Schatten über Adlig-Linkunen. Dieter Janz
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Название: Schatten über Adlig-Linkunen

Автор: Dieter Janz

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783944224008

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СКАЧАТЬ Überhaupt wurde sie sich jetzt über ihr Äußeres im Klaren: seit zwei Tagen ungewaschen, die Kleidung völlig durcheinander, die Haare zerzaust. Aber das alles durfte jetzt keine Rolle spielen, Hauptsache war, dass sie nach Hause konnte, dass sie frei war. Es würde noch genügend Zeit kommen, um ausgiebig zu baden. Bei dem Gedanken an eine vernünftige Mahlzeit verdrängte sie ihr Erscheinungsbild in die hinterste Ecke ihres Gehirns. Bouffier und Hinrich halfen Anna vorsichtig in den Sattel, Hinrich führte nun das Pferd, bis sie einen Weg erreichten. Hier wollte Bouffier sich gerade von ihnen trennen, um vorauszureiten, als sie das Geräusch von Pferdehufen hörten. Die beiden Polizisten zogen sofort ihre Pistolen. Annas Pferd wurde zur Seite in den Wald geführt, um sie außer Schusslinie im Falle eines Feuergefechtes zu bringen. Das Geräusch kam von vorne immer näher und plötzlich tauchte vor ihnen in etwa 300 Fuß oder ca.100 Meter Entfernung eine zweispännige Kutsche auf. Man konnte sofort erkennen, dass sie aus dem Fuhrpark Adlig-Linkunen stammte, das Wappen an den Türen war nicht zu übersehen. Die Erleichterung bei Anna und ihren beiden Begleitern war riesig, die Polizisten steckten ihre Waffen wieder in die Halfter und warteten, bis das Fahrzeug sie erreicht hatte. Die Szene, die sich jetzt abspielte, war durch nichts zu überbieten. Als Friedrich aus der Kutsche blickte und seine Tochter erkannte, war der sonst so besonnene und ruhige Mann nicht mehr zu halten. Noch bevor das Gefährt völlig zum Stillstand kam, riss er die Tür auf, sprang heraus, wobei er beinahe gefallen wäre und rannte auf Anna zu. Diese ließ sich jetzt langsam vom Pferd gleiten und als Friedrich sie erreicht hatte, drückte er sie wortlos fest an sich; er wollte sie scheinbar nicht mehr loslassen, als hätte er Angst, sie wieder verlieren zu können. Die anderen sprachen ebenfalls kein Wort und hatten ihre Blicke auf Vater und Tochter gerichtet. Es war still, doch plötzlich hörte man Schluchzen, freudiges Schluchzen, das nicht nur von Anna kam. Friedrich kullerten ebenfalls Tränen der Freude und Erleichterung über die Wangen. Das Ganze schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis die beiden sich wieder voneinander lösten und Friedrich seine Tochter vorsichtig zur Kutsche führte. Sie hatten immer noch kein Wort miteinander gesprochen.

      Die Erleichterung auf dem Gut Adlig-Linkunen war deutlich zu spüren, von den Herrschaften bis hin zum kleinsten Dienstboten. Annas Befreiung sprach sich genauso schnell herum wie vorher ihre Entführung.

      Wie erwartet, traf am Abend Hannes auf dem Gut ein und vernahm ebenfalls mit großer Beruhigung das Ende des Entführungsdramas.

      Nur Bouffiers Gefühle waren zwiespältig; einerseits war er natürlich froh, dass Anna körperlich unversehrt wieder zu Hause war, andererseits konnte er mit seiner Arbeit als Polizist nicht zufrieden sein. Er hatte keinerlei Anhaltspunkte, wer die Entführer sein mochten; es gab keine Hinweise, wo Anna festgehalten worden war.

      Am Tag nach Annas Freilassung versuchte er behutsam, sie zu verhören; aber viel konnte sie zur Klärung des Verbrechens nicht beitragen. In Anwesenheit von Wilhelm-Antonius, Hannes und dem Butler erzählte Anna Bouffier den Ablauf der Geschehnisse: „Ich habe keinen der Entführer je zu Gesicht bekommen. Da man mir anfänglich die Augen verbunden hatte, weiß ich nicht einmal die Richtung zu nennen, wohin man mich verschleppte. Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht sehr dienlich sein.“

      „Ihre Rolle“, warf jetzt Wilhelm-Antonius Kokies ein, „war auch nicht gerade rühmlich, Bouffier. Sie haben nicht einmal den Versuch unternommen, die Verfolgung aufzunehmen. Die Verbrecher konnten ungehindert entkommen!“

      „Ich bin mir dessen vollkommen bewusst“, erwiderte dieser und überlegte, was er zu seiner Verteidigung vorbringen könnte, als Hannes das Wort ergriff: „Das finde ich nicht! Herr Bouffier hatte keine andere Wahl. Um die Verbrecher verfolgen und schließlich festsetzen zu können, hätte er mehrere Männer gebraucht. Ihr habt doch gesagt, dass es eine Forderung der Entführer gab, die Geldübergabe durch eine einzelne Person durchführen zu lassen. Das heißt doch, dass Anna in allerhöchster Lebensgefahr geschwebt hätte, wenn sie nur Wind davon bekommen hätten, dass sich im Hinterhalt eine berittene und bewaffnete Eskorte befindet. Auf jeden Fall wäre Annas Freilassung schiefgegangen!“

