Название: Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben?
Автор: Barbara Kohout
Издательство: Автор
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783954889877
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Der überlieferte Spruch: Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not und erst dem Dritten das Brot, bewahrheitete sich oft.
Im Jahre 1800 erhielt Baron Redl von Rottenhausen Stanischitsch und seine Gemarkung als Donat (Geschenk oder Gunsterweisung) übereignet. Es war die Anerkennung der kaiserlichen Hoheit für seine gründliche Arbeit bei der Landvermessung. Aufgrund seiner Arbeit gibt es bis heute die Katasteramtsurkunden aus der Zeit der Donaumonarchie. Jeder, der Grund und Boden erwarb, konnte seinen Besitz nun urkundlich nachweisen. Baron Redl musste für das „Donat“ Grundsteuer entrichten. Auch ein Geschenk gab es nicht vollständig geschenkt.
Als “Patronius” hatte er für die religiösen Belange der Untertanen die Verantwortung zu übernehmen. Ein Teil der Kosten für die Seelsorger bezahlte er aus seinem eigenen Säckel. Den Rest mussten die “Colonis” berappen. Der Baron war geschäftstüchtig. Es gelang ihm, den Ertrag seiner Ländereien beträchtlich zu steigern. Da die Familie Redl katholischen Glaubens war, ließ er nur Katholiken zur Ansiedlung in Stanischitsch zu. Er hatte kein Interesse daran, arme Leute als Kolonisten auf seinem Land anzusiedeln.
Serben und Repressalien
Die serbischen Einwohner hatten mehr Dienste zu leisten und ihre Abgaben waren deutlich höher. Ein wesentlicher Grund für die ungleiche Behandlung war die religiöse Intoleranz des katholischen “Patronius“. Er lehnte den bratoslawischen Glauben ab. Baron Redl belastete die Serben mit einer Reihe von Sonderabgaben. Den zehnten, siebten oder fünften Teil ihrer Erzeugnisse von Weizen, Mais, Schweinen, Ochsen, Wein, Federvieh … mussten sie an den Patron abliefern. Außerdem war jeder Serbe, der eine Session Feld besaß, für 100 Tage im Jahr robotpflichtig. Eine Session war die Mindestgröße an Land, wenn man sich ansiedeln wollte. Es konnte aus Weideland, Ackerland oder Wald bestehen. Ich vermute, dass es die Summe aus 30 Morgen Ackerland und 10 Morgen Wiese umfasste. Dies war auch die Erstzuteilung an die Siedler. Die Serben, die Land besaßen, mussten folglich fast ein Drittel des Jahres, natürlich meistens in der Hauptsaison, für den Baron arbeiten – umsonst „für gute Gesundheit“. Für unbotmäßiges Verhalten wurde die Prügelstrafe eingeführt. Der Aufseher brachte eigens dafür eine “Deres“ mit, eine hölzerne Bank, um gleich an Ort und Stelle einen „Schuldigen“ zu bestrafen. Für eine krumme Furche gab es 25 Schläge. Ein kleiner Schaden durch weidende Schafe wurde ebenfalls mit 25 Schlägen geahndet, ein größerer Schaden mit 50.
Noch eine besondere Art der Demütigung schürte Hass und Verbitterung. Die Erinnerung daran wurde noch Generationen später gepflegt. Im Jahr 1815 begann man, eine katholische Kirche zu errichten. Die Serben mussten im Rahmen ihrer Robotdienste auch beim Bau der Kirche mithelfen. Die Arbeiten an sich waren für die Serben nicht das Problem. Es störte sie der Platz, an dem sie bauen mussten: Die neue Kirche wurde auf dem Friedhof der Serben errichtet. Diese Schändung des Andenkens der Toten konnte niemand verwinden. Bis auf den heutigen Tag begießen Serben die Mauern der katholischen Kirche in Stanischitsch mit Wein, um an ihre Ahnen zu erinnern. Und noch immer bringen einige ihren Hass und ihre Verbitterung dadurch zum Ausdruck, dass sie an die Mauern urinieren.
Ich schätze, die deutschen Siedler machten sich kaum Gedanken über Recht oder Unrecht, das ihren Mitbürgern zugefügt wurde. Sie kamen schließlich mit Billigung und Willen seiner allergnädigsten Obrigkeit und Majestät in dieses Land – unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften. Sie hielten sich selbst nicht für die Fremden. Sie sprachen Deutsch – die Amtssprache! Nach Auffassung der Siedler hatte also alles seine Ordnung. Was sie ihrem Standpunkt entsprechend „rechtmäßig“ in Besitz genommen hatten, vermehrten sie mit Fleiß, Ausdauer und Rechtschaffenheit. Darin fühlten sie sich gegenüber den Serben überlegen.
