Название: Jetzt mal ehrlich ...
Автор: Adrian Plass
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865065377
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Und es gab noch andere Schwierigkeiten, die der Gebrauch eines Gebetbuches mit sich brachte. Ich wusste zum Beispiel nichts mit den Stellen anzufangen, die eine Antwort der Gemeinde vorsahen: „Der Herr sei mit euch.“ „Und mit deinem Geiste.“ Also sprach ich beide Sätze mit jeweils verschiedener Stimme, was sich für Leute, die zufällig vorbeikamen, ziemlich seltsam angehört haben muss. Wenn man zwei Stimmen aus demselben Mund hört, könnte das auf Leute mit einem Hang zum Exorzismus wie ein Alarmsignal wirken, sodass sie versucht sind, sich eine Knoblauchgirlande zu schnappen und irgendetwas aus mir auszutreiben. Trotzdem wuchsen mir die Worte dieses Buches immer mehr ans Herz, weil ich sie nicht erst erschaffen musste. Ich konnte sie mir einfach zu eigen machen.
Kürzlich verbrachte ich vier Tage mit einer anglokatholischen Gruppe. Mir gefiel das Besprengen mit dem Weihwasser und das Schwenken der Weihrauchfässer (auch wenn ich davon husten musste; es ist gar nicht so einfach, ehrfürchtig zu husten). Die Priester in ihren prachtvollen Gewändern, das Flackern der großen Kerzen, der schön geschmückte Altar – all das berührte meine evangelische Seele, und ich genoss das Schauspiel. Aber das Beste von allem war die Liturgie. In manchen Momenten hatte ich das Gefühl, dass die ganze Versammlung mich durch die Liturgie emporhob und trug.
Lass mich das erklären. Kay und ich sind stolze Großeltern unseres prächtig geratenen Enkels Stanley, der jetzt drei ist. Er und sein kleiner Bruder Alex sind zwei der größten Freudenquellen in unserem Leben. Wenn wir Stanley mit zum Einkaufen nehmen, mag er es am liebsten, zwischen uns zu gehen und uns beide an den Händen zu halten. Er liebt es, sich von uns schwenken zu lassen, statt zu gehen. Quietschend und kichernd lässt er sich von uns die Straße entlangtragen.
Durch die Teilnahme an der Liturgie wurde ich von den Worten, die andere sprachen, emporgehoben und mitgetragen. Manchmal sprach ich selber gar nicht mit, sondern nickte nur, während alle anderen die Worte intonierten. Und hin und wieder murmelte ich nur: „Ja, Jesus, dito. Das, was sie sagen – nimm das auch von mir.“ Mir wird daran deutlich, dass Liturgie eine starke Stütze sein kann, wenn wir durch schwierige oder tragische Zeiten in unserem Leben gehen und uns durch Tage schleppen, die so grauenvoll sind, dass sie uns die Sprache verschlagen. Ich fand das Erlebnis ungemein stärkend, und ich empfand hinterher noch lange Zeit einen ganz neuen Frieden. Streich das: Ich fühle mich bis heute davon gestärkt. Deshalb hat mich das Bild dieses Kindes, das schweigend Kissen unter das Kreuz legte, besonders bewegt.
Das Herrlichste ist natürlich, dass Jesus, als das passierte, es bemerkte und lächelte. Aber ist nicht unser Lobpreis, wie auch immer wir ihn darbringen, etwas winzig Kleines? Und doch wird er angenommen und ist sogar willkommen. Und das schließt auch das unvollkommene Opfer unserer selbst ein.
Ich komme mir oft so vor, wie sich ein anderer kleiner Junge wahrscheinlich fühlte: Du weißt schon, der, der Jesus nur sein Mittagessen anbieten konnte, als es darum ging, fünftausend Leute mit Essen zu versorgen. Aber auch dieser kleine Vorfall ging ja schließlich gut aus, nicht wahr?
