Traumasensitive Achtsamkeit. David Treleaven
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Название: Traumasensitive Achtsamkeit

Автор: David Treleaven

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783867812702

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СКАЧАТЬ sich der verschiedenen Erfahrungsaspekte, also der Gedanken, körperlichen Empfindungen und Gefühle anzunehmen, Augenblick für Augenblick. Wie Nick erlebte, ist Achtsamkeit eine Fähigkeit, die uns dabei helfen kann, mit unserer inneren Welt präsent zu sein – auch wenn das, was wir dort vorfinden, erschütternd ist.

      Achtsamkeit ist auch ein sozialer Trend. Ursprünglich von Brahmanen genutzt, um vedische Schriften auswendig zu lernen, und später von buddhistischen Mönchen auf ihrer Suche nach Erleuchtung adaptiert, ist Achtsamkeit in letzter Zeit zu einem Teil der Mainstream-Konsumkultur geworden. Von Klassenzimmern bis hin zu den Büros von Großunternehmen – Achtsamkeit wird von einer Vielzahl an Menschen praktiziert und mitunter sogar als schnelle Hilfe gegen Stress vermarktet. In diesem Kontext ist es manchmal schwer, über Achtsamkeit zu sprechen, ohne selbstgefällig oder überheblich zu klingen. Die Anweisung, „einfach achtsam zu sein“, kann von Menschen, die an seelischem Schmerz leiden, als herablassend empfunden werden.

      Dies trifft besonders auf Traumaüberlebende zu. Wenn wir nicht aufpassen, kann die Einladung, achtsam zu sein, sich rücksichtslos über traumabedingte Furcht und Scham hinwegsetzen. Ich habe unzählige E-Mails von Traumaüberlebenden erhalten, die – obwohl sie offenkundig mit traumatischen Symptomen zu kämpfen hatten – von Achtsamkeitslehrern, denen offensichtlich ein tieferes Verständnis für Trauma fehlte, wiederholt den gleichen Rat erhalten haben: Nimm es mit auf dein Meditationskissen. Meditiere weiter. Diesen Lehrern fehlte es nicht an Anteilnahme, sondern sie unterschätzten meiner Meinung nach die Intensität eines nicht integrierten Traumas – und überschätzten gleichzeitig den Nutzen von Achtsamkeit.

      Schlimmstenfalls kann Achtsamkeit auch elitär wirken. Gerade wenn von ihr mit gedämpfter, betont ruhiger Stimme gesprochen wird, kann sie herablassend wirken – ganz besonders dann, wenn derjenige, der davon spricht, ein Mensch mit höheren sozialen Privilegien ist. Unbeabsichtigt kann dies dazu führen, dass die komplexen Realitäten von Trauma und Unterdrückung übergangen werden. Bei meinen Recherchen habe ich Geschichten von Traumaüberlebenden gehört, deren systemische Traumatisierung – zum Beispiel durch gnadenlose Homophobie oder Sexismus – ignoriert oder schlicht beiseite geschoben wurden. Diese Menschen wurden dazu ermutigt, Achtsamkeit zu nutzen, um anderen zu vergeben, ihre Herzen der Welt zu öffnen und die Dinge, so wie sie sind, zu akzeptieren. Auch in diesen Fällen wollten die Lehrer sicher keinen Schaden anrichten. Aber sie haben unabsichtlich die Erfahrung systemischer Unterdrückung, der diese Menschen ausgesetzt waren, einfach abgetan und so die Möglichkeit verschenkt, die erlittene Ungerechtigkeit anzuerkennen und sich mit ihr zu befassen.

      Gleichzeitig ist Achtsamkeit jedoch auch eine unentbehrliche Ressource für Traumaüberlebende. Wenn sie mit Unterscheidungsvermögen praktiziert wird, kann sie die eigene Fähigkeit, ein Trauma zu integrieren, erhöhen. Wie ich in diesem Kapitel zeigen werde, geschieht dies, indem Achtsamkeit Selbstregulation – also die Fähigkeit, unsere Emotionen, Gedanken und unser Verhalten zu regulieren – fördert.

      Während Trauma eine zutiefst dysregulierende Erfahrung ist – die uns häufig das Gefühl gibt, von unserem Körper getrennt zu sein und nichts unter Kontrolle zu haben –, kann Achtsamkeit dabei helfen, ein Gefühl der Handlungsfähigkeit zurückzuerlangen. Wir üben, unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren, mit uns selbst im Einklang zu sein und uns durch unsere stetig wechselnden Emotionen zu navigieren. In diesem Kapitel möchte ich am Beispiel von Nick mein Hauptaugenmerk darauf legen, in welcher Weise Achtsamkeit und Selbstregulation Traumaüberlebenden helfen können.

