Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben?. Barbara Kohout
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Название: Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben?

Автор: Barbara Kohout

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Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783954889877

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СКАЧАТЬ die Ufer.

      Die Menschen interessierten sich kaum für die Umwälzungen in der Welt. Aber sie waren auch für sie von Bedeutung. Die österreich-russische Allianz mit Preußen erzwang die Niederlage des Franzosen Napoleon.

      Am 20. Juni 1819 überquerte der erste Dampfsegler von den USA aus den Atlantik und erreichte Liverpool. Neue politische Verhältnisse und technische Fortschritte prägten die Zeit und veränderten die Zukunftserwartungen. Damit verbunden war eine Mehrung des Wohlstands. Auch damals war der Traum vom besseren Leben eine starke Triebfeder für Entwicklungen – aber auch Hintergrund großer Spannungen. Immer mehr Nachkommen der ersten Siedler wollten in den besten Ortslagen neue, große Ziegelhäuser bauen. Dort aber standen die kleinen Lehmhäuser der ersten Siedler, der Serben.

      Die Serben litten unter den Repressalien, die Baron Redl gegen sie verhängte. Joseph II. hatte sowohl die Prügelstrafe als auch die Leibeigenschaft offiziell abgeschafft. Doch Redl führte die Prügelstrafe wieder ein und schuf eine Art verdeckte Leibeigenschaft, die nur die Serben traf. Redl ließ sie wegen jedes kleinen Vergehens verprügeln. Und er hielt seine Zusagen an die Serben nicht ein, wenn es um die Nutzung von Weideland ging. Heute würden wir diese Art des Umgangs als Mobbing bezeichnen. Viele Betroffene ertrugen die Schikanen nicht und verkauften zum Teil bereitwillig für ein paar Ziegen, Schafe oder Schweine ihre Häuser und Grundstücke in der Ortsmitte an die Deutschen. Besaßen sie kein Land mehr, waren sie frei von den Zwängen, die den Ackerbauern auferlegt waren. Sie konnten nicht mehr zu Abgaben gezwungen werden. Auch die Robotpflicht blieb ihnen erspart. Einige bauten sich winzige Häuser in der Nähe des Sumpflandes und arbeiteten als Hirten. Die Serben nannten das Gebiet „Tal der Tränen“. Die Deutschen sprachen vom „Jammertal“.

      Am 7. Dezember 1835 fuhr die erste Dampfeisenbahn von Nürnberg nach Fürth. Die Nachricht wurde in Stanischitsch mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die Ökonomen begeisterte die Aussicht auf gute Handels- und Verkehrsverbindungen quer durch Europa. Die Konservativen befürchteten den Aufstieg des handeltreibenden Bürgertums. Viele religiöse Propheten kündigten Unglück an, wetterten gegen das Teufelswerk und schürten abergläubische Vorstellungen über verhexte Kühe, die keine Milch mehr geben, und Hühner, die keine Eier mehr legen können. Andere behaupteten, dies wären Erfüllungen der Voraussagen der Bibel und ein Beweis für das bevorstehende Gottesgericht. Prophezeiungen dieser Art legten eine Grundlage, die zur Entstehung verschiedener Endzeitsekten und Chileastengruppen führten, die zum einen den nahen Weltuntergang predigten und zum anderen an den Beginn des Millenniums, der Tausendjahrherrschaft Christi, glaubten. In eine der damals entstandenen Sekten, die aus der Bibelforscher-Gemeinde des Adventisten-Predigers Charles Tace Russel hervorging und heute als Jehovas Zeugen bekannt ist, gerieten meine Eltern. Das hatte für mich ein sechzig Jahre dauerndes, fremdbestimmtes Leben zur Folge.

      Doch meine Urahnen ließen sich von all dem nicht sonderlich beeindrucken. Sie vermehrten ihren Besitz nicht nur durch großen Fleiß und Sparsamkeit, sie achteten auch bei der Eheanbahnung darauf, dass die Verbindung ertragreich war und das Ansehen gesteigert wurde. In dieser Beziehung waren sie sehr geschickt und erfolgreich. Im Jahre 1840, eine spannungsreiche Zeit, wurde mein Ur-Ur-Großvater Michael Englert geboren und vier Jahre später sein Bruder Jakob.

      Der schwelende Konflikt zwischen Serben und Deutschen verschärfte sich zunehmend. Im Jahr 1848 eskalierte er. Baron Redl hatte eine Zusage an die serbischen Hirten nicht eingehalten. Er verbot ihnen, das Weideland nach dem ersten Schnitt, wie versprochen, zu nutzen. Aufgebracht darüber trieben die Serben ihre Herden auf dieses Land. Das wurde als „der Aufstand der Serben“ bezeichnet. Redl forderte kaiserliche Truppen an. Sie schlugen die Revolte blutig nieder. Drei der Anführer erhängte man öffentlich.

      Auch politisch war dieser Aufstand für die serbische Bevölkerung ein Desaster. Die Auseinandersetzungen dienten als Vorwand, die Rechte der Serben weiter einzuschränken. Man verdrängte sie zunehmend in das Siedlungsgebiet Jammertal.

      Mein Vorfahr Michael Englert heiratete im Jahre 1864 Anna Obert. Ihre Familie war mit den vornehmen Familien Rendl und Weiß verwandt und verschwägert. Aus ihren Reihen stammten begüterte und gebildete Kaufleute, Fabrikanten und mittelständische Handwerker.

      Meine Ur-Ur-Großeltern Michael und Anna bekamen zwei Söhne. Der Älteste, mein Ur-Großvater, ein weiterer Michael, wurde 1865 geboren und sein Bruder Jakob zwei Jahre später im Jahre 1867.

      1888 heiratete mein Ur-Großvater Michael die hübsche und reiche Kaufmannstochter Anna Elmer. Sie gehörte zu einer großen Familie. Anna und Michael galten als rechtschaffen und fleißig. Bereits 1889 kam mein Großonkel Peter zur Welt (donauschwäbisch: Petervetter). Das Mädchen, das 1891 geboren wurde, bekam der Tradition entsprechend den Namen Anna, nach den Vornamen der Großmutter und der Mutter. Der zweite Sohn, der ihnen 1893 geschenkt wurde, war mein Großvater Michael Englert. Ich werde Ata zu ihm sagen. Er bekam 1896 noch einen Bruder, Joseph. Meine Mutter nannte ihn Seppvetter.

      Ende des 19. Jahrhunderts setzte es sich die Regierung Weckerle zum Ziel, kirchenpolitische Reformen für das ungarische Gebiet durchzusetzen. Im Jahr 1892 verstaatlichte sie das Schulwesen, führte die Zivilehe ein und übertrug dem Standesamt die Bedeutung und Stellung des Matrikelamtes. Dieses hatte die Aufgabe, Geburten, Todesfälle und Eheschließungen zu beurkunden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle großen Lebensereignisse allein durch die Kirchen dokumentiert. Ferner führte Weckerle eine 6-jährige Schulpflicht ein. Die Unterrichtssprache und damit Schwerpunkt war ungarisch – auch für die deutschen Schulen. Die deutschen Kinder waren dadurch zunächst benachteiligt, denn sie konnten natürlich in der fremden Sprache dem Unterricht nur schwer folgen. Später allerdings erwies sich diese zusätzliche Anstrengung als Vorteil.

      Mein Großvater besuchte von 1899 bis 1905 die Grundschule in Stanischitsch. Sein älterer Bruder Peter arbeitete zu dieser Zeit bereits im elterlichen Kolonialwarengeschäft. Auch sein Bruder Joseph wollte Kaufmann werden.

      Mein Großvater hatte jedoch andere Pläne. Nach seiner Schulentlassung ging er in das 28 km entfernte Baja und begann eine Lehre als Frisör oder Balbier, wie es donauschwäbisch hieß.

      Baja war ein pulsierendes Städtchen mit Theater und Künstlern, Geschäften und vielen fremden Besuchern. Dieses schillernde Leben gefiel meinem Großvater. Er liebte den Kontakt zu den Künstlern und dem Theater und schloss sich bald Laienspielgruppen an. Nach dem Abschluss seiner Lehrzeit machte er seine Meisterprüfung und übernahm 1911 einen Friseursalon. Gleichzeitig wurde er Maskenbildner am Theater und begann als Intendant, für Volkstheater Stücke einzustudieren.

      Sein Geschäft florierte. Das lag nicht zuletzt an seiner offenen und leutseligen Wesensart. Auf diese Weise knüpfte er auch gute Beziehungen zu den oberen Gesellschaftsschichten. Bald beschäftigte er fünf Gesellen und einige Lehrlinge.

      In dieser Zeit lernte er Rosalia Horváth kennen. Sie gehörte zu seinen Lehrmädchen. Das Mädchen hatte, trotz ihrer Jugend, bereits einige schwere Zeiten durchlebt. Sie wurde am 21.02.1901 geboren. Ihre Mutter starb im Wochenbett. Ihr Vater, ein Bürgerlicher, war Pfleger in einer Nervenheilanstalt. Um das Baby Rosalia kümmerten sich zunächst Pflegepersonen, die der Vater als Patienten in der Nervenheilanstalt betreute. Nach einigen Jahren heiratete er zum zweiten Mal und Rosalia bekam damit eine Stiefmutter. Diese behandelte das Kind sehr „stiefmütterlich“, wie der Volksmund sagt. Rosalie musste viel arbeiten und die jüngeren Geschwister versorgen. Und sie war ein zusätzlicher Esser am Tisch aus Sicht der Stiefmutter. Diese bestand darauf, dass sie sobald wie möglich wirtschaftlich selbstständig wurde. Rosalia weigerte sich jedoch trotzig und bestimmt, als Dienstmädchen zu arbeiten. Sie setzte durch, dass sie 1913, nach ihrem Schulabschluss, eine Lehre im Geschäft meines Großvaters machen konnte.

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