Unterm Fallbeil. Horst Bosetzky
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Unterm Fallbeil - Horst Bosetzky страница 3

Название: Unterm Fallbeil

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520175

isbn:

СКАЧАТЬ Trauerfeier ist eine Feier!» Während seine Frau und seine Mutter in der Küche mit den letzten Vorbereitungen zu tun hatten, saß er im Wohnzimmer in seinem Lieblingssessel, genoss die Ruhe vor dem Sturm und blätterte im Völkischen Beobachter, dem «Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands». Er hatte es zum Selbstschutz abonniert. Viel Erbauliches gab es nicht. Der Führer ehrt die tapfere Berliner Bevölkerung: Ritterkreuze für die Reichshaupt stadt. Gauleiter Reichsminister Dr. Goebbels hatte dem Gaustabsamtsleiter Gerhard Schach und dem Berliner Polizeipräsidenten, SA-Gruppenführer Wolf Heinrich Graf von Helldorff, das Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz verliehen. Der eine war 1928 in die NSDAP eingetreten, der andere schon 1925. Kappe seufzte. Was hätte aus ihm werden können, wenn er dem Rat seines Onkels Richard Börnicke gefolgt und auch zu den Nazis gestoßen wäre … Heldenhafter erfolgreicher Widerstand gegen sowjetische Durchbruchsversuche. Kappe musste an Martin denken, seinen Neffen, der stand an der Ostfront, im Raum von Schaschkow.

      Goebbels hatte Reichsminister Dr. Seyß-Inquart zum Präsidenten der Deutschen Akademie gemacht und eine große Rede geschwungen: «Die deutsche Sprache ist ein scharf geschliffenes Schwert zur geistigen Verteidigung der Nation.» Kappe dachte an seinen Kollegen Gustav Galgenberg, der so stark berlinerte, dass man es schon als Widerstand gegen Goebbels deuten konnte. Vielleicht mussten sie alle Englisch, Französisch und Russisch sprechen, wenn die Deutschen den Krieg verloren hatten. Postleitzahlen nicht vergessen. Endlich einmal eine Überschrift, die ihm nicht sauer aufstieß. Es klingelte.

      Trampe erschien als erster Gast in der Großen Frankfurter Straße und hatte neben einem kleinen Geschenk, Hermann Stresaus historischem Roman Adler über Gallien, auch ein paar Flüsterwitze mitgebracht. «Hitler und sein Chauffeur überfahren eine Sau. Der Fahrer rennt zum Bauern, kommt erst nach Stunden wieder, sturzbetrunken und beschenkt mit Würsten und Schinken.

      ‹Was hast du ihm gesagt?›, fragt Hitler. Der Fahrer: ‹Heil Hitler, das Schwein ist tot! Da haben sie mich eingeladen.›»

      «Pst!», machte Kappe, denn immer öfter kamen Volksgenossen, die gegen die Nationalsozialisten gerichtete Witze erzählten, ins KZ und mussten den kleinen Spaß mit dem Leben bezahlen.

      Doch Trampe ließ sich nicht aufhalten. «Ein verwundeter Soldat bittet als Sterbender, die noch einmal zu sehen, für die er sterben müsse. Als man daraufhin das Bild des Führers rechts und das Bild des Reichsmarschalls Hermann Göring links neben ihn stellt, sagt er: ‹Jetzt sterbe ich wie Christus: zwischen zwei Verbrechern.›»

      Kappes Lächeln war etwas gequält. «Sei bloß vorsichtig nachher, denn es werden ein paar Verwandte da sein, die dich sofort anzeigen, wenn sie so etwas hören.»

      «Warum hast du dir keine anderen ausgesucht?», fragte Trampe, merkte aber sofort, dass er den Freund mit seinen Scherzen kaum aufheitern konnte.

      Bertha Kappe kam ins Wohnzimmer, um den Kaffeetisch zu decken. Nach dem Tod ihres Mannes war sie zu ihrem Sohn Hermann nach Berlin gezogen, weil es ihr in Wendisch Rietz zu langweilig geworden war. Mit dem Beginn der Bombenangriffe hatte sie sich jedoch schnell wieder in den Zug Richtung Scharmützelsee gesetzt. Den Geburtstag ihres Sohnes aber hatte sie nicht versäumen wollen. 78 Jahre alt war sie jetzt und hatte vom Land so viel an Wurst, Schinken, Mehl und Butter mitgebracht, dass der Kaffee- und der Abendbrottisch viel reichhaltiger gedeckt waren als sonst üblich und den allgemeinen Mangel fast vergessen ließen.