Liebe Grüße,
Jeff
FÜNF
Hallo, Jeff,
danke für Deinen letzten Brief. Danke auch dafür, dass Du so ehrlich über das Problem mit Worten und Anbetung gesprochen hast: wie sie zusammenhängen und wie wir dabei authentisch bleiben. Wo wir gerade bei diesem Thema sind: Erinnerst Du Dich, dass wir bei unserer Tour letztes Jahr die Abende meistens damit beendet haben, dass ich ein ausgesprochen albernes Gedicht namens „In einem Paralleluniversum“ vorgelesen habe? Geschrieben habe ich es als Eisbrecher für eine Woche hier in Scargill, bei der es um das ganze Thema der Authentizität im christlichen Leben ging. Falls Du es vergessen hast, hier ist es:
In einem Paralleluniversum
Findet der Sommerschlussverkauf am Ende des Sommers statt
Ist Cliff Richard tatsächlich eine lebendige Puppe
Hat Morgenstund Gold im Mund
Gewinnt ein gutmütiger Engländer das Einzelfinale in Wimbledon
In einem Paralleluniversum
Ist eine kleine, kahlköpfige Frau Erzbischöfin von Canterbury
Dürfen Tankstellen keine Blumen verkaufen
Gießen Edelstahl-Teekannen perfekt tropfenfrei
Gibt es nur eine Sorte Müll, und sie wird wöchentlich abgeholt von netten, ziemlich poetisch veranlagten Leuten
In einem Paralleluniversum
Bezahlen uns die Fluglinien dafür, dass wir mit ihnen fliegen Scheint die Sonne nachts, wenn sie gebraucht wird, nicht tagsüber, wenn es sowieso hell ist
Hat jedes Jahr mindestens ein Abiturient, der sich in Englisch über Wuthering Heights prüfen lässt, Wuthering Heights tatsächlich gelesen
Müssen sich Teenager kein Geld bei ihren Eltern leihen, um ihnen das Geld zurückzuzahlen, das sie ihnen schulden
In einem Paralleluniversum
Geben Wettervorhersagen im Voraus Auskunft über das Wetter
Wird meine Frau sich irren – wenigstens manchmal
Schmeckt Süßstoff tatsächlich wie Zucker
Gehen Kinder nicht von der Schule ab in dem Glauben, Monet wäre die Einzahl von Moneten
In einem Paralleluniversum
Bedeutet der Klang eines Feueralarms, dass es tatsächlich brennt
Können Hühner die Straße überqueren, ohne dass über ihre Motive gerätselt wird
Sehen IKEA-Produkte zu Hause genauso gut aus wie im Laden
Und sind vor allem Fett, Sahne, Schokolade, Kuchen und
Rotwein fünfmal täglich für ein gesundes Leben unerlässlich
Alles Blödsinn, aber die Gemeinde Jesu sollte wirklich einmal ernsthaft über die Frage der Authentizität nachdenken, besonders im Blick auf die Anbetung. Ich habe in mancher Hinsicht ähnliche Erfahrungen gemacht wie Du. Als ich vor über zwei Jahrzehnten aus meiner ach so ausgiebig diskutierten Stresserkrankung herauskletterte, fühlte ich mich nur in solchen Gemeinden wohl, in denen der formelle Rahmen und die festen Abläufe der Liturgie meine unruhig wabernde Seele zusammenhielten, bis der Gottesdienst vorüber war. Sitzen, stehen, antworten, singen, knien, bekennen, wieder aufstehen, wieder niederknien, beten, zuhören, wieder singen, dem Pfarrer an der Tür die Hand schütteln und nach Hause gehen. Das kam mir entgegen. Es mag Dir ironisch vorkommen, aber, aus der behaglichen Geborgenheit eines gemeinschaftlich vereinheitlichten Verhaltens gelang es mir besser, wirklich individuell auf Gott zu reagieren, als wenn ich elend in irgendeiner supergeistlichen Megagemeinde in einem umgebauten Flugzeughangar hätte sitzen und zuschauen müssen, wie verzweifelte Ehemänner und Ehefrauen sich darum balgen, wer von beiden mit dem Baby auf dem Schoß auf seinem Stuhl СКАЧАТЬ