Menschenversuch. Monika Landau
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Название: Menschenversuch

Автор: Monika Landau

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783960083221

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СКАЧАТЬ Schöpfung auch die Grundlagen des Lebens angelegt waren, hätte sie eigentlich erkennen müssen, dass sich Leben nicht festlegen lässt und einen unzähmbaren Drang zur Freiheit entwickelt. Von abgöttischer Liebe erdrückt, strebte das Geliebte nach Emanzipation. Alpha musste im Stolz ihres Schaffens, einen Moment unachtsam gewesen sein. Dieser winzige, nicht vorausgesehene Fehler sollte Folgen haben. Denn je erobernder sie ihr Werk umschlang, desto deutlicher bauten sich Spannungen im Urpunkt auf. Aber sie vernahm den stillen Schrei nach Freiheit nicht. Zu sehr war sie auf sich selbst fixiert. So wurde sie schließlich, geblendet und zu spät, vom Beben des Energiefeldes überrascht, ohnmächtig einzugreifen. Unendliche Energiemengen platzten ins Nichts, drifteten nach Außen, verließen den Zustand höchster Symmetrie. Im Getöse des Urknalls bildete sich im physikalischen Vakuum in einer Kette von Zyklen der Selbstorganisation in wenigen Minuten zunächst das Urplasma, ein Zeit-Raum-Schaum.

      Die Expansion der Metagalaxis war eingeleitet. Dann, beim Verlassen des Vakuums, strömte Gas, die Urmaterie, durch die Metagalaxis. Unaufhaltsam blähte sich die Urblase auf, Zeit- und Raumsymmetrie wurden nacheinander gebrochen, die Urmaterie strukturierte sich in Galaxien, einem Zeitpfeil folgend. Der von homogener Strahlung ausgefüllte Kosmos war geboren. Blitzartig hatte sich die Materie in Existenz geschleudert, expandierte, ausgestattet mit der Fähigkeit zur Erneuerung, mit kreativen Potenzen. Das Weltall war ausgefüllt mit Materie und Energie, aber noch ohne Leben geboren.

      Fassungslos erstarrt nahm Alpha diesen Urschrei der Materie in sich auf. Es dauerte Milliarden Jahre, bis Alpha sich von diesem Schreck einigermaßen erholte, wieder andere Gedanken zuließ. Bis dahin fremde Gefühle breiteten sich in ihr aus: Angst, Wut und Hass brodelten in ihr, kämpften einen unerbittlichen Krieg mit der Liebe, der nie zu enden schien. Und wieder vergingen Äonen, bis Alpha ihre Gefühle kontrollieren konnte. Die Liebe hatte zwar triumphiert, aber Angst, Wut und Hass waren nicht endgültig besiegt, sondern lauerten in den Nischen ihres Bewusstseins auf einen Ausbruch. Traurig ließ sich Alpha durch das Universum treiben, begann vorsichtig zu überlegen, wie der vertraute Urzustand rekonstruiert werden könnte.

      Mit der gleichen Verbissenheit wie einst, ging sie ans Werk, ihre Schöpfung auf sich selbst zurückzuführen. In allen Dimensionen versuchte sie krampfhaft, die universale Explosion in Implosion umzukehren. Sie raste an die Grenzen von Raum und Zeit, begann ganze Galaxien einzusammeln, legte Materiefallen in Form schwarzer Löcher aus. Nichts half. Im Zentrum investierte Energie fehlte an der Peripherie des Universums und umgekehrt.

      Mit dieser Sisyphusarbeit verbrachte Alpha einige Milliarden Jahre, bevor sich Zeichen von Erschöpfung einschlichen: fast all ihre Energie war aufgebraucht. Gezeichnet vom erfolglosen Versuch, ihre Liebe zurückzuerobern, musste sie sich eine Ruhepause gönnen, ihren schöpferischen Akkumulator auffüllen. Ihre letzten Kräfte mobilisierend, zog sie sich aus der Weite des Kosmos zurück, sammelte sich am Rande einer Milchstraße. Da fiel ihr ein kleines Gestirn in dieser Galaxie auf, bläulich-weiß schimmernd, mit braunen Flecken, umgeben von geheimnisvollem Licht. Dieser wundersame Planet zog sie an. Sie war nicht enttäuscht, als sie den Himmelskörper erreichte. Feuchte Wärme strömte ihr entgegen, machte sie noch schläfriger als zuvor. Sie entschloss sich, hier auszuruhen, legte sich wie eine zweite Haut um die Gashülle des Gestirns und vergaß Chaos und Kosmos.

      In Alphas allumfassenden Augen spiegelten sich Meere und Berge, Eiskappen und Urwälder, aber auch Ansammlungen für sie seltsamer Kästen. Wie im Traum – vielleicht war es schon ein Traum? – konzentrierte sich ihr Blick auf eine solche Ansammlung, durchdrang den nebligen Rauch und bemerkte zahllose, mechanisch sich auf grauen Bändern fortbewegende Gestalten ohne Glieder, von denen offenbar dieser Dunst ausging. Und sie sah andere Wesen, die auf zwei Beinen gingen und in Kästen verschwanden. Die undurchschaubaren Bewegungen ermüdeten sie endlich so sehr, dass sie einschlief.

