Название: Stoner McTavish - Grauer Zauber
Автор: Sarah Dreher
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783867548823
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Etwas übertrug sich zwischen ihnen. Ein Wissen um etwas. Sie konnte es nicht deuten.
Das Tier brach die Verbindung zuerst. Ein Kojote, schemenhaft gegen die graue Erde. Er sprang in langen Sätzen davon, ohne Eile. Sein silbernes Fell floss dahin wie Wasser. Er hielt einmal inne, sah zurück und verschwand in der Nacht.
Hinter ihr quietschte die Tür. »Stoner?« Gwen spähte um den Türrahmen herum.
»Ich habe etwas gesehen«, sagte Stoner. »Einen Kojoten, glaube ich.«
»Ich sehe ihn nicht.«
»Er ist weg. Er hat mich angesehen.«
»Wunderbar«, sagte Gwen und erschauderte leicht. »Wir haben keine fünf Grad, und du gehst raus, um mit der Natur Zwiesprache zu halten.«
»Mir ist nicht kalt.«
»Glaub mir einfach. Es ist kalt.« Sie berührte Stoners Schulter. »Komm zurück ins Bett.«
»Er hat mich angesehen, Gwen. So als ob er mich kennt.«
»Von mir aus könnt ihr bei Bier und Brezeln zusammengesessen haben. Komm zurück ins Bett.« Sie schaute hinunter. »Wo sind deine Schuhe? Hast du eine Vorstellung davon, was hier draußen alles rumkrabbeln könnte?«
»Nein. Du?«
»Ich will es lieber gar nicht wissen. Mach schon, Stoner. In genau diesem Moment könnte alles Mögliche an deinem Bein hochklettern.«
Stoner lachte. »Hier draußen ist nichts.«
»Und hinter was war der Kojote dann her?«
»Ich glaube«, sagte sie langsam, »dass er hinter mir her war.«
»Stoner Mc Tavish, wenn du mir hier jetzt ausrastest, nehme ich das nächste Flugzeug zurück nach Boston.«
Sie folgte Gwen in die Baracke und setzte sich auf die Bettkante. »Bist du jemals irgendwohin gegangen und hattest das Gefühl, du wärst da schon mal gewesen, aber warst es nicht?«
»Ja«, sagte Gwen, warf ein paar Holzstücke in den Kamin und streute kerosingetränkte Sägespäne aus einer Maxwell-Kaffeedose darüber. »Es heißt Déjà-vu und wird je nach Standpunkt entweder als völlig normales Phänomen angesehen oder als Symptom einer beginnenden Psychose.«
»So was habe ich gerade da draußen gefühlt. Aber es war mehr als das. Es war, als ob etwas versuchte, mir etwas in Erinnerung zu rufen.«
»Es ist eine weitverbreitetes Erscheinung, Stoner«, beharrte Gwen. Sie entzündete ein Streichholz und warf es in den Kamin. Ein Auflodern orangefarbenen Lichts erhellte ihr Gesicht. »So weitverbreitet, dass es im Wörterbuch steht.«
»Ich weiß nicht …«
»Sieh mal, das hier ist ein seltsamer Ort. Wir könnten ebenso gut auf dem Mond sein. Du bist durcheinander, das ist alles.« Sie legte sich ins Bett und zog Stoner zu sich herunter. »Schlaf ein bisschen. Ehe wir uns versehen, wird die Dämmerung da sein, und irgendetwas sagt mir, dass der Morgen hier wie mit einem Donnerschlag heraufzieht.«
Stoner kuschelte sich an sie. »Ich habe einfach ein komisches Gefühl.«
»Du bist Steinbock«, murmelte Gwen. »Alles fühlt sich komisch an für einen Steinbock.«
Hoch oben auf der Long Mesa beobachtete der Kojote die Fenster der Baracke und wartete auf den Tag.
