Название: Die Forsyte-Saga
Автор: John Galsworthy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066499952
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»Wir wollen die Sachen durchgehen,« sagte er mürrisch, »und sehen, wie das Geld draufgegangen ist.«
»Sehr gern,« pflichtete Bosinney bei. »Aber wir müssen uns beeilen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich möchte rechtzeitig zurück sein, um mit June ins Theater zu gehen.«
Soames warf ihm verstohlen einen Blick zu und sagte: »Sie treffen wohl bei uns mit ihr zusammen?« Er war jetzt immer dort zu finden!
In der Nacht vorher war ein Regen niedergegangen – ein Frühlingsregen und die Erde duftete nach Feuchtigkeit und wilden Gräsern. Der warme leise Wind bewegte die Blätter und die goldenen Knospen der alten Eiche hin und her, und im Sonnenschein sangen die Amseln sich die Seele aus dem Leib.
Es war ein Frühlingstag, der jeden mit einem unaussprechlichen Verlangen, einer schmerzlichen Weichheit, einem Sehnen erfüllt, daß er wie gebannt dasteht, die Blätter oder Gräser anschaut und die Arme ausbreiten möchte, um zu umarmen – er weiß nicht was. Von der Erde stieg eine schwache Wärme auf und stahl sich durch das frostige Gewand, in das der Winter sie gehüllt. Es war ihr zärtlich Locken, sich in ihre Arme zu stürzen, sich hinzustrecken und die Lippen an ihre Brust zu pressen.
An einem solchen Tage hatte Soames einst Irenens Jawort erhalten, das er so oft von ihr begehrt. Auf einem umgestürzten Baumstamme hatte er gesessen und zum zwanzigsten Male gelobt, daß sie so frei sein sollte, als habe sie ihn nie geheiratet, wenn ihre Ehe unglücklich werden sollte!
»Schwörst du es?« hatte sie gesagt. Vor ein paar Tagen hatte sie ihn an diesen Schwur erinnert. »Unsinn!« hatte er erwidert: »So etwas kann ich nicht geschworen haben!« Jetzt fiel es ihm durch einen fatalen Zufall wieder ein. Was für törichte Dinge schwören Männer doch um der Frauen willen! Um sie zu gewinnen, hätte er es jederzeit geschworen! Er würde es jetzt noch schwören, wenn er sie dadurch rühren könnte – aber niemand konnte sie rühren, sie hatte ein kaltes Herz!
Und Erinnerungen drangen mit dem frischen süßen Duft des Frühlingswindes auf ihn ein – Erinnerungen an sein Liebeswerben.
Im Frühling des Jahres 1881 hatte er seinen alten Schulkameraden und Klienten, George Liversedge aus Branksome besucht, der in der Absicht, seine Kiefernwälder in der Nähe von Bournemouth auszunutzen, Soames damit betraut hatte, die zu diesem Zwecke nötige Gesellschaft zu gründen. Mit ihrem feinen Gefühl für das Schickliche hatte Mrs. Liversedge ihm zu Ehren einen musikalischen Tee gegeben. Erst spät während dieser Darbietungen, die Soames, der nicht musikalisch war, unsagbar langweilten, fiel ihm das Gesicht eines jungen Mädchens in Trauer auf, das allein dastand. Die Linien ihrer hohen, noch ziemlich zarten Gestalt zeichneten sich durch den weichen anschmiegenden Stoff ihres schwarzen Kleides, die Hände in schwarzen Handschuhen hielt sie verschränkt, die Lippen waren leicht geöffnet, und die großen dunklen Augen schweiften von Gesicht zu Gesicht. Ihr tief im Nacken aufgestecktes Haar schimmerte über dem schwarzen Kragen wie Gewinde leuchtenden Metalls. Und als Soames dastand und sie anschaute, durchzuckte ihn ein Gefühl, wie fast jeder Mann es einmal spürt – eine seltsame Befriedigung der Sinne, eine seltsame Gewißheit, die Romanschreiber und alte Damen Liebe auf den ersten Blick nennen. Verstohlen beobachtete er sie, suchte sogleich die Wirtin auf und wartete ungeduldig das Aufhören der Musik ab.
»Wer ist das junge Mädchen mit blondem Haar und dunkeln Augen?« fragte er.
»Die – ach, das ist Irene Heron. Ihr Vater, Professor Heron, starb im vorigen Jahr. Sie lebt mit ihrer Stiefmutter zusammen. Ein reizendes, ein hübsches Mädchen, aber ohne Geld!«
»Bitte, stellen Sie mich ihr vor,« sagte Soames.
