Название: Unterm Fallbeil
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955520175
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«Bei meiner Schwägerin im Haus ist eine Frau bei lebendigem Leibe verbrannt, die war nachher so klein, dass man sie in einem Margarinekarton beisetzen konnte. Aber wenn hier eine schwere Luftmine einschlägt, dann reißt es uns die Lunge entzwei, und das ist dann ein leichter Tod.»
«Halt’s Maul, alte Kuh», brummte Kappe.
Der pensionierte Finanzbeamte aus dem zweiten Stock, der schon etwas wirr im Kopf war, flüsterte Kappe ins Ohr, dass er ihn bedauern würde.
«Warum denn das?»
«Na, wie wollen Sie denn heutzutage einen Mörder festnehmen? Die tragen doch alle Uniformen und werden für ihre Untaten noch mit einem Orden ausgezeichnet.»
Kappe verzog das Gesicht und flüsterte: «Eine solche Bemerkung kann Sie ins KZ bringen.»
«Wieso denn, ich meine doch die Tommies und die Amis oben in ihren Fliegenden Festungen, die uns die Bomben auf den Kopf werfen.»
Dann wurde es ernst, man hörte das Dröhnen der Flugzeugmotoren und registrierte den ersten Einschlag. Die Erwachsenen richteten sich auf und warteten mit angespanntem Körper auf das Unvermeidliche. Die Kinder weinten. Margarete presste ihre Tochter an sich.
Kappe sah zur Decke hinauf. Noch rieselte kein Kalk herab, noch vibrierte die Grundplatte ihres Hauses nicht. Jede Sekunde aber konnte …
Kappe versuchte, sich dadurch abzulenken, dass er an den Mordfall Irmgard Klodzinski dachte. Aber das fiel ihm schwer, weil sie bisher nur wussten, dass sie nichts wussten.
Da kam der Einschlag, die Explosion. Alles bebte und wankte, die Lampe an der Decke flackerte erst, dann erlosch sie ganz.
«Es ist aus mit uns!», schrie die Hauswartsfrau.
Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
An der Ostfront wiesen unsere tapferen Truppen auch gestern starke
Angriffe der Sowjets in schweren Kämpfen ab.
Im hohen Norden setzten schnelle deutsche Kampfstaffeln ihre Angriffe gegen den Transportverkehr auf der Murmanbahn fort und beschädigten drei Züge schwer.
In Italien kam es auch gestern im Landekopf von Nettuno außer beider seitiger Späh und Stoßtrupptätigkeit zu keinen wesentlichen Kampfhand lungen.
Bei Cassino griff der Feind infolge seiner hohen Verluste aus den Vortagen gestern nicht weiter an.
Deutsche Schnellboote führten in der vergangenen Nacht ein Unterneh men unter der englischen Küste trotz feindlicher Zerstörerangriffe plan mäßig und ohne Verluste durch.
Kappe schaltete die Goebbelsschnauze, den Volksempfänger, den Piossek mit ins Büro gebracht hatte, wieder aus. Was das Oberkommando der Wehrmacht nicht bekanntgab, war sein Überleben beim gestrigen Luftangriff. Drei Häuser weiter war die Sprengbombe eingeschlagen, und es hatte sechs Tote gegeben.
Es war, wie es war, und Kappe hielt sich an das, was einen guten deutschen Beamten ausmachte: Er sah sein Glück in der Pflichterfüllung. Also vergaß er die, die im Dienste töteten, und konzentrierte sich auf den einen privaten Mörder, der die Fahrkartenverkäuferin Irmgard Klodzinski erschlagen hatte. Mal zog er mit Gerhard Piossek, mal mit Gustav Galgenberg durch die Reichshauptstadt, um mehr über diese Frau zu erfahren. Anzufangen war im Hause Geisenheimer Straße 45, und da wollten sie zuerst mit der Hauswartsfrau reden.
«Wie heißt die noch mal?», fragte Kappe, dessen Namensgedächtnis nicht das Beste war.