      Ich glaube, dass es für diejenigen von uns, die anderen Achtsamkeitsübungen anbieten, von Nutzen ist, die Vorzüge von Achtsamkeit bezogen auf Trauma zu kennen. Wenn ich mich hier mit diesem Thema befasste, zielt dies jedoch nicht darauf ab, Sie dahingehend auszustatten, dass Sie selbst als Traumatherapeut arbeiten können. Im Gegenteil, ich möchte Sie von der fixen Idee abbringen, dass das bloße Üben von Achtsamkeit ausreichend ist, um Traumatisierungen effektiv zu heilen. Als Achtsamkeitslehrer müssen wir der Versuchung widerstehen, Achtsamkeit zum Allheilmittel zu verklären oder in unserer Eigenschaft als Achtsamkeitspraktiker „automatisch“ zu wissen, was am besten für jemanden ist. Stattdessen glaube ich, dass unsere Aufgabe darin besteht, auf die Kraft und Komplexität von Traumata zu reagieren und zu lernen, was man tun kann, um die von einem Trauma betroffenen Kursteilnehmer und Klienten bestmöglich zu betreuen. Dazu gehört, dass wir uns über die vielen Dimensionen von Trauma – also die biologische, die psychologische und die soziale Dimension – weiterbilden und uns darüber informieren, welche Zusammenhänge es zwischen Trauma und Achtsamkeitsarbeit gibt. In Anbetracht der weiten Verbreitung von Traumata, auf die ich ja im letzten Kapitel eingegangen bin, ist diese Form der Selbstbildung essentiell, um Achtsamkeitsübungen auf eine sichere und transformative Art anbieten zu können.

      ACHTSAMKEIT DEFINIEREN

      Achtsamkeit ist eine moderne Übersetzung des Pali-Wortes sati. Pali ist eine Sprache indischen Ursprungs, die zur Zeit des Buddha gesprochen wurde. Der Begriff hat mehrere Bedeutungen: unter anderem „Präsenz des Geistes“, „Erinnerung“ und „klares Gewahrsein“. Die Definition von Achtsamkeit, die ich benutze, stammt von Jon Kabat-Zinn, einem Molekularbiologen, dessen bahnbrechende Forschungen zur Rolle von Achtsamkeit bei der Stressreduktion den Grundstein für ihre inzwischen beachtliche Popularität legte. Kabat-Zinn definierte Achtsamkeit als „bestimmte Form der Aufmerksamkeit, die absichtsvoll ist, sich auf den gegenwärtigen Moment bezieht und nicht wertend ist“. (1994, S.4)

      Lassen Sie uns diese Definition im Kontext der individuellen Formen von Trauma aufschlüsseln.

      Absichtsvolle Aufmerksamkeit

      Die erste Komponente von Achtsamkeit ist, absichtsvolle Aufmerksamkeit zu schenken. Gemeint ist, dass wir lernen, unsere Aufmerksamkeit absichtsvoll zu steuern und ausdauernd aufrechtzuerhalten. Es verhält sich ähnlich wie mit einer Taschenlampe, die man in einen dunklen Raum hält: ohne Achtsamkeit driftet unsere Aufmerksamkeit ziellos von einer Ecke zur anderen. Mit Achtsamkeit können wir die Taschenlampe jedoch gezielt auf bestimmte Punkte richten. Dies kann Aufmerksamkeit auf Empfindungen sein, die durch unseren Atem entstehen, oder es kann die Beobachtung unserer Emotionen beinhalten. Absichtsvolle, achtsame Aufmerksamkeit hilft, einen wandernden Geist zu zügeln.

      Traumatischer Stress hat weitreichende Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit. Menschen mit posttraumatischem Stress reagieren oft reflexartig auf traumarelevante Stimuli in ihrer Umgebung – besonders Geräusche, Gerüche oder Anblicke, die sie mit dem traumatischen Erlebnis assoziieren. Nick wurde bei jedem Mann bange, der seinem Vater ähnlich sah, und sein Körper versteifte sich. Dies ist einer der Gründe, weshalb Achtsamkeit im Kontext von Trauma so kraftvoll sein kann: Mit Übung können Traumaüberlebende lernen, ihre Aufmerksamkeit auf eine zielgerichtete Art zu lenken, die ihnen dabei hilft, innerlich stabil zu bleiben. Statt ihrer Aufmerksamkeit ausgeliefert zu sein, können sie so ihre „Taschenlampe“ stabilisieren und ein Gefühl der Handlungsfähigkeit und Kontrolle zurückgewinnen.

      Im gegenwärtigen Augenblick

      Das zweite Element von Kabat-Zinns Definition der Achtsamkeit ist, dem Augenblick Aufmerksamkeit zu schenken. Wir üben uns darin, unsere Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu verankern, statt uns in Gedanken über die Vergangenheit oder Zukunft zu verlieren. Dies ist in der Tat der einzige Moment, den wir haben – eine „fortlaufende Welle vorüberziehender Zeit“. (Gunaratana, 1996, S. 152) Wie die buddhistische Lehrerin Sylvia Boorstein schrieb: „Achtsamkeit ist die bewusste, ausbalancierte Aufmerksamkeit für die augenblickliche Erfahrung. Komplizierter ist es nicht. Man öffnet sich dem gegenwärtigen Augenblick oder empfängt ihn, als angenehm oder unangenehm, so, wie er ist.“ (1995, S. 60).

      Für Traumaüberlebende ist der Augenblick jedoch oft voll von Erinnerungen an die Vergangenheit. Wie Nick erfahren musste, können nicht integrierte Fragmente des Traumas – desorientierende Gedanken, qualvolle Erinnerungen oder irritierende physische Empfindungen – jederzeit in das Bewusstseinsfeld der Traumaüberlebenden СКАЧАТЬ