Название: Schatten über Adlig-Linkunen
Автор: Dieter Janz
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783944224008
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Wilhelm-Antonius Kokies würde also am nächsten Tag die beiden Polizeibeamten bitten lassen, nach Adlig-Linkunen zu kommen. Die Krisensitzung in Kokies Arbeitszimmer wurde aufgelöst, Friederike rief nach der Haushälterin und bat sie, sich um Berta zu kümmern, während sie sich selbst ihrer Tochter zuwandte; auch der Butler schickte sich an, das Arbeitszimmer zu verlassen.
„Ach, Friedrich bleiben Sie doch noch einen Moment hier, ich möchte noch unter vier Augen mit Ihnen reden“, sagte jedoch Kokies und bat ihn, Platz zu nehmen.
Der Butler war eine stattliche Erscheinung, recht groß, breitschultrig und mit vornehmem, fast edel wirkendem Gesicht. Sein Haar war dunkel und noch voll. Er hatte stets eine gerade Haltung, nicht steif, sondern eher würdevoll. Aber jetzt bot sein Erscheinungsbild einen völlig anderen Anblick. Er wirkte eingesunken, sein Gesicht grau, von Gram gezeichnet. In dem Sessel, in dem er jetzt saß, wirkte er fast wie ein Häufchen Elend.
„Friedrich, Sie und Berta sind schon sehr lange bei uns und haben uns immer treu gedient“, sprach Kokies. „Im Laufe der Jahre ist mehr als nur ein Angestelltenverhältnis entstanden, ich möchte es fast als eine Art Freundschaft bezeichnen. Anna bedeutet meiner Frau und mir sehr viel, sie ist für uns wie eine zweite Tochter. Unser ganzes Mitgefühl gilt Ihrer Familie.“
Wilhelm-Antonius legte einen Arm auf Friedrichs Schulter. Dieser brachte nur ein tränenersticktes „Danke, danke“ hervor.
„So, und jetzt entlasse ich Sie zu Ihrer Frau, die braucht Sie jetzt dringend.“
An ein ordentliches Abendessen war an diesem Tag nicht mehr zu denken. Friederike, Wilhelm-Antonius und ihre Tochter nahmen im Kaminzimmer einen kleinen Imbiss ein.
„Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist, alles kommt mir vor wie ein Albtraum, ich hoffe ständig aufzuwachen und der Spuk ist vorbei“, sagte Maria in leisem Ton.
„Geh auf dein Zimmer und leg dich hin, versuche, ein wenig zu schlafen.“ antwortete ihre Mutter.
Aber an Schlaf war diese Nacht bei keinem im Hause zu denken. Auch Friederike und Wilhelm-Antonius hatten sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen, das Licht gelöscht und versuchte ein wenig Ruhe zu finden; aber sie machten dennoch kein Auge zu. Immer wieder sprachen sie miteinander. Friedrich und Berta hatten sich gar nicht erst hingelegt, zu groß waren die Aufregung und die Sorge um ihre Tochter.
In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, es war noch dunkel draußen, kehrten Peer und seine Wildhüter aus den Wäldern zurück. Peer ließ sich sofort bei Herrn Kokies melden und dieser empfing ihn, nachdem er sich so schnell wie möglich angekleidet hatte. Entsprechend war sein äußeres Erscheinungsbild. Wilhelm-Antonius legte noch nie großen Wert auf besonders elegante Kleidung und seine Frau musste noch oft Hand an ihn legen, um seine Kleidung und Frisur zu korrigieren. Dies glich zuweilen einem kleinen Kampf, wenn er sich sträubte und Friederike darauf bestand, dass er dieses oder jenes Kleidungsstück wechselte oder noch einmal von einem Kamm Gebrauch machen sollte.
„Wundere dich nicht, wenn eines Tages ein Fremder hier erscheint und dich bittet, ihn deinem Herrn zu melden“, war einer ihrer häufigsten Sätze in diesem Zusammenhang. Aber an diesem Morgen achtete nicht einmal sie auf seine Aufmachung. Kokies, ein großer, schlanker, dunkelhaariger Mann, wirkte heute fast wie eine Vogelscheuche. Er empfing Peer in seinem Arbeitszimmer und bemerkte sofort dessen niedergeschlagene Haltung.
„Wir haben die ganze Nacht über gesucht, jede uns bekannte Höhle und Hütte durchsucht. Nichts. Keine Spur von Anna und den Entführern. Es hat nicht geregnet, der Boden ist trocken, so dass keine nennenswerten Hufspuren zu erkennen sind“, sprach Peer und fuhr fort:
„Die Männer brauchen jetzt eine Pause, aber wir wollen bei Tageslicht die Suche fortsetzen. In der Dunkelheit kann man leicht etwas übersehen.“
„Ich weiß, dass Sie alles in Ihrer Macht stehende tun“, antwortete Wilhelm-Antonius.
„Und bin Ihnen auch sehr dankbar dafür. In der Tat müssen Sie Ihr Äußerstes geben. Ich bitte Sie, bei Tagesanbruch jemanden nach Hirschburg zu schicken und Bouffier zu beauftragen, nach Adlig-Linkunen zu kommen.“
Kaum hatten sie ihr Gespräch beendet, als Otto Goldfeld an der Tür des Arbeitszimmers klopfte.
„Herein“, rief Kokies und der Verwalter betrat außer Atem den Raum, in der Hand einen mittelgroßen Zettel haltend. Peer hatte sich schon verabschiedet und war gegangen.
„Herr Kokies…“, begann Otto zu sprechen und musste sofort wieder eine Pause machen, um Luft zu holen. Er litt schon seit Jahren an Asthma, was sich in Alltagssituationen kaum bemerkbar machte, großen Anstrengungen war er jedoch nicht mehr gewachsen. Es war offensichtlich, dass er im Laufschritt zum Herrenhaus geeilt war. Nun hielt er Kokies den Zettel hin und fuhr fort: „Das da lag bei mir… bei mir vor der Tür. Irgendjemand muss diesen Zettel dort deponiert haben, ohne dass ich oder Erna es bemerkt haben.“
Kokies nahm das Schriftstück entgegen. Darauf war in Druckbuchstaben und in verstellter Schrift erkennbar eine Lösegeldforderung für „Maria“ geschrieben. Der Verfasser machte genaue Angaben wo, wann und wieviele Goldmark zu deponieren sei. Das Schreiben war an die Herrschaften Kokies gerichtet.
„Hier liegt eindeutig eine Verwechslung vor“, sagte Wilhelm-Antonius.„Die glauben, sie haben Maria entführt. Mein Gott, nicht auszudenken, was passiert, wenn sie das bemerken. Friedrich und Berta können das Lösegeld unmöglich aufbringen und wenn den Halunken diese Tatsache bewusst wird, bedeutet das den sicheren Tod für Anna. Sie ist dann von keinem Nutzen mehr für sie, nur eine lästige Zeugin.“
Es klopfte an der Tür und nach Kokies‘ „Herein“ betrat Friedrich das Zimmer und sagte: „Entschuldigung, Herr Polizeileutnant Bouffier und Herr Hauptwachtmeister Hinrich haben sich angemeldet. Ich habe sie in die Bibliothek gebeten.“
„Sehr gut, Friedrich. Ich werde gleich zu ihnen gehen.“
Kokies erwähnte den Zettel mit keinem Wort und fuhr fort: „Bitten Sie meine Frau Berta und Maria ebenfalls in die Bibliothek, ich wünsche auch Ihre Anwesenheit.“
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