Название: Briefgeschichte(n) Band 2
Автор: Gottfried Senf
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783961450459
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Unsere Woche in Bad Birnbach war großartig! Die Werbung spricht vom "ländlichen Bad" und hat alles gehalten: eine herrliche Ruhe, schöne Fahrten mit eigenem Auto oder mit Bus nach Salzburg, Passau und zu dem einmaligen Museumsdorf im Bayerischen Wald, die meiste Zeit jedoch Erholung in den Thermalbädern des Ortes, mit Sauna, Kneippbad, Unterwassermassage ... Alles wirklich sehr angenehm - Hotel mit Bademantelgang zu den Bädern - und trotzdem preiswert! Wir haben für die Winterferien im Februar schon wieder eine Woche gebucht.
Viel Zeit habe ich in den letzten Wochen gebraucht, um die Paul-Guenther-Materialien erst einmal - nach langer Pause - wieder zu sichten und etwas weiterzuführen. Auch Deinen Briefwechsel zur Suche nach Virginia habe ich mir noch einmal genau angesehen. Es war eine aufwendige Arbeit damals für Dich! Da machen sich viele gar keine Vorstellung und für manchen sind allein die Spendengelder relevant! Nun ja, es gibt eben solche und solche!
Neulich erhielt ich die Trauerrede des Geithainer Pfarrers von 1912 zur Beerdigung von Bruno Guenther. Er starb am 23.5.1912 nach langer, schwerer Krankheit. Elf Jahre war er gelähmt, Folge eines Unfalls beim Obstpflücken. Es verwundert schon etwas, dass der einzige Sohn weder zur Goldenen Hochzeit seiner Eltern im Jahre 1909 noch zum Tode seines Vaters 1912 nach Geithain gekommen ist. In diesen Jahren war Paul Guenther doch schon sehr reich und finanzielle Gründe dürften es sicher nicht gewesen sein, die eine Reise von USA nach Deutschland im Wege standen. War er im Betrieb zu sehr eingespannt? War es die lange Reisezeit? Unmittelbar nach dem Tod der Mutter (18.11.1918) reiste Paul Guenther nach Geithain und errichtete die "Bruno-und Therese-Guenther-Stiftung". Ein zweiter und letzter Besuch in Geithain erfolgte 1929, als er sich zu einer Kur in Deutschland aufhielt. Ob die Auswanderung in die USA mit oder ohne Wissen der Eltern geschah, ob mit oder ohne deren Billigung – zu all dem kann man eben zum jetzigen Zeitpunkt nur Vermutungen anstellen. Es muss natürlich weiter geforscht werden.
Nächste Woche nehme ich an einer Veranstaltung des Heimatvereins in Limbach teil. Ich hoffe ja immer noch, die Schülerlisten der Wirkereischule aus den 1870er Jahren irgendwann einmal zu bekommen. Auch mit Thalheim und dem Amtsgericht Chemnitz (Grundbuchamt, das im Testament erwähnte Grundstück in Neukirchen betreffend) wurde Verbindung aufgenommen bzw. weitergeführt. Übrigens, warum ist von der Spende Guenthers an die Universität in Princeton - habe ich alles noch einmal in Deinem Briefwechsel gelesen - an der Uni selbst nichts bekannt? Es stand doch nicht nur im Testament, sondern wurde auch in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Und noch etwas: Ich habe mit Frau Shuler in Dover wieder Verbindung aufgenommen und erwarte von ihr nicht nur ihre Email- und Fax-Adresse, sondern auch die von der Bibliothek in Dover, vom Schulamt und anderen Stellen! -
-- Es ist gerade mal 10 Jahre her, als die Welt außerhalb der DDR für uns wirklich "eine andere, geradezu außerirdische, uns nicht zugängliche Welt" darstellte!