      Als der Autor das Verlagsgebäude betritt kommt es ihm noch düsterer vor als sonst. Das kann aber auch an dem verdrückten Licht über der Stadt liegen, denkt er, das ihm wie das Gesicht einer unausgeschlafenen Sonne vorkommt. Und an dem Gefühl, beobachtet zu werden, das ihn seit Tagen quält. Kaum hat er auf der Treppe – der Aufzug ist wieder mal defekt – sein Stockwerk erreicht, kommt der Bürobote Carlos aus seiner offenen, fensterlosen Kammer und sagt:

      »Der Chef ist auf hundertachtzig, du sollst sofort kommen.«

      Den Autor trifft das nicht ganz unerwartet und er zieht wie in Kafkas Welt durch die schmutzigen Korridore. Doch vor den fünf Männern im Chefzimmer verschwinden solche Vergleiche schnell. Drei davon sind Redakteure in der Einheitskluft der herrschenden Partei: militärähnliche Blousons, die Hosen in Schaftstiefel gesteckt und schwarze Hemden mit Anstecknadeln. Den Vierten, undefinierbar blond und korrekt wie Schaufensterpuppen ausstaffiert, kennt er nicht. Umso besser Kaminski, den Chefredakteur seit neuestem. Der kommt sofort zur Sache:

      »Deine letzten Artikel« – er schwenkt dabei ein paar Druckseiten und stiert dem Autor ins Gesicht – »haben nicht nur bei der Regierung Anstoß erregt. Offenbar glaubst du, dass unsere Regeln hier für dich nicht gelten. Dein elitäres Geschwafel kann höchstens die Auflage senken. Ich kapiere sowieso nicht« – dabei blickt er die drei Redakteure so verachtungsvoll an, wie ihm das möglich ist – »wie diese Beiträge trotz unserer Kontrollen überhaupt gedruckt werden konnten. Was hast du dazu zu sagen?«

      Der Autor sieht an Kaminski vorbei und schweigt.

      »Antworte gefälligst!«

      Der Ton wird schärfer und ist sich seiner Macht ganz sicher.

      »Du warst mal ein ganz guter Journalist. Wenn du aber glaubst, diese Schmarotzer an unserer Kultur in Schutz nehmen zu müssen, ist es aus zwischen uns.« »Wir haben Informationen darüber«, sagt leicht schleppend der undurchsichtige Blonde, »dass Sie sich im Ausland mit Schriftstellern und Künstlern getroffen haben, denen wir die Aufenthaltserlaubnis bei uns entzogen hatten. Das sieht nicht gerade nach nationalbewusstem Handeln aus.«

      Der Autor findet seinen Verdacht bestätigt. Wahrscheinlich hat man nicht nur ihn überwacht, sondern auch Freunde und Verwandte. Er blickt dem dicklichen mit modischer Kurzhaarfrisur und Lederjacke auf jugendlich getrimmten Chef auf die grelle Krawatte.

      »Mich interessierten einfach ihre neuen Arbeiten. Wenn ich kritisch darüber berichten soll, muss ich mich erstmal informieren. Die Leute wollen wissen, was die schreiben oder malen – und nicht, was sie darüber denken sollen. Außerdem war die Reise ja genehmigt.«

      Der Disput ging weiter, und auch die drei uniformen Redakteure konnten noch ihre Anmerkungen loswerden. Am Ende stand – Kaminskis Ton war eine Mischung aus Häme und Arroganz – eine ‚letzte Warnung‘ und seine Aufforderung, die ‚neue Kulturpolitik im Land‘ aktiv zu vertreten. Grußloser Abschied. Zurück an seinem Schreibtisch fällt ihm die erste Begegnung ein: als Redakteur beim ‚Express‘ wollte Kaminski sein Urteil über einen Fortsetzungsroman hören. Der Autor, Aushilfslektor in einem kleinen Verlag, war schon damals von seinen plumpen Sprüchen angewidert. Ganz zu schweigen davon, wie der auf einer Party Lea angemacht hatte. Kaminski nahm nie etwas in die Hand, was ihm keinen Profit brachte. Und weil Opportunisten immer siegen, hatte ihn das Militär nach der politischen Säuberung der ‚Express‘-Redaktion prompt zum Chefredakteur bestellt.

      Der Autor starrt auf die marionettenähnliche Straßenwelt. Leben heißt nur noch funktionieren in Technokultur: maschinenähnliche Bewegungen zwischen Krisen und Ängsten, die du mitmachen musst. Ihm fallen Verena und Reinhart ein; nach der Trennung hat sie sich offenbar dem Militärregime angepasst und Reinhart, den Sohn, in die Jugendorganisation der Partei geschickt. Seitdem hat er keinen Kontakt mehr zu ihm. Wieder umschließt ihn der Trennungsschmerz wie plötzliche Nacht. Ich arbeite für die Verblendung von Leuten und verschwinde dabei selbst, denkt er. Und: vielleicht ist Schweigen Notwehr. Doch diesen СКАЧАТЬ