      „Nun ja, vielleicht hast du Recht“, lenkte Wilhelm-Antonius ein. „Außerdem hatte ja keiner von uns damit gerechnet, dass Anna direkt freigelassen wird.“

      Bouffier nahm die Einlassung von Hannes dankbar auf, aber sein Schuldbewusstsein nahm keinesfalls ab. Als die Vernehmung von Anna abgeschlossen war, fasste er zusammen; „Sehr viele Anhaltspunkte haben wir in der Tat nicht. Aber einige Dinge können wir feststellen: erstens kannten die drei Entführer weder Anna noch Maria persönlich, denn sonst wäre es nicht zu der Verwechslung gekommen. Zweitens müssen die Täter aus der Gegend von hier kommen, zumindest einer von ihnen, denn sie kannten sich wohl bestens hier aus. Und drittens befürchte ich, dass sie einen Mittäter unter dem Personal von Adlig-Linkunen hatten. Wie sonst konnte ein Schreiben unbemerkt in das Verwalterhaus gelangen? Ein Fremder hätte das Risiko der Entdeckung auf sich nehmen müssen. Aber jemand von hier, sei es ein Forstarbeiter oder ein Dienstbote, erweckt keinen Argwohn, wenn er sich hier frei bewegt.“

      „Sie meinen, hier irgendwo bei den Angestellten des Guts gibt es einen Komplizen?“, fragte Hannes. „Aber dieser hätte doch dann die Entführer über die Verwechslung informieren können!“

      „Nur, wenn während der Entführung und der Geiselhaft Annas Kontakt zwischen ihnen bestanden hätte. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es einen solchen Kontakt nicht gegeben hat und der Ablauf des Verbrechens vorher detailliert abgesprochen war. Sobald die Entführung in Adlig-Linkunen bekannt wurde, sollte wohl diese Person das Schreiben deponieren. Auf diese Weise vermieden die Verbrecher einen direkten Kontakt zwischen uns und ihnen. Eine solch raffinierte Planung verrät uns auch, dass die Schurken nicht dumm sind. Aber mit der Verwechslung der beiden Damen haben sie schon einmal einen Fehler gemacht, irgendwann werden sie vielleicht wieder einen machen und sich damit verraten, sei es durch verschwenderische Geldausgabe oder sich Verplappern im Bekanntenkreis.“

      Damit beendete Bouffier seine Ausführungen und die Runde wurde aufgelöst. Hannes und Bouffier verließen gemeinsam das Arbeitszimmer von Wilhelm-Antonius, wo die Vernehmung stattgefunden hatte. Vor der Tür wandte sich der Polizist an Hannes: „Ich danke Ihnen für meine Verteidigung, Herr Kokies, aber Ihr Vater hatte durchaus Recht. Meine Rolle war wirklich nicht gerade rühmlich.“

      „Unsinn“, antwortete Hannes. „Das, was ich gesagt habe, habe ich auch so gemeint. Ich an Ihrer Stelle wäre stolz auf Ihr umsichtiges Handeln. Und Ihre Ausführungen und Rückschlüsse bezüglich des Verbrechens waren sehr eindrucksvoll. Ich finde, Sie haben durch Ihr logisches Vorgehen schon mehr herausgefunden, als ich erwartet habe.“ Er machte eine Pause, während er Bouffier zum Ausgang begleitete. Kurz vor dem Erreichen des Hauptportals fuhr er fort: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie Ihr Möglichstes tun werden, um das Verbrechen aufzuklären. Übrigens, mein Name ist Hannes, eigentlich Johannes, aber meine Freunde nennen mich Hannes. Wenn Sie nichts dagegen haben, können wir uns duzen; wie heißen Sie mit Vornamen?“

      Bouffier war völlig überrascht von Hannes Vorschlag. Aber weil ihm der unkomplizierte junge Gutsherr auf Anhieb sympathisch gewesen war, nahm er den Vorschlag gerne auf. „Ich habe nichts dagegen einzuwenden; wenn wir uns keinen Bruderschaftskuss geben müssen! Ich heiße Peter.“

      Lachend verabschiedeten sich die beiden voneinander mit den Worten von Hannes: „Ich werde noch eine Zeit auf Adlig-Linkunen verweilen. Wir bleiben in Verbindung.“

      Bouffier wurde in einer Droschke des Gutes nach Hause gefahren, und er freute sich auf Elisabeth. Während der Heimfahrt löste sich langsam seine Anspannung, und er wäre beinahe eingeschlafen.

      November 1887

      Bezüglich der Aufklärung des Entführungsfalles tat sich in der folgenden Zeit nicht allzu viel, obwohl Bouffier und Hinrich mit Nachdruck daran arbeiteten. Der Polizeileutnant traf sich des Öfteren СКАЧАТЬ