Die vielen Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag des Mauerfalls, die Fernsehfilme, Debatten und Talkshows, die Flut von Zeitungsartikeln und Rundfunkberichten ebben nun langsam ab. Es gab viel Gutes und Interessantes, aber ebensoviel Schrott!! Und wie schnell vergessen die Leute! Manche Diskussion bewegte sich ähnlich wie in Hammers Buch über das Leben an der Juri-Gagarin-Schule! Unbeteiligte müssten sich fragen: Warum ist eigentlich die DDR untergegangen? Es war doch alles so gut geregelt!? --- Vielleicht sollte ich doch nicht nur in der Biografie Guenthers etwas weitermachen, sondern aus meiner Sicht einige Aspekte des Schullebens in der DDR darstellen. Mich ärgert schon die abermals einseitige Betrachtung und überhaupt die ganze kleinliche Ossi-Wessi-Klagerei! Ein Titel einer Fernsehdiskussion in der letzten Woche gefiel mir besonders:
"Deutschland einig Jammerland!"
Das ist auch eine Erfahrung meiner Irland- Wochen: Fast nur mit Leuten aus USA, Kanada und Westeuropa zusammen, immer nur höchstens drei bis vier Deutsche und davon ich stets als einziger Ostdeutscher --- einhelliger Tenor: Was wollt Ihr Deutschen bloß? Sind Eure Probleme wirklich echte Probleme? --------
Ich setze den Brief heute fort. Gestern Abend wurde es dann doch zu spät. Wir sind gerade von einem Winterspaziergang zurück. Heute ist Totensonntag und wir waren am Grab unserer Oma auf dem Geithainer Friedhof. Herrliches Winterwetter. Wir sind an der Damm-Mühle und der Stadtmauer die Promenade entlang, dann durch die Pforte wieder in die Stadt und durch die Laachgasse, am Pulverturm vorbei, nach Hause gegangen. Geithain ist schon eine sehr schöne alte Stadt! Das sagen mir meine E-mail-Partner aus USA und Kanada immer, obwohl sie nur die Homepage von Geithain im Internet kennen. Dort sind sehr schöne Farbbilder von Geithain zu sehen, leider z. Zt. alles nur in Deutsch beschrieben. Ich werde bei der Redaktion einen "link" vorschlagen, damit die Erklärungen in Englisch abrufbar sind.
Zum Schluss noch eine kleine Bitte an Dich. Es ist eigentlich mehr ein Spaß. Die hier sehr beliebte Popgruppe "Die Prinzen" (alles ehemalige Thomanerchor-Mitglieder!) sind mit einem frechen Song zum Radfahren in aller Munde. Unser Enkel hat die CD von den „Prinzen“ und kann alles auswendig. Daher kenne ich den Text. Die Norweger von der letzten Irlandwoche verstehen etwas Deutsch. Aber den Amerikanern sagt er absolut nichts. Es wäre ein Gaudi, wenn ich in den nächsten mails ihnen den Text in Englisch schicken könnte. Für mich ist die Übersetzung zu schwer. Hilfst Du? Vielleicht lässt sich manches gar nicht übersetzen. Mal sehen, wie gesagt, es ist mehr ein "joke"! Füll` einfach nach Deinem Ermessen die Zeilen in dem beiliegenden Blatt aus.
Herzlichst Eure Geithainer
01. November 1999
Lieber Gottfried, liebe Karin,
wir danken sehr herzlich für den langen Brief mit Bildbeilagen vom 1. Oktober. Auch gratulieren wir zum Rentnerleben. Wann ist Karin ebenfalls soweit? Ich bin es seit 10 Jahren und das waren, in mehr als einer Beziehung, schöne und ereignisreiche Jahre, die uns, zum Beispiel, die Freundschaft mit Euch einbrachten, und nicht einen Moment von langer Weile! Ich glaube nicht, dass Dir die Umstellung schwerfallen wird. Dafür bist Du zu interessiert und neugierig an allem, was Dir in den Weg kommt. Wer sich in dieser aufregenden Zeit, in der wir leben, langweilt, