Название: Traumasensitive Achtsamkeit
Автор: David Treleaven
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783867812702
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Rassismus erweitert Trauma um eine weitere Dimension. Amerikanische Ureinwohner leben mit einer zweimal höheren Wahrscheinlichkeit als jede andere Gruppe, Vergewaltigung oder sexuelle Übergriffe erleben zu müssen.56 Afro- und Hispano-Amerikaner sind nachweislich einer höheren Rate an Trauma ausgesetzt als Weiße57, wobei Faktoren wie Rassismus zu dieser Ungleichheit beitragen.58 Schichtzugehörigkeit und Einkommen haben ebenfalls Einfluss darauf, wie sehr wir Trauma ausgesetzt sind: In einem 2014 veröffentlichten Bericht der Weltgesundheitsorganisation wird beschrieben, dass „Menschen mit schwächerem ökonomischem Hintergrund höhere Todesraten durch lebensgefährliche und nicht-lebensgefährliche Verletzungen haben als wohlhabende Menschen“.59 Forscher haben diese Diskrepanz verschiedenen Faktoren zugeschrieben, unter anderem der Tatsache, dass Menschen mit geringen Einkommen gezwungen sind, unsichere Arbeitsverhältnisse aufzunehmen, weniger Zugang zu Notfallversorgung haben und sich in weiten Teilen der Welt die Kosten für Rehabilitation und den Verlust ihrer Einkünfte nicht leisten können.
Was ich versucht habe, hier klarzumachen, ist, dass Trauma sowohl weitverbreitet als auch politisch ist. Wir leben innerhalb sozialer und ökonomischer Strukturen, die einerseits entworfen wurden, um Respekt, Sicherheit und Perspektiven für einige Gruppen zu schaffen und gleichzeitig andere systematisch vernachlässigen. Dies ist ein „Power over“-Modell, das das Leben und die Perspektiven jedes Einzelnen von uns prägt, selbst wenn wir altruistisch gesinnt sind. Um traumasensitiv arbeiten zu können, muss jeder von uns sich innerlich und äußerlich dafür engagieren, sich dieser verschiedenen Systeme bewusst zu werden.
ZURÜCK INS KLASSENZIMMER
Lassen Sie uns zu RJ zurückkehren. Am Ende seiner Unterrichtsstunde kehrte RJ von der Toilette zurück, wo er versucht hatte, sich von seinen Flashbacks abzulenken. Als die Schüler den Klassenraum verließen, trat Marc, der Achtsamkeitslehrer, an RJ heran. Er fragte, ob RJ einige Minuten für ein Gespräch habe.
Mit dem Gefühl, dabei nichts verlieren zu können, öffnete sich RJ. Er sprach freimütig über den Tod seiner Schwester und auch über seine Erfahrungen während der Meditation. Marc war berührt, weil ihm nicht bewusst gewesen war, wie viel Schmerz RJ mit sich herumtrug. Er erzählte RJ, dass er selbst vor einigen Jahren ein Geschwister durch Krebs verloren hatte und dass ihm Achtsamkeit durch diese Phase geholfen hatte. Sie erlaubte ihm, mit seiner Trauer präsent zu sein, statt sie von sich wegzuschieben.
Nachdem er seine eigenen Erfahrungen mit RJ geteilt hatte, fragte Marc, ob RJ eine begleitete Meditation ausprobieren wolle. Er konnte nun verstehen, weshalb die Gruppenmeditation für ihn ein Trigger gewesen war und wollte RJ etwas anbieten, was ihm eine Hilfe dabei sein konnte, mit dem Schmerz umzugehen. RJ nickte, und Marc bat ihn, seine Augen zu schließen und zu berichten, was er wahrnahm. RJ sagte, er könne das Gesicht seiner Schwester sehen und dass er fühlen konnte, wie es ihm den Magen umdrehte. „Schau, ob du für diese beiden Empfindungen neugierig bleiben kannst“, sagte Marc. „Versuche sie mit Wohlwollen zu untersuchen und versuche zu atmen und dich zu entspannen.“
Nach einigen Minuten öffnete RJ abrupt die Augen. Er verspürte große Angst und sagte dies Marc. „Natürlich“, entgegnete Marc empathisch. „Es ist gut, dass du das bemerken kannst. Schau, ob du es zulassen kannst, dass die Angst da ist, ohne sie zu werten.“
RJ schloss seine Augen, aber eine Minute später öffnete er sie wieder. Wenn er der Angst Aufmerksamkeit schenkte, schien sie zu wachsen und drohte ihn zu übermannen. Es war zu viel, um es aushalten zu können.
