Название: Stoner McTavish - Grauer Zauber
Автор: Sarah Dreher
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783867548823
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Zehn Minuten von der Zivilisation entfernt, und schon stecke ich in der Klemme. Keine Stiefel, kein Schlangenbiss-Versorgungspäckchen, keine Verteidigungsmöglichkeit. Und niemand wird mich suchen kommen, weil ich niemandem gesagt habe, wo ich hingehe.
Willkommen in der Wüste, Mc Tavish.
Sie zwinkerte der Schlange zu. Die Schlange zwinkerte nicht zurück.
Sei ganz locker. Keine bedrohlichen Bewegungen.
Sie zwang die Anspannung aus ihren Armen heraus, bog sachte ihren Körper zu einer Pose der puren Lässigkeit zurecht und hoffte, dass Bruder Schlange ihre Absichten besser lesen konnte als sie die seinen. Weil, wenn er das nicht konnte, würde Gwens homophobe Großmutter das kleinste ihrer Probleme sein.
Schöner Morgen, sagte sie lautlos. Wie geschaffen für einen Spaziergang.
Die Schlange senkte ihren Kopf um den Bruchteil eines Zentimeters.
Sieht aus, als würde es noch verdammt heiß. Wenn ich du wäre, würde ich genau hier mitten auf diesem schattigen Fleckchen herumliegen und mich nicht zu sehr verausgaben. Wenn du weißt, was ich meine.
Sie kämpfte gegen den Zwang an, sich zu räuspern, weil sie genau wusste, dass es wie getrocknete Bohnen in einer Blechdose klingen und als feindseliges Signal gedeutet werden würde.
Hör mal, ich bin neu in der Gegend. Das, was ihr Einheimischen ein ›Greenhorn‹ nennt. Kenn die Sitten noch nicht und wollte auch ganz bestimmt nicht stören …
Sie ging versuchsweise einen Schritt zurück.
Die Schlange rührte sich nicht.
Hab die Regeln noch nicht gelernt, verstehst du? Aber ich bin echt lernwillig, ja, wirklich.
Sie machte noch einen Schritt.
Wir haben nicht viele Schlangen zu Hause im Osten. Zumindest keine so schönen, wohlgeformten Exemplare wie dich. Hatten wir früher mal, aber sie wurden alle ausgerott– ’tschuldigung, so hab ich das nicht gemeint, ich …
Die Schlange schien tief Luft zu holen. Um zu sprechen? Oder um vorzuschnellen?
Was ich zu sagen versuche, ist, ich habe noch nie in meinem Leben ein so elegantes Reptil gesehen.
Der Schwanz der Schlange zuckte einmal.
Ich weiß, ich weiß, ›Reptil‹ ist ein hässliches Wort. Aber es ist nur ein Wort, vollkommen wertfrei. Wir Menschen haben so einen Zwang, Dinge zu benennen. Obwohl unsere Sprache wirklich nicht immer ästhetisch ansprechend ist. Also, meine Liebste – Gwen – sie war verheiratet mit einem Mann namens Oxnard. Wie würde es dir gefallen, Oxnard zu heißen? Neben Oxnard ist ›Reptil‹ doch reine Poesie. Aber sie hat ihn geheiratet, was dir beweist, dass wir wirklich nicht viel auf Namen geben.
Sie riskierte einen weiteren Schritt.
Natürlich, er hat versucht, sie zu töten. Aber ich glaube nicht, dass das irgendwas mit seinem Namen zu tun hatte. Ich meine, wer würde wegen eines Namens töten? Hast du je in deinem Leben so was Blödes gehört? Ha, ha?
Die Schlange warf ihr einen Blick zu, der nach Abscheu aussah, und glitt durch einen Spalt im Boden davon.
Worauf sie sich umschaute und bemerkte, dass sie sich verirrt hatte.
Die Landschaft war ihr vollkommen unbekannt, alle Wegweiser verschwunden, die Handelsstation außer Sicht hinter einem Hügel.
Welchem Hügel?
Nur keinen Stress. Dreh dich um und folge dieser alten Kojotenfährte denselben Weg zurück, den du gekommen bist.
Nur dass die Kojotenfährte weg war. Ihre eigene auch.
Sie suchte den Boden ab, kniete nieder und schaute aus einem Dutzend verschiedener Winkel nach. Nichts.
Es muss der Wind gewesen sein, er hat den Sand verweht und alles zugedeckt …
Es hatte sich überhaupt kein Wind geregt.
Okay, okay, jetzt nur nicht in Panik geraten. Der Big Tewa liegt östlich der Straße. Der Big Tewa war hinter mir, als ich losging. Es ist Morgen, die Sonne steht im Osten.
Die Grundlagen, Orientierung für Anfänger und Idioten.
Sie ließ den Boden nicht aus den Augen und entfernte sich von ihrem Schatten. Die Sonne war jetzt heißer und schien von überallher gleichzeitig zu brennen. Ihre Lippen fühlten sich trocken an. Ein zartes weißes Puder schimmerte auf ihren Handrücken. Sie leckte daran. Salz.
Ein Gefühl wie Klaustrophobie fegte über sie hinweg.
Klaustrophobie? Mitten im Nirgendwo?
Mitten in der größten Ausdehnung von Nirgendwo, die sie je in ihrem Leben gesehen hatte?
Sie war wie gelähmt. Wo sie auch hinsah, war nichts als Sand und Himmel und Gestrüpp und …
»Pahana.«
Sie wirbelte herum. Auf einer kleinen Bodenerhebung ein paar Meter entfernt saß eine alte Frau.
Eine sehr alte Frau.
Eine sehr alte indianische Frau, die dort vor fünfzehn Sekunden noch nicht gewesen war.
Sie war beängstigend dünn, ihre Haut war dunkel und zerfurcht wie Zedernrinde, ihr beinah weißes Haar fiel auf ihre Schultern. Ihre Hände, knotig vom Alter, lagen ruhig in ihrem Schoß. Sie trug ein über die Jahre verschlissenes Kleid aus violettem Samt, das bis zu ausgetretenen blauen Turnschuhen hinunterreichte.
Sie hob einen Arm und winkte Stoner zu sich heran. »Pahana«, wiederholte sie.
»Oh, hallo«, sagte Stoner. »Ich heiße Stoner Mc Tavish, und ich habe mich verirrt.«
Die Frau blickte sie an.
»Ich meine, ich wohne bei Stell und Ted Perkins in der Spirit Wells-Handelsstation, und ich bin spazieren gegangen und kann den Weg zurück nicht finden …«
Sie kam sich albern vor und verstummte.
Die Augen der alten Frau waren schwarz und hart wie Kohle.
Wahrscheinlich spricht sie kein Englisch. »Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Ich gehe sofort weiter, sobald ich herausgefunden habe, in welche Richtung …«
Die Frau schwieg mit ausdrucksloser Miene.
Stoner zögerte einen Moment, trat von einem Fuß auf den anderen. »Tut mir leid«, murmelte sie und wandte sich ab.
»PAHANA!« Das Wort hallte wider wie ein Donnerschlag.
Stoner drehte sich zurück. »Ich verstehe nicht …«
»Bedeutet Weiße Person.«
»Oh.« Sie СКАЧАТЬ