Unterm Fallbeil. Horst Bosetzky
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Название: Unterm Fallbeil

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520175

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СКАЧАТЬ für ihre Taten noch befördert wurden? Um ihrer Diskussion ein Ende zu bereiten, sprang er schließlich aus dem Mordauto und lief nach oben. Seiner Meinung nach musste Geisenheim irgendwo am Rhein liegen, und zwar da, wo Wein angebaut wurde. Also begann er, im Wilmersdorfer Rheingauviertel zu suchen. Und richtig, die Geisenheimer Straße begann am Rüdesheimer Platz und reichte bis zur Kreuzung der Laubacher mit der Kreuznacher Straße hinunter. Sie konnten sich also auf den Weg machen.

      Es dauerte eine Weile, bis sie von der Kaiserallee in den Südwestkorso abbiegen konnten und über die Wiesbadener Straße zum Rüdesheimer Platz gelangten.

      «Eine noble Gegend hier», meinte Kappe. «Das wäre was für Klara.» Und er hätte fast hinzugefügt: nach dem Krieg. Dieses «nach dem Krieg» beherrschte sein Denken immer stärker, und manchmal spottete er über sich selbst: Als ob es ein Leben nach dem Tode geben würde! Blieben Glaube und Hoffnung …

      Die Straßen südlich des Rüdesheimer Platzes waren durch kompakte Neubaublöcke geprägt. Es gab keine einzelnen, individuell gestalteten Häuser, sondern durchgehende Zeilen mit fünfgeschossigen Putzbauten, deren Fassaden durch Loggien und Erkervorbauten gegliedert waren. Zudem hatte man die Sockel, teilweise auch die Erdgeschossflächen, die Treppenhäuser und die Brüstungen der Loggien mit braunroten Klinkern verblendet. Kappe wusste nicht genau, ob er das schön oder langweilig finden sollte.

      Sie hielten vor der Hausnummer 45, wo zwei ältere Schutzpolizisten bereits ungeduldig auf sie warteten. Kappe sprang als Erster aus dem Mordauto und begrüßte die beiden. Der bloße Tatbestand war schnell ermittelt: Eine Mieterin hatte in ihrem Kellerverschlag ein Blutrinnsal entdeckt und war daraufhin schreiend zur Hauswartsfrau gelaufen. Die hatte festgestellt, dass das Blut aus dem Keller der 36-jährigen Irmgard Klodzinski kam. Die beiden Frauen hatten angenommen, dass die Fahrkartenverkäuferin Selbstmord begangen hatte. Seltsamerweise war jedoch die Tür zu Klodzinskis Kellerverschlag mit einem völlig intakten Vorhängeschloss gesichert. Die Mieterin war sodann zur Polizei gelaufen, die den Kellerverschlag aufbrechen ließ und feststellte, dass die Klodzinski erschlagen worden war. Die riesige Platzwunde am Hinterkopf sagte alles.

      Kappes Schlussfolgerung war klar und eindeutig. «Es muss sie also jemand erschlagen haben, als sie im Begriff war, etwas aus ihrem Keller zu holen, und sie dann dort eingeschlossen haben.»

      Ein Raubmord schien ausgeschlossen, denn in der Wohnung der Klodzinski schien nichts durchwühlt oder gestohlen worden zu sein.

      «Dann fangen wir mal an, die Leute zu befragen», sagte Kappe. Doch daraus wurde nichts, denn als sie mit der Hauswartsfrau beginnen wollten, gab es Fliegeralarm, und sie mussten in einen Luftschutzbunker eilen.

      Im Frühsommer 1943 hatten die schweren Bombenangriffe auf Berlin begonnen, und mit Beginn des Jahres 1944 ging es Schlag auf Schlag. Am 20. Januar hatten mehrere hundert Bomber Berlin angegriffen, am 31. Januar hatten die Luftangriffe Spandau und dem Flughafen Staaken gegolten, und in der Nacht vom 15. auf den 16. Februar sollte es den bisher größten Angriff der Royal Air Force geben, bei dem über achthundert Bomber 2643 Tonnen Spreng- und Brandbomben abwarfen.

      Hermann Kappe war im Polizeipräsidium zum Luftschutzdienst abkommandiert worden und hatte mindestens einmal im Monat Luftschutznachtwache zu schieben. In diesen Zeiten war er von seiner Frau getrennt, was seine Ängste nur noch schürte. Es gab zwar direkt vor der Haustür den Tiefbunker unter dem Alexanderplatz, aber er hatte im Dienstgebäude zu bleiben, um einen etwaigen Brand sofort löschen zu können. Er hatte sich, um den braunen Eiferern keine weitere Angriffsfläche zu bieten, auch freiwillig gemeldet, als es darum gegangen war, den Luftschutzwart für das Mietshaus in der Großen Frankfurter Straße zu bestimmen. Dazu hatte er verschiedene Schulungsabende besuchen müssen und einiges gelernt.

