Der verborgene Dämon. Detlef Amende
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Название: Der verborgene Dämon

Автор: Detlef Amende

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn: 9783961456796

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Wie – auf mich wohl nicht? Gernot schien mein schmollendes Gesicht bemerkt zu haben.

      „Ja, auf dich auch, Vater!“, sagt er grinsend.

      „Jamina, ich wollte dir mal den alten Mann vorstellen, der sich unsterblich in dich verliebt hat!“, ärgere ich Federico.

      „Pass mal auf, Gringo, sei froh, dass du heute Geburtstag hast!“, kontert der und wischt mit der linken Hand wichtigtuerisch Staub vom Hals einer der beiden Weinflaschen, die er eben der alten Kiste entnommen hatte. Jetzt lächelt auch Lisha.

      „Hallo. Freut mich. Was ist das denn für eine Sorte?“, will Jamina wissen. Federico beugt in ihre Richtung übertrieben den Oberkörper nach vorn.

      „Das ist ein Tannat aus Canelones von 2074, ein halbtrockener Jahrgang. So was von süffig, mein Spatz!“

      „Na dann schenk mal ein, alter Freund!“, äfft Jamina Federico nach und schaut dabei unverhohlen in meine Richtung. Ich muss grinsen und denke: Sieh einer an, unsere Jamina kann sich gegen die anzüglichen Bemerkungen des Alten durchsetzen. Der entkorkt umständlich eine der beiden Weinflaschen. Das Einschenken in Lishas formschöne Gläser, die Gernot mittlerweile aus der Vitrine herausgeholt hat, obliegt natürlich dem Spender des edlen Gesöffs. Wir stoßen gemeinsam an.

      „Alles Gute noch mal, Opa!“

      „Jawohl, Gringo!“

      „Auf unser Wiedersehen. Das war die schönste Überraschung, die ihr mir bereiten konntet! Auch euch vielen Dank, Lisha und Gernot. Ihr habt das ja mit organisiert“, spreche ich an alle gewandt.

      „Na, sie ist ja unsere Tochter!“ Lisha blickt Gernot an. Das scheint der rechte Moment und ich versuche, die fühlbar entspannte Situation zu nutzen.

      „Aber noch mal, Jamina: Wie geht es denn den Menschen in deiner Heimatstadt nun?“ Diesmal reagiert auch Lisha mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck, was Jamina zu ermuntern scheint.

      „Einfach nur beschissen, Opa. Wir tun, was wir können, aber eigentlich … Wir evakuieren und siedeln die Leute um, und das nicht nur in Tianjin. Es ist ein Kampf gegen die Zeit.“ Jamina wirkt resigniert. „Das gesamte Flughafengelände hat sich in den letzten Jahren gesenkt, die Start- und Landebahnen sind unbenutzbar. Der Hauptbahnhof funktioniert zwar noch, aber die Eisenbahnstrecken aus der Stadt wurden unterspült. Die Akkus der Busse sind uralt und können oft nur halb geladen werden, die Stationen in der City sind völlig überlastet.“

      „Also immer noch die gleichen Probleme – nur schlimmer. Und die Seuchen?“, fragt Gernot.

      „Cholera, Typhus, das Übliche eben. Wir versuchen, alle, die das Stadtgebiet verlassen, vorher zu untersuchen. Manchmal werfen Hubschrauber Lebensmittel und Medikamente ab. Im Moment haben wir noch einige Vorräte. Aber das Schlimmste ist die Psyche, Papa. Die Leute sind müde, furchtbar müde. Keine Energie, kein Antrieb, die blanke Hoffnungslosigkeit – das ist die Hauptseuche, und von der sind alle betroffen, da helfen auch Medikamente nicht.“

      „Ich kenne die Chinesen als höchst arbeitsames, diszipliniertes und fleißiges Volk?“, wende ich ein.

