Der verborgene Dämon. Detlef Amende
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Название: Der verborgene Dämon

Автор: Detlef Amende

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная классика

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isbn: 9783961456796

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СКАЧАТЬ zählten. So standen uns Hiesigen die Tränen in den Augen und wir lernten, dass wir den Neulingen Respekt entgegenzubringen hatten und ihnen würden helfen müssen. Das wollten wir dann auch wirklich und so wuchs langsam etwas Vertrauen zwischen uns. Sie erzählten mehr von ihrer ehemaligen Heimat und davon, wie Kämpfer aus verschiedenen anderen Ländern sich dort gegenseitig ermordet haben. Aber obwohl sich die Lehrerin Mühe gab, einiges auf kindgerechte Art verständlich zu erläutern, wollten wir von Krieg nichts wissen. Natürlich nicht. Krieg passt nicht in die Köpfe von Kindern. Nur in die von skrupellosen Erwachsenen. Und so drehte sich unsere Welt einfach weiter. Wir lernten neue Zahlen und Buchstaben, ohne etwas von den Ereignissen zu ahnen, die sich in fernen Teilen der Welt anbahnten.

      Auch ein Jahr danach bekam ich als wohlbehütet aufwachsendes Kind von diesen politischen Geschehnissen nicht viel mit. Erst viel später als Jugendlicher hat mir Vater mal erzählt, dass das Eingeständnis von 2020 eine Zäsur von Weltbedeutung gewesen sein musste: Damals hatte die UN zugeben müssen, dass hinsichtlich der Senkung der CO2-Emissionen bis dato nichts, aber auch gar nichts erreicht worden war. Alle Bemühungen, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen, zunehmend auf Kohlekraftwerke zu verzichten, insgesamt weniger Energie zu verbrauchen, hatten die jährlichen Emissionsmengen an Kohlendioxid nicht reduzieren können. Die internationale Zusammenarbeit an diesem Thema ließ daraufhin nach, viele Staaten zogen nun mehr und mehr nationale Alleingänge vor. An meiner Schule zuckten die Lehrer nur ratlos mit den Schultern, wenn sie sich darüber unterhielten. Für viele Menschen mit erhalten gebliebenem gesellschaftlichem Gewissen und Problembewusstsein war das ein Schock. Alles vergebens? Wirklich alles umsonst? Selbst unter Umweltaktivisten breitete sich Resignation aus. Die virtuelle Gemeinde der an Nachhaltigkeit und Ökologie Interessierten zerfiel. Kernkraftgegner mutierten zu Kernkraftbefürwortern, andere gaben auf oder wandten sich in spirituellem Frohlocken der neu entstandenen Sekte der „Lichtmenschen“ zu. Aber all das spielte für einen Zweitklässler keine Rolle. Ich interessierte mich vielmehr für Papas neuen Globus. Eine riesengroße Kugel, die wunderschön leuchten konnte, war mit feinsten Linien und Buchstaben bemalt. Ich wusste schon, dass sie unsere Erde darstellt mit all den fernen Ländern, Meeren und Gebirgen. Sie drehte sich in einem Halbkreis, der auf dem wuchtigen Sockel komischerweise etwas schräg befestigt war. In einem Display konnte man Namen von Flüssen oder Städten eingeben und dann leuchtete die jeweils richtige Stelle. Papa nahm sich viel Zeit, mir auf dem Globus Länder, Gebirge und Flüsse zu zeigen. Da gab es unseren Heimat-Kontinent Europa. Fast auf der anderen Seite lag Nordamerika mit den USA, die mit den übrigen Ländern nichts mehr zu tun haben wollten. Noch eine halbe Umdrehung weiter umfuhr Papa mit dem Zeigefinger eine große Fläche. Das war Russland, das in der Raumfahrt und im Cyberwar unbedingt die Macht haben wollte. Darunter zeigte er mir, wo die großen chinesischen Ballungsgebiete liegen, in denen jährlich Millionen Menschen nur an den Folgen der Luftverschmutzung starben. Anschließend drehte Papa die Kugel wieder etwas zurück und legt den Finger auf den Mittleren Osten. Hier bekriegten sich immer noch die Länder Iran und Saudi-Arabien. Ohne mit meinen knapp acht Jahren viel davon zu verstehen, erzählte Papa noch, dass Russland sich in der Zwischenzeit aus dem Konflikt in Syrien zurückgezogen hat. Das bewog im Frühjahr 2022 die USA, in einer Blitz-Intervention große Teile des ehemaligen Syriens zu besetzen und diesen Staat kurzerhand zu einem amerikanischen Protektorat zu erklären. Kurz nach dessen Ausrufung wurden die USA von den schlimmsten Busch- und Waldbränden der jüngeren Geschichte heimgesucht. Zwölftausend Quadratkilometer südkalifornischer Fläche standen rund um Los Angeles in Flammen. Die Behörden sahen sich veranlasst, zehn Prozent des Stadtgebietes zu evakuieren. Für zirka dreihundertachtzigtausend Menschen mussten in entfernten Gebieten Notunterkünfte gebaut, die dazugehörigen Versorgungsverbindungen etabliert sowie die Umsiedlungsmaßnahmen durchgesetzt werden. Die Kosten des Löscheinsatzes, der Umsiedlungsaktion und der wirtschaftlichen Folgen hatten Kalifornien und damit die gesamte USA fast an den Rand einer Wirtschaftskrise gebracht. Viele Amerikaner sprachen damals von Sabotage oder Brandstiftung durch die Chinesen oder Russen. Diesmal wollte Papa, dass ich die geographischen Orte, an denen die großen Feuer brannten, selber auf dem Globus finde. Ich suchte lange nach Kalifornien und fand sogar Australien. Auch dort brachen etwa zum gleichen Zeitpunkt durch lang anhaltende Trockenheit nördlich der Millionenstadt Sidney großflächige Buschbrände aus. Hohe Temperaturen und starke Winde hatten dafür gesorgt, dass die Feuer sich soweit ausbreiteten, dass sie mit den zur Verfügung stehenden Löschmitteln nicht mehr bekämpft werden konnten. Die Konsequenzen für die Landwirtschaft waren unüberschaubar. Australien musste in der Folge Unmengen an Lebensmitteln importieren und rutschte so in eine fatale Staatsüberschuldung. Das Land wurde mit dem Problem allein gelassen und musste hilflos zusehen, bis sich das Inferno von selbst aufgezehrt hatte.

