Prozesse und Eindrücke zu beachten versuchen. Sie wollen wissen, ob das alles ist oder ob es noch etwas anderes gibt. Was geschieht, wenn der Geist still wird? Wenn die Aktivität aufhört, was bleibt dann übrig? Es wird berichtet, daß man nichts findet, wenn man durch diese Untersuchung wirklich bis zu ihrem logischen Ende hindurch geht. Wenn alle Gedanken, Sinneswahrnehmungen und Gefühle aufhören und der ganze Inhalt der Erfahrung nicht mehr da ist, findet man keinen Denker, keine Erfahrung, keinen Behälter und keinen Apparat. Man findet nichts. Dies nennt man dann die „Natur des Geistes“. Im östlichen Denken herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß die Natur des Geistes die Leere ist, eine vollkommene Abwesenheit von allem. Nach diesem Modell kommen die Gedanken nicht von irgendwo, und sie gehen nicht irgendwohin; sie kommen aus Nichts und gehen zurück in Nichts. Der Geist ist letztlich eine riesige, grenzenlose, unbegrenzte Leere. Diese Leere ist selbst nichts Existentes, etwas, was als „Leere“ bezeichnet wird.
Die Natur des Geistes wird als ein Raum gesehen, aber sogar die Vorstellung des Raumes muß transzendiert werden, um seine Natur in ihrer Tiefe zu verstehen. Solange Raum da ist, ist jemand da, der etwas erfährt und es Raum nennt. Zur vollkommenen Erfahrung der Natur des Geistes gehört aber vollkommene Offenheit oder ein vollkommenes Nichts. Wenn man wirklich die Natur des Geistes erfährt, dann ist da äußerste Stille ohne einen Beobachter, der irgend etwas beobachtete, ohne eine Erfahrung, einen Gedanken oder irgendeine Bezeichnung. Wer immer die Erfahrung machte, wäre nur einer dieser Inhalte, nur ein Gedanke oder ein Gefühl oder eine Konstellation von Gedanken oder Gefühlen. Man findet weiter nichts, man findet nicht einmal Raum; es wird Raum geben, aber niemanden, der ihn finden könnte. Dies wird manchmal der „Grund der Existenz“ genannt. Aus dieser Perspektive nimmt man dann an, daß Geist alles ist und der Grund für alles. Alles ist der Geist, weil der Geist in seiner absolutesten Natur als Nichts bekannt ist, als die Abwesenheit von allem, und das wird als der Grund für alles gesehen.
Nichts existiert ohne dieses Nichts. Alles, was existiert, braucht eine gewisse Art Raum, um darin existieren zu können. Es ist also nicht nur der Grund aller Erfahrung, es ist der Grund von allem. Es wird als die „Grundnatur von Realität“ angesehen, als die tiefste Natur der Realität. Wenn alles ruhig wird, ist letztlich nichts da. Es ist nicht so, daß jemand schaut und nichts finden kann; in diesem Prozeß des Schauens beginnt man, nach sich selbst zu suchen, und findet sich nicht. Und schließlich ist nichts da. Das bedeutet nicht, daß der physische Körper nicht existiert. Es ist einfach kein Seiendes da, das diese Eindrücke produziert, wahrnimmt oder organisiert, nur Eindrücke selbst. Es sind einfach nur diese Eindrücke da, die kommen und gehen; sie kommen von nirgendwo und gehen nirgendwohin. Und dann können alle Eindrücke aufhören und vollkommene Leere enthüllen. Dies hält man für die grundlegendste Natur der Realität, den Grund aller Existenz. Wir nennen diesen Grund hier „Raum“, weil diese Erfahrung eher wie Raum ist. Es ist üblich, Raum auch mit Inhalt zu erfahren; dann wird Raum nicht vollkommen erfahren. Aber wenn ihr euch erlaubt, zu der Quelle von allem vorzudringen, werdet ihr zu einem Nichts oder Raum gelangen. Das Nichts kann so umfassend sein, daß da auch die Abwesenheit des Bewußtseins von Nichts ist. Wenn Bewußtsein des Nichts da ist, dann ist immer noch jemand da, der untersuchen kann, jemand der fragen kann: „Was ist das?“ Wenn ihr in eurer Untersuchung noch weiter geht, verschwindet auch das, und dann ist wirklich nichts da. Dieses „Nichts als ein Raum“ geht also so tief, daß es nach einer Weile das Bewußtsein von sich selbst auslöscht.