«Lammkoth …», antwortete Galgenberg, «… äh … Kammloth!» Hildegard Kammloth war ebenso herb wie übergewichtig und genau der Typ von Frau, vor dem Kappe Angst hatte. So klang seine Stimme fast piepsig, als er sie nach Auffälligkeiten im Leben der Ermordeten fragte.
Die Kammloth zuckte mit den Schultern. «Viel weiß ich nicht über sie.»
Kappe lächelte. «Hauswartsfrauen wissen doch immer alles.»
«Nur, dass sie geschieden ist. Ihr Mann ist aber immer wieder mal hier aufgekreuzt und hat ihr was zu Essen gebracht. Der is Kellner irgendwo. Manchmal war auch ihre Schwester da, die Margot.»
«Und wat is mit den Männern?», wollte Galgenberg wissen.
«Die war’n immer hinter ihr her.»
«Und wer genau?», hakte Kappe nach.
«Alle, die noch …» Sie brach ab und deutete an, dass sie nun rot werden müsse. «Die meisten Männer hier aus’m Haus stehen ja im Felde.»
«Und wer nicht?», wollte Galgenberg wissen.
Die Kammloth druckste eine Weile herum, dann ließ sie sich aber doch zwei Namen entlocken: Walter Arndt und Erwin Reschke. «Die wollten immer mit ihr ins Bett, sie aber nicht mit ihnen.»
Galgenberg nickte. «Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.»
«Sie sagen es, Herr Kommissar.»
Walter Arndt war der Blockleiter und Kappe höchst zuwider. Ein Blockleiter hatte um die fünfzig Haushalte zu überwachen, und seine Aufgaben waren von der NSDAP klar umrissen: Der Hoheitsträger muss sich um alles kümmern. Er muss alles erfahren. Er muss sich überall einschalten. Er hatte unter anderem Judenfreunde zu melden, Unmutsäußerungen über das Regime zu notieren und darauf zu achten, dass die Mieter bei offiziellen Anlässen eine Hakenkreuzfahne aus dem Fenster hängten und keine Feindsender abhörten. Bei Kappe war der Blockleiter in die Wohnung gekommen und hatte einen Zettel an seinen Rundfunkempfänger geklebt: Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet. Denke daran!
Dieser Walter Arndt sah vergleichsweise harmlos aus, und wahrscheinlich sagten seine Enkelkinder von ihm, dass er der liebste Opa auf der Welt sei.
«Was wissen Sie denn vom Umgang der Klodzinski?», lautete Kappes erste Frage an ihn.
Der Blockleiter musste nicht lange nachdenken. «Sie war langjähriges Mitglied der NSDAP, hat fleißig fürs Winterhilfswerk gesammelt, Lebensmittelkarten verteilt und bei uns im Haus streng darauf geachtet, dass der Eintopfsonntag eingehalten wird.»
«Dafür werden sie nicht alle jeliebt ham», merkte Galgenberg an. «Aber das ist doch noch keen Grund, jemanden zu erschlagen.»
Kappe ging dazwischen, um Galgenberg zu bremsen. «Hatte sie denn hier im Haus Verehrer, die aber bei ihr nicht zum Zuge gekommen sind?»
«Nur den Reschke», kam die Antwort, für Kappe ein wenig zu schnell.
Der Rentner Erwin Reschke, von Hause aus Buchhalter und wohl knapp über siebzig Jahre alt, schien in der Tat ein Lüstling zu sein, denn in seinem Bücherschrank entdeckte Kappe einiges an erotischer Literatur aus der Weimarer Zeit, darunter Bände mit Aktfotos.
«Sie leben allein?», begann Kappe das übliche Frage- und Antwortspiel.
«Ja, meine Frau ist vor drei Jahren gestorben.»
Galgenberg fixierte ihn. «Aber ein Mann nimmt seine Potenz mit ins Grab, das wissen СКАЧАТЬ