      Einige Monate später, als ich mich auf die dritte Klasse freute, wurde Mitteleuropa von einer Hitzewelle geplagt. Ich kann mich noch an die heißen Sommermonate erinnern. Meine schulischen Leistungen waren in dieser Zeit ganz ansehnlich, weil der Umgang mit den kryptischen Symbolen des Alphabets und der Algebra mir eine Menge Spaß bereitete. So musste ich nicht allzu viel meiner nachmittäglichen Freizeit in die Erledigung von Hausaufgaben und Übungen investieren, sondern trieb mich stattdessen häufig irgendwo draußen herum. Die glücklichen Ferienwochen verbrachten meine Kumpels und ich – darunter auch einige von den Neuen – oft ganztägig im Schwimmbad, wir unternahmen Fahrradtouren oder stundenlange Exkursionen in das von unserem Haus nicht weit entfernte Waldstück, wo sich das dichte Unterholz mit ein wenig Geschick in kaum zu entdeckende Geheimquartiere umfunktionieren ließ. Uns Kindern haben die extremen Temperaturen offensichtlich kaum zugesetzt. Aber ich kann mich auch erinnern, dass viele Leute gestöhnt und gejammert haben. Mehr als zehn Wochen lang herrschten damals Tagestemperaturen von über fünfundvierzig Grad und nachts kühlte die Luft sich nicht mehr unter fünfundzwanzig Grad ab. Wir hörten oft das Martinshorn der Rettungswagen und die Eltern erzählten mir später, dass in diesen Monaten in ganz Europa Zehntausende älterer oder kranker Menschen an Schwäche gestorben sind. Versorgungsengpässe müssen den Leuten das Leben schwer gemacht haben, zum Beispiel bei den begehrten Kühlaggregaten, die dann nicht mehr frei gekauft werden durften, sondern nur für Krankenhäuser und die öffentliche Verwaltung reserviert worden sind. Und trotz der Proteste, die allein dieser Umstand auslöste, stiegen zudem auch noch die Preise, was zu berechtigtem Unmut in der Bevölkerung führte. Viele Leute wollten das nicht mehr hinnehmen und gaben sich der angeblich „selbstbefreienden“ Lebensweise hin. Sie sahen ihr Heil in der schon zuvor entstandenen Sekte der „Lichtmenschen“, die mit ihrem neuen Zentrum in den USA in dieser Zeit einen Zulauf von Millionen Begeisterten verbuchte.

      Zu meinem zehnten Geburtstag schenkte Opa mir die dicke, von einem gewaltigen Einweckgummi zusammengehaltene Mappe voller Berechnungen mit den Worten: Leon, bewahre dieses Geschenk gut auf. Auch wenn du das noch nicht verstehst, du wirst die Niederschriften irgendwann gebrauchen können! Seinen bedeutungsvollen Blick habe ich bis heute nicht vergessen. Dennoch vertraute ich den Packen Unterlagen dann ohne größeres Verlustgefühl meinem Papa an, war aber mächtig stolz, nunmehr Besitzer irgendeines, wie auch immer gearteten Schatzes geworden zu sein. Und als „Schatzbesitzer“ kann man seine Kinderzeit genießen, obwohl auch für unsere Familie damals die Lebenshaltungskosten immens gestiegen sein mussten. Ich bekam das mit, weil sich die Eltern um die Bezahlung meiner Schulbücher für die vierte Klasse zankten. Doch meistens versuchten sie, die Sorge um ihren Schützling vor mir zu verbergen, so gut sie konnten. Außer bei dem Netz, das sie über meinem Bett anbrachten und das ich so über alle Maßen scheußlich wie unnötig fand. Ich bin doch kein Mädchen, das einen Schleier über der Bettdecke haben möchte! Aber diese Maßnahme müsse sein, hatte Mama gesagt und Papa verbot mir mit aller Strenge, drüben noch einmal in den Wald zu gehen. Was ist los? Nein, ich hätte nichts Falsches getan und das wäre um Gottes willen auch keine Strafe. Zur Schule musste ich neuerdings auch bei warmem Wetter nur noch mit langärmeliger und langbeiniger Kleidung gehen und befürchtete, dafür von den Anderen voll „gedisst“ zu werden. Komisch war nur, dass es vielen meiner Schulkameraden ähnlich ging. Die trugen plötzlich auch so voll uncoole Klamotten und dann lachten wir uns alle gegenseitig aus. Aber das Lachen verging uns, als eines Morgens unsere Klassenlehrerin und der Schuldirektor mit ernsten Gesichtern den Klassenraum betraten und uns bekannt gaben, dass Elvira S., wir nannten sie immer Elvis, nicht mehr in unsere Schule käme. Elvis war schon seit über einer Woche СКАЧАТЬ