      Der große Wohnzimmertisch war ausgezogen worden, das heißt, man hatte den Mittelteil aus dem Keller geholt und zwischen die beiden halbrunden Hälften gesetzt. Außerdem war der Tisch mit der aus den Angeln gehobenen Schlafzimmertür, die auf einem Tischlerbock ruhte, um einiges verlängert worden, so dass die Erwachsenen, die in die Große Frankfurter Straße kamen, alle Platz fanden. Die Stühle reichten nicht, und die Jüngeren mussten sich mit einem Hocker oder einem umgedrehten Eimer begnügen – was die Sache aber umso gemütlicher machte.

      Nacheinander trudelten die anderen Gäste ein. Den Anfang machten seine Tochter Margarete und seine Enkelin Marlies.

      Die Dreijährige hatte für den Opa ein schönes Bild gemalt.

      «Das ist der Mützelsee, wo du ins Wasser gefallt bist.»

      Hermann Kappe bedankte sich und fragte, wo denn ihr Papa sei.

      Die Kleine zeigte zum Kronleuchter hinauf. «Der macht, dass der Licht bei dir brennt.»

      Hermann Kappe nickte. Sein Schwiegersohn arbeitete als Elektriker bei der Bewag und hatte Schichtdienst.

      Die nächsten Gäste kamen im Konvoi: sein Bruder Oskar, der mit Tabakwaren handelte und bislang ganz gut über die Runden gekommen war, mit Frieda, seiner Frau, sowie Sohn und Schwiegertochter. Otto Kappe war ein Kollege bei der Kriminalpolizei, und seine Frau Gertrud arbeitete jetzt in der Fabrik, in der sie Scho-Ka-Kola herstellten, von allen als Fliegerschokolade bezeichnet, da sie Bestandteil der Luftwaffenverpflegung war. Als Geschenk hatte sie ein halbes Dutzend Büchsen davon mitgebracht.

      «Damit du immer frisch und munter auf Draht bist, wenn du deine Mörder jagst.»

      Das, was ihm auf der Zunge lag, schluckte Hermann Kappe hinunter, denn in der Wohnungstür tauchte in diesem Augenblick sein Onkel Richard Börnicke auf, geführt von seiner Tochter Hertha.

      «Heil Hitler!», rief Richard Börnicke. «Wir treten an zum Gratulieren!»

      Als Letzte trafen seine Schwester Pauline und sein Neffe Max in der Großen Frankfurter Straße ein.

      «Macht mal, der Kaffee wird kalt!»

      Bertha Kappes Kuchen und Torten ließen alle an die seligen Vorkriegszeiten denken. Laut sagte das aber keiner, denn es gab einige überzeugte Nazis unter Kappes Gästen.

      Der Obernazi war in Kappes Augen sein Onkel Richard Börnicke, der Lebensmittelhändler en gros & en detail, der Haus und Garten in Hoppegarten an einen Wehrmachtsgeneral verpachtet hatte und mit seiner Tochter Hertha in einer Villa in Lichterfelde lebte, um es nicht so weit zu seiner Frau zu haben, die mit einer schweren Lungenerkrankung in einer Privatklinik in Wannsee lag.

      «Meinst du denn, Richard, dass wir den Krieg wirklich noch gewinnen?», wollte Bertha Kappe von ihm wissen.

      Trotz seiner nun schon 85 Jahre hieb Richard Börnicke mit einer solchen Kraft auf den Tisch, dass bei allen der Kaffee aus der Tasse schwappte. «Ich verbitte mir eine solche Frage! Das ist schon … das ist …» Das richtige Wort wollte ihm nicht einfallen. Deshalb gab er schnell das wieder, was er in Goebbels Sportpalastrede aufgeschnappt hatte: «Der endgültige und totale Sieg der deutschen Waffen ist sicher! Das deutsche Volk ist entschlossen, das Letzte herzugeben für den Sieg, und will aus ganzem Herzen den totalen Krieg. Und die Heimat steht mit starker, unerschütterlicher Moral hinter der Front und gibt ihr alles, was sie zum Siege nötig hat.» Auch die letzten Worte des Reichspropagandaministers kannte er auswendig: «Der Führer hat befohlen, wir werden ihm folgen. Wenn wir je treu und unverbrüchlich an den Sieg geglaubt haben, dann in dieser Stunde der nationalen Besinnung und der inneren Aufrichtung. Wir sehen ihn greifbar nahe vor uns liegen; wir müssen nur zufassen. Wir müssen nur die Entschlusskraft aufbringen, alles seinem Dienst unterzuordnen. Das ist das Gebot der Stunde. Und darum lautet von jetzt ab die Parole: Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!»

      Hermann Kappe musste sich sehr zusammennehmen, um nicht aufzuspringen und seinen Onkel achtkantig rauszuschmeißen. Auch Theodor Trampe litt unsäglich und presste unter dem Tischtuch seine Hände derart stark zusammen, dass die Knochen und Gelenke hörbar knackten. Die meisten Gäste ließen Börnickes Worte reglos über sich ergehen und widmeten sich angestrengt ihrer Torte, zwei junge Männer aber klatschten Beifall: Kappes Neffe СКАЧАТЬ