Er sah Marc an und sank voll Scham in sich zusammen. Er konnte nicht einmal dann meditieren, wenn ihm jemand dabei half. Er fühlte sich hilflos und am Boden zerstört. „Entschuldigung“, murmelte er und griff nach seiner Tasche.
Marc sprang auf, bevor RJ den Raum verlassen konnte. Er versicherte ihm, dass es mit der Zeit einfacher werden würde. Er sei da, um ihn zu unterstützen, was auch immer er brauche.
RJ hielt die Augen gesenkt und dankte Marc. Vor allem wollte er jetzt allein sein. Vor dem Klassenzimmer zog er seine Kopfhörer heraus. Obwohl es ihn schmerzte, hatte er sie behalten, um sich durch sie an seine Schwester erinnern zu können.
HÜRDEN BEI DER INTEGRATION
Erinnern wir uns: Wir können uns die Nachwirkungen von Trauma auf zweierlei Weise betrachten: Durch das Spektrum diagnostischer Beschreibungen oder durch die Linse der Integration. Lassen Sie uns für einen Moment zur Integration zurückkehren. Wieso stecken manche Menschen in traumatischen Symptomen fest, während andere in der Lage sind, das traumatische Erlebnis zu integrieren?
Dies ist die Eine-Million-Dollar-Frage, wenn es um Trauma geht. Wenn wir eine klare Antwort hätten, wären wir sehr viel erfolgreicher darin, Menschen mit PTBS bei der Heilung zu helfen.
In Kapitel 4 werde ich darauf eingehen, wie sich Trauma auf das Gehirn und den Körper auswirkt und auf welche Weise uns die Neurophysiologie zu wichtigen Erkenntnissen für die Integration verhilft. Jetzt aber möchte ich zwei Faktoren ansprechen, die für traumasensitive Achtsamkeit unmittelbar relevant sind.
Der erste ist Angst. Trauma kann dazu führen, dass uns unsere inneren Erfahrungen in Angst und Schrecken versetzen. Traumatische Erlebnisse bestehen bei den Traumaüberlebenden in Form von erstarrten Empfindungen und Emotionen fort. Verständlicherweise ängstigen sich Traumaüberlebende davor, diese Empfindungen erneut zu haben. Van der Kolk beschrieb dies folgendermaßen:
Traumatisierte … fühlen sich innerlich nicht sicher – ihr eigener Körper ist für sie zur Zeitbombe geworden. Für sie ist es nicht in Ordnung, sich so zu fühlen, wie sie sich fühlen, und zu wissen, was sie wissen, weil ihr Körper für sie zum Hort von Schrecken und Entsetzen geworden ist. Der zunächst äußere Feind hat sich in einen inneren Schrecken verwandelt. (Emerson & Hopper, 2012, S. 19)
Dies ist eine der eindringlichsten und tiefgreifendsten Belastungen von Trauma: gezwungen zu sein, fortwährend diese quälenden – oftmals verängstigenden – Empfindungen, die in einem weiterleben, aushalten zu müssen.
Stellen Sie sich also vor, was es daher für einen Traumaüberlebenden bedeutet, wenn man ihn bittet, seinen inneren Erfahrungen achtsame Aufmerksamkeit zu schenken. Sehr wahrscheinlich wird er sich mit nicht integrierten Überresten des Traumas konfrontiert sehen: Gefühle des Schreckens, der Hilflosigkeit und verstörende Erinnerungen und Bilder. Dies ist nicht automatisch eine schädigende Erfahrung, aber es kann ihn schnell überfordern. Traumaüberlebende haben aus gutem Grund Angst vor ihren inneren Erfahrungen. Selbst mit den besten Absichten können wir Achtsamkeitspraktiker nicht sicherstellen, dass Menschen sich erfolgreich durch ihr inneres Minenfeld hindurch navigieren.
Nehmen wir Marc, RJs Achtsamkeitslehrer. Achtsamkeit hatte ihm dabei geholfen, über den Krebstod seines Geschwisters hinwegzukommen, und es ist nachvollziehbar, dass er seine Verlusterfahrung auf RJs übertrug. RJ jedoch erlebte posttraumatischen Stress. Die Flashbacks, die Übelkeit und das Bedürfnis zu fliehen waren Anhaltspunkte dafür. Als ein Achtsamkeitslehrer, dem ein tieferes Verständnis von Trauma fehlte, war Marc nicht in der Lage, diese Symptome richtig zu erkennen oder ihnen effektiv zu begegnen. RJ hatte Angst vor dem, was da in ihm lebte und brauchte mehr, als Marc ihm bieten konnte. Einfach nur achtsam zu sein СКАЧАТЬ