      «Wir unterscheiden im Wesentlichen erstens Sprengbomben, die durch Erdstoß, Luftdruck, Luftsog und Splitterwirkung die umliegenden Häuser beschädigen, zweitens Brandbomben, drittens Splitterbomben und viertens Bomben mit chemischen Kampfstoffen. Und darum gilt … Alle!»

      «Die Volksgasmaske muss stets griffbereit sein!»

      «Richtig! Der Luftschutzraum im Keller bietet Schutz gegen Luftdruckwirkung, Bombensplitter und Mauertrümmer. Darum … Alle!»

      «Bei Luftalarm immer Ruhe und Überlegung bewahren!»

      Die erste Initiative der Luftschutzwarte habe der Entrümpelung des Dachbodens zu dienen. «Alles Brennbare ist zu entfernen!»

      «Wie denn?», hatte Kappe gemurmelt. «Dann muss ich ja auch die Dachbalken zersägen und abtransportieren … Aber wer hält dann bis zum Endsieg die Ziegel?»

      Nach erfolgter Schulung hatte er eine Armbinde bekommen: hellblau mit weißem Randstreifen und einem weißen Kreis. Mit seinen Laienhelferinnen hatte er als Erstes den Hausboden mit Feuerlöscheimern, Wasserbehältern, Feuerpatschen, Sand und Eimereinstellspritzen ausgestattet.

      Als in dieser Nacht erneut die Sirenen heulten und Voralarm gegeben wurde, ging es bei ihm besonders hektisch zu, denn Margarete und Marlies schliefen bei ihnen.

      «Schnell in den Keller runter!» Karl-Heinz konnte ihnen nicht zur Hand gehen, denn er war Flakhelfer und musste sich beeilen, um rechtzeitig in seiner Stellung zu sein. Er wollte schon die Treppen hinunterspringen, da schrie er auf: «Seid ihr wahnsinnig geworden? Welcher Idiot hat denn im Wohnzimmer den Vorhang nicht zugezogen? Und du, Vater, willst Luftschutzwart sein? Anzeigen müsste man dich!»

      «Und dann kurzer Prozess», murmelte Kappe. Aber sein Sohn hatte ja recht. Jeder Verstoß gegen die Verdunkelungsverordnung vom 23. Mai 1939 wurde hart geahndet, unterstellte man doch jedem, der einen Lichtstrahl nach außen dringen ließ, den alliierten Bomberpiloten damit zeigen zu wollen, wohin sie zu zielen hatten.

      Kappe kleidete sich in aller Eile an und holte das Luftschutzgepäck aus der Abstellkammer. Dazu gehörten die wichtigsten Papiere und vor allem die Lebensmittelkarten. Als seine Enkeltochter angezogen war, heftete er ihr Leuchtplaketten an den Mantel. Alle trugen sie. Ihr schwacher Schein sorgte im Dunkel dafür, dass man mit niemandem zusammenstieß. Während seine Familie nun in den Luftschutzkeller eilte, öffnete er in der ganzen Wohnung die Fenster und fixierte sie mit den Haken, die sich unten an den Wasserschenkeln befanden, damit sie bei einem Bombeneinschlag nicht aus dem Rahmen flogen. Dann sprang er ins Treppenhaus und bummerte gegen die Türen der Mieter, die partout nicht in den Luftschutzkeller wollten.

      «Frau Böse, wenn wir einen Volltreffer abkriegen, ist es aus mit Ihnen!»

      «Das ist doch das Beste, was einem passieren kann.»

      Kappe konnte sie nicht zwingen. Er rannte zum Dachboden hinauf, um zu sehen, ob dort alles in Ordnung war. Er öffnete eine Luke und steckte den Kopf hinaus. So prachtvoll hatte er den Sternenhimmel über Berlin noch nie gesehen. Doch es war ein Himmel ohne Gefühl und ohne Gnade. Eiskalt nahm er alles hin, was gleich geschehen sollte: das hundertfache Sterben. Wieder heulten die Sirenen, diesmal Vollalarm. Im Westen tauchten die ersten englischen Bomber auf und setzten ihre «Tannenbäume», damit die nachfolgenden Kameraden in ihrem Licht die Gebäude ausmachen konnten, auf die sie ihre Bomben werfen sollten. Die Lichtfinger der deutschen Scheinwerfer suchten die Flugzeuge zu erfassen, die Flak begann zu feuern. Kappe machte, dass er in den Keller kam. Dessen Decke hatte man mit Betonbalken und -pfeilern verstärkt, außerdem konnte man, sollte es einen Volltreffer geben, durch Mauerdurchbrüche in die Keller der beiden Nachbarhäuser gelangen.

      Die Mieter saßen auf alten Wohnzimmerstühlen, Korbsesseln und einem Sofa, durch dessen roten Samtbezug die Sprungfedern schauten. Die einen dösten vor sich hin, die anderen hielten einen kleinen Plausch, als hätten sie sich in Friedenszeiten mitten auf dem Alex getroffen, die dritte Gruppe starrte gegen die weiß gekalkte СКАЧАТЬ