Weil unser normales Bewußtsein etwas nur in der Form erfahren kann, daß jemand etwas anderes erfährt, können wir nichts erfahren, ohne daß es verändert, abgeschwächt, eingeschränkt wird, weil unsere gewöhnliche Bewußtheit (awareness) sehr beschränkt und begrenzt ist. Ihre Tendenz ist Beschränkung, Begrenzung, Spezialisierung, Bezeichnung und Konzeptualisierung. Die einzige Art und Weise, wie wir vollkommenes Nichts erfahren können, besteht darin, daß das gewöhnliche Bewußtsein aufhört. Wenn es aufgehört hat, erfährt man es als seine Abwesenheit, und seine Abwesenheit erfährt man als die Abwesenheit von allem. Es wird nicht nur als die Abwesenheit von allem gesehen, sondern auch als die Abwesenheit der Abwesenheit von allem.
Diese Erfahrung wird „Aufhören“ oder „Auslöschung“ genannt: vollkommener Tod. Es ist das, was man gewöhnlich für den Tod hält. Genau so ist der Tod. Man muß nicht physisch sterben, um ihn zu erfahren. Das bedeutet nicht notwendigerweise, daß man diese Art Tod erfährt, wenn man physisch stirbt. Es ist das völlige Aufhören und die Abwesenheit von allem. Wie ich schon sagte, ist diese Erfahrung zum Teil notwendig, weil die Persönlichkeit ihr eigenes Bewußtsein hat, das verschwinden muß. Wenn es aufgehört hat, ist es jedoch möglich, daß ein anderes Bewußtsein da ist, um den ganzen, grenzenlosen, unbegrenzten Raum so zu erfahren, wie er ist. Es besteht die Notwendigkeit, daß ein vollkommenes, grenzenloses unbegrenztes Bewußtsein Nichts erfährt. Mit eurem eigenen Bewußtsein könnt ihr wirkliche Unbegrenztheit, wirkliche Grenzenlosigkeit nicht erfahren. In der Erfahrung der wirklichen, unbegrenzten, ganzen Unendlichkeit des Nichts ist euer Bewußtsein selbst unbegrenzt, grenzenlos und unendlich; das heißt, es ist nicht individuell, nicht eingeschränkt und nicht getrennt von dem, was erfahren wird. Wenn sich diese Art Unbewußtes manifestiert, ist es das, was man „kosmisches Bewußtsein“ oder „universelles Bewußtsein“ oder „ursprünglicher Geist“ nennt.
Wir sehen hier also eine andere Bedeutung von Geist, nämlich „reines Bewußtsein“. Hier gibt es Wahrnehmung, aber es ist keine Wahrnehmung von etwas, sondern die Wahrnehmungsfähigkeit selbst. An diesem Punkt gehen wir in den Geist, nicht in seiner Bedeutung von Raum, sondern von Wahrnehmung, Bewußtsein. Wir sehen, daß wir immer dieses Bewußtsein haben. Jeder Mensch und jedes Lebewesen hat dieses Bewußtsein. In unserer Alltagserfahrung gibt es immer ein Bewußtsein von etwas; wir kennen niemals das Bewußtsein an sich. Es gibt immer nur ein Bewußtsein von dem Teppich, von meinem Fuß, von meinem Geist. Bewußtsein und der Inhalt des Bewußtseins sind niemals getrennt. Bewußtsein wird immer als der Inhalt des Bewußtseins verstanden, weil wir mit unserem begrenzten Bewußtsein so funktionieren. Wir sehen nie Bewußtsein an sich, in seiner Reinheit.
Bewußtsein in seiner Reinheit sehen heißt das erfahren, was man „universelles Bewußtsein“ nennt, heißt den Geist als reines Bewußtsein erfahren. Wenn man den Geist als Bewußtsein erfährt, ist es auch Wissen, das Element des Wissens an sich. Entweder muß das individuelle Bewußtsein den Prozeß des Sterbens des Ego durchmachen und dann, wie beschrieben, als universelles Bewußtsein wiedergeboren werden, oder individuelles Bewußtsein muß sich ausdehnen, um universelles Bewußtsein zu werden. Es ist eher so, als erführe Raum den Raum, als daß jemand Raum erführe, und dieser ist grenzenlos. Es ist schwer zu beschreiben, was „universelles Bewußtsein“ oder was der „Geist als Bewußtsein“ bedeutet, weil es bzw. er keine Gedanken enthält. Sobald es Gedanken gibt, trennt einen der Inhalt von dem Bewußtsein. Es gibt keine Gedanken; euer Kopf fühlt sich ausgedehnt СКАЧАТЬ