      „Papperlapapp!, Gringo – die Flachnasen können’s eben nicht besser!“

      „Na, na, was sind denn das für Vorurteile?“, muss ich den alten Rüpel jetzt doch mal zurechtweisen. Gernot schaut seine Tochter sorgenvoll an. Doch Lisha ermutigt ihn:

      „Ich denke schon, dass die jungen Menschen mithelfen wollen. Ich werde Jamina ein paar Tipps mitgeben, wie ich mich damals vor meinem Unfall verhalten habe. Wir haben davor die vier Jahre in Bukarest auch überstanden, Gernot. Sie ist dreiundzwanzig und hält sich dort mit Tian schon eine ganze Zeit über Wasser. Wer weiß, vielleicht entscheiden sich die beiden ja in einigen Jahren doch noch, auch hier her zu kommen.“

      „Mama, du hast seit dem Start der Umsiedlung … Wann war das genau?“

      „2079.“

      „Ja, seitdem hast du einen Riesenjob dort gemacht! Ich bin jetzt auch Krankenschwester und Tian will später noch Meteorologie studieren.“

      „Ja, ich bin dann aber auf dieses rostige Stahlstück gefallen, das meinem Lendenwirbel die hübsche kleine Botschaft überbrachte: ‚Lisha wird nie wieder laufen können‘!“

      „Ja, Mama, aber deswegen dürfen wir jetzt nicht aufgeben! Denk doch dran, wie das Unglück vor fünf Jahren in Indonesien verlaufen ist, weil keiner die Zusammenhänge ernst genommen hat! Das kann doch alles nicht wahr sein!“

      Inzwischen hat Federico unsere Gläser wieder gefüllt und prostet uns zu.

      „Ist sie nicht süß, Gringo?“

      „Du willst jetzt aber nicht auf die Toten von Jakarta anstoßen, oder?“

      „Nein. Nur darauf, dass wir nicht unter ihnen sind. Der Tannat ist gut. Salud, mein Spatz!“ Mir hängt seine vordergründige Schauspielerei zum Halse heraus, obwohl er mir andererseits auf eine kaum näher bestimmbare Weise vertraut vorkommt – nicht nur, weil er Lisha unterstützt.

      Ich wende mich erneut an meine Enkelin:

      „Glaubst du wirklich, Jamina, dass keiner diese Entwicklungen ernst genommen hat? Wir hatten selbst in den 40ern, als ich in Zürich war, nicht den geringsten Schimmer, wie man den Dämon in den Griff bekommen könnte. Ich habe fast dreißig Jahre daran gearbeitet, um herauszufinden, wie er funktioniert. Und ich kenne ihn genau: Er agiert selbständig und schlägt immer wieder an scheinbar unvorhersehbaren Orten zu.“

      „Was für ein Unsinn“, knurrte Federico abwertend.

      „Schicksal jedenfalls war und ist das nicht!“, murrt Gernot.

      „Aber Gernot, wer hätte denn etwas tun können? Ich habe in jungen Jahren auch mein Schicksal ertragen müssen, viel Leid mitbekommen, kaum etwas anderes gesehen als schreiende, kranke Kinder und ausgedörrte, lebensmüde Menschen und mittendrin Leichen über Leichen. Wer bitte hätte denn daran etwas ändern sollen?“ Lisha ist aufgewühlt, ihre Augen glänzen.

      „Ich weiß“, nimmt sich mein Sohn zurück. „Wir haben uns ja schon so oft darüber unterhalten, Lisha. Aber man kann unserer Vätergeneration diesen Vorwurf nicht ersparen – ich bleibe dabei.“

      „Jetzt bist du fällig, Gringo!“, kichert der Alte und blinzelt mich mit seinen listigen kleinen Augen scharf an.

      „Nun lass ihn doch mal in Ruhe, er hat heute Geburtstag!“, greift Jamina ein und ergänzt spitzzüngig: „Aber wie so ein abartiges Jahrhundert zustande kommen konnte, würde mich schon interessieren, Opa. Wenn du das erforscht hast – was habt ihr denn unternommen?“ Und sie fügt leidenschaftlich hinzu: „Wir jungen Leute müssen die Ursachen wissen, sonst können wir gar nichts mehr tun!“

      Ich schaue ihr in die Augen und nicke.

      „Die Frage war damals, ob die verbleibende Zeit ausreichen wird. Der Dämon fing bereits an, sich weiterzuentwickeln, und wurde dabei immer seltsamer und gefährlicher.“ Ich blicke einen langen Moment in die Runde und bitte dann Jamina: „Die Jüngste geht mal schnell hoch in mein Arbeitszimmer, da liegen auf dem Schreibtisch ein Tagebuch und meine Brille.“ Schon ist sie durch die Tür.

      „Du СКАЧАТЬ