Er wußte nur sehr wenig zu sagen und wurde durch sie nicht eben ermuntert. Aber er verließ sie mit dem festen Entschluß, sie wiederzusehen. Ein Zufall half ihm seinen Vorsatz auszuführen, als er sie mit ihrer Stiefmutter auf dem Steg traf, wo sie jeden Vormittag von zwölf bis eins spazieren zu gehen pflegte. Soames machte erfreut die Bekanntschaft dieser Dame, und es währte nicht lange, bis er in ihr den erwünschten Bundesgenossen erkannte. Seine scharfe Witterung für die geschäftliche Seite des Familienlebens verriet ihm bald, daß Irene ihre Stiefmutter mehr als die fünfzig Pfund kostete, die sie ihr zubrachte, und ebenso, daß Mrs. Heron, die noch in der Blüte des Lebens stand, sich wieder zu verheiraten wünschte und die fremdartig heranreifende Schönheit der Stieftochter ihr dabei im Wege stand. Und Soames machte in seiner stillen Hartnäckigkeit nun seine Pläne.
Er verließ Bournemouth, ohne sich erklärt zu haben, kam aber in einem Monat wieder und sprach diesmal, nicht mit dem Mädchen, sondern mit der Stiefmutter. Er sei fest entschlossen, sagte er, und wolle warten. Und er mußte lange warten, sah Irene erblühen, sah die Linien ihrer jungen Gestalt weicher werden, den Glanz ihrer Augen sich vertiefen und ihr Antlitz in wärmerem Ton erglühen; und bei jedem Besuch hielt er um sie an, und jedesmal, wenn der Besuch zu Ende war, nahm er wunden Herzens ihre abschlägige Antwort mit nach London, blieb aber standhaft und stumm wie das Grab. Er versuchte die geheime Quelle ihres Widerstandes aufzuspüren, doch nur einmal sah er einen Schimmer davon. Es war auf einem jener Bälle, die einem Seebad-Publikum die einzige Gelegenheit zur Äußerung leidenschaftlicher Gefühle bieten. Er saß mit ihr in einer Fensternische, die Sinne prickelnd nach der Berührung im letzten Walzer. Sie hatte ihn über den leise bewegten Fächer hinweg angesehen, und er hatte den Kopf verloren, hatte ihr Handgelenk ergriffen und seine Lippen auf den bloßen Arm gedrückt. Und sie hatte geschaudert – bis auf den heutigen Tag hatte er diesen Schauder nicht vergessen – noch den Blick leidenschaftlichen Widerwillens, den sie ihm zugeworfen.
Ein Jahr darauf hatte sie nachgegeben. Was sie dazu veranlaßt, dahinter konnte er nie kommen; und von Mrs. Heron, einer Frau von einigem diplomatischen Talent, erfuhr er nichts. Nachdem sie verheiratet waren, hatte er einmal gefragt, warum sie ihn so oft abgewiesen. Ein seltsames Schweigen war ihre Antwort. Vom ersten Tage, da er sie gesehen, war sie ihm ein Rätsel, war ihm immer noch ein Rätsel ...
Bosinney erwartete ihn an der Tür, und sein kräftiges hübsches Gesicht hatte einen seltsam sehnsüchtigen und doch glücklichen Ausdruck, als sähe auch er eine Verheißung von Seligkeit an dem Frühlingshimmel, und wittere in der Frühlingsluft ein kommendes Glück. Soames sah ihn an, wie er wartend dastand. Was ging mit dem Menschen vor, daß er so glücklich aussah? Worauf wartete er mit diesem Lächeln auf den Lippen und in den Augen? Aber Soames konnte nicht sehen, worauf Bosinney wartete, als er da den blütenwürzigen Wind einatmend stand. Und die Gegenwart des Mannes, den er eigentlich verachtete, machte ihn von neuem unsicher. Er eilte in das Haus hinein.
»Die einzige Farbe für diese Fliesen da,« hörte er Bosinney sagen, »ist Rot mit einer Spur von Grau darin, um eine durchsichtige Wirkung zu erreichen. Ich wüßte gern Irenens Ansicht darüber. Ich bestelle purpurrote Ledervorhänge für den Torweg zum Hof; und wenn wir die Tapeten im Empfangszimmer elfenbeinfarben überstreichen, gibt es einen blendenden Eindruck. Sie müssen bei der ganzen Ausschmückung immer im Auge zu behalten suchen was ich – Charme nenne.«
»Sie meinen, daß meine Frau Charme hat!« sagte Soames.
Bosinney wich der Frage aus.
»In die Mitte des Hofes müßte eine Gruppe von Irispflanzen.«
Soames lächelte überlegen.
»Ich werde gelegentlich bei Beech vorsprechen,« sagte er, »und sehen was sich dafür eignet!«
Sie hatten sich sonst wenig mehr zu sagen, aber auf dem Wege zum Bahnhof СКАЧАТЬ