***
Sie überließ Stell und Gwen ihrem Geplauder am Frühstückstisch und schlenderte hinaus, der Mesa entgegen. Dort, wo die Nacht die letzten Reste der gestrigen Hitze mit sich genommen hatte und die morgendlichen Schatten in schiefergrauen Pfützen lagen, war der Boden noch kühl. Die niedrigen, wellenförmigen Wüstenhügel mit ihren Schichten von Gelb und Violett und Braun, die in dem klaren Licht vibrierten, lagen aufgestapelt wie unglasierte Tonschüsseln, die man zum Trocknen umgedreht hat. Ferne Berge zeichneten sich scharf ab, Wolkenschleier wie Spitzensäume umflogen ihre Gipfel. Am Horizont verschmolz die Erde mit dem Himmel, als wären beide in Wasserfarben getaucht. Ein Hauch von morgendlichem Tau hatte den Staub gebunden. Die Luft war klar und frisch wie Staudensellerie.
Am Fuß der Mesa suchte sie zwischen herabgefallenen Felsen nach Hinweisen auf den Besucher der letzten Nacht. »Kojoten!«, hatte Stell gespottet. »Sie verlieren ihren Reiz im Nullkommanichts, wenn sie dich erst mal drei Nächte hintereinander mit ihrem infernalischen Geheule und Gejaule wach gehalten haben.«
Aber dieser hier war kein gewöhnlicher Kojote. Dieser Kojote hatte ihr in die Augen geblickt. Dieser Kojote wusste etwas.
Und was wirst du tun, wenn du ihn findest? Dich zu einem kleinen Schwatz niederlassen über seine Vettern im Osten, die – genau in diesem Moment, wo wir darüber reden – gejagt, vergiftet und abgeknallt werden, tut mir echt leid, aber du weißt ja, wie das ist, so sind Jungs eben?
Was ist, wenn er dich zum Essen einlädt? Bist du bereit, im Interesse des artenübergreifenden guten Willens eine Wüstenratte mit ihm zu teilen? Würde eine Weigerung als Beleidigung aufgefasst werden? Wie weit bist du im Interesse des Weltfriedens gewillt zu gehen?
Sie kniete sich hin, um eine winzige Unregelmäßigkeit im Sand zu untersuchen. Fährten von Insekten und kleinen Nagern. Unterbrochene Linien dort, wo ein Klumpen entwurzelten Gebüschs vom Wind vorangetrieben worden war. Eine Reihe fein gezeichneter, hundeähnlicher Fußabdrücke.
Er hatte die Straße überquert. Sie folgte der Spur, rutschte einen Hügel aus erstarrtem Lehm hinunter, ging für eine Weile eine ausgetrocknete Wasserrinne entlang, suchte sich ihren Weg durch eine Talsenke. Die Spuren führten sie um einen gedrungenen Berg herum und in die Wüste hinein.
Das ist absurd, sagte sie sich. Er ist mittlerweile schon meilenweit entfernt.
Aber die Spuren zogen sie weiter. Über ein weiteres trockenes Flussbett. Um den nächsten Hügel herum, und den nächsten, und den …
Ich sollte das nicht tun, sagte sie sich. Ich werde mich verirren.
Verirren? Hier draußen? Wo die Luft so klar war, dass man mit einem billigen Fernglas Los Angeles sehen konnte?
Selbstüberschätzung, sagte sie sich, ist der Wanderleut’ größter Feind. Sie ging weiter.
Etwas fiel ihr ins Auge. Etwas Rosafarbenes, das zusammengeknüllt im Schatten eines Felsens lag. Ein alter Kniestrumpf vielleicht, oder ein abgelegter Gürtel. Ein kaputter Turnschuh? Müll, sogar hier draußen. Geblendet von dem grellen Licht, kniff sie die Augen zusammen und griff danach.
Die Schlange hob den Kopf. Ihr Körper war eng zusammengerollt und so reglos wie ein Stein. Die Zunge schnellte hinaus und hinein, nahm ihre Witterung auf. An der Spitze ihres Schwanzes erbebte eine Pyramide von Rasseln.
Verdammt.
Sie versuchte, ihre Länge abzuschätzen. Dann die Entfernung zu ihrem rechten Knöchel. Es kam ungefähr auf dasselbe heraus, mit einem leichten Vorteil für die Schlange.
Toll. Und was jetzt?
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