Aus dieser unkritischen, überheblichen Haltung heraus leiteten sie ihr Recht ab, die Serben zu verachten und zu verspotten. Die Serben, so glaubten viele, seien an ihrem Unglück selbst schuld. Sie galten als ungebildet, faul, vergnügungssüchtig, trunksüchtig und rauflustig. Nur wenige brachten Verständnis und Mitgefühl auf. Schüchterne Annäherungsversuche wurden oft durch Missverständnisse im Keim erstickt.
Im Friseursalon meines Großvaters wurde häufig eine Episode aus dieser Zeit zum Besten gegeben: Ein deutscher Bauer breitet nach einer guten Ernte prächtige Kartoffel auf seinem Hof zum Abtrocknen aus. Es kommt ein Serbe vorbei und bestaunt sie. “Ala to je veliki krompir“ ‚ sagt er anerkennend. („Das sind aber große Kartoffeln.“) Der Schwabe versteht ihn nicht. Er hört das Wort veliki und meint, es sei das schwäbische Wort welich ( welk, auch weich). Sofort wird er zornig: „Was sind das? Welchi Krumbiere? Dein A… ist auch welich“. Das wiederum verstand der freundlich gesinnte Nachbar nicht. Beide waren ärgerlich aufeinander, dabei war es nur ein Missverständnis.
Meine ersten Vorfahren, der Fortschritt und die Menschen
Ziel war es zunächst, einfach nur zu überleben – und dennoch die Träume nicht ganz aus dem Blick zu verlieren. Meine Vorfahren erreichten im Herbst 1781 die neue Heimat. Im zeitigen Frühjahr 1782 musste viel Arbeit geleistet werden. Jede Hand wurde gebraucht. Und die Familie erwartete im Frühsommer ein zweites Kind. Bis zur Geburt sollten Haus und Stallungen fertig sein. Die Felder mussten mit Getreide, Mais und Kartoffeln bestellt werden. Zunächst kam es darauf an, das Nötigste für den Eigenbedarf zu erwirtschaften.
Die beiden Brüder hatten große Träume für die Zukunft: Der Bauer wollte einen Schweinemastbetrieb aufbauen. Sein Bruder träumte von der Pferdezucht. Die Bäuerin kümmerte sich um die Arbeit in Haus und Garten.
Das Kind wurde im Frühsommer geboren. Es überlebte. Die Familie wuchs. Zu ihr gehörten schließlich drei Mädchen und zwei Jungen. Auch auf ihren Schultern lag die Sicherung des Überlebens. Kinderarbeit war eine Selbstverständlichkeit. In die Schule konnten die Kinder nur gehen, wenn keine Arbeiten auf den Feldern anfielen. Bildung hielt man für Hoffart. Zeit zum Lernen und für Schulbesuche zu verwenden, hieß, „dem lieben Herrgott den Tag stehlen“. Schulpflicht bestand ohnehin nur bis zur 4. Klasse.
Alle Kinder wurden auf drei Schulklassen aufgeteilt. Zwei für die katholischen Siedlerkinder und eine für die Kinder der Serben. In jeder Klasse wurden die Jahrgänge von der ersten bis zur vierten Jahrgangsstufe unterrichtet. Bildung zu vermitteln, war die Aufgabe der Kirche.
Mit elf oder zwölf Jahren mussten sich die Mädchen als Dienstboten verdingen. Eine Berufsausbildung für Mädchen war nicht vorgesehen. Ihre Bestimmung sollte Ehefrau und Mutter sein. Das galt auch für meine Vorfahren. Da die Töchter hübsch und fleißig waren, fanden alle drei einen passablen Hochzeiter. Ihr Leben war weit weniger vom Kampf ums Überleben geprägt als das ihrer Eltern. Sie begannen, sich mehr für Wohlstand und Bildung zu interessieren.
Auch der Onkel der Mädchen heiratete. Er verliebte sich in die einzige Tochter eines Siedlers, der schon etwas länger ansässig war. Ihm wurden zwei Söhne geboren.
Zunächst arbeitet der Onkel als Rosshändler. Nach und nach baute er sich ein kleines Gestüt auf und verwirklichte seinen Traum von der Pferdezucht.
1811 wurde Stanischitsch zur Marktgemeinde. Das Dorf bestand mittlerweile aus 500 Häusern. Der Handel blühte. Das Handwerk florierte. Die ersten Fabriken wurden gegründet: Die Ziegelfabrik produzierte für den wachsenden Bedarf gebrannte Ziegel für die neuen, größeren Häuser, die den sprießenden Wohlstand der Siedler demonstrierten. Die Hanffabrik lieferte den Rohstoff für die Seile und Stricke, die Halfter und Pferdedecken oder die Säcke, in denen der Kukuruz (donauschwäbisch: Mais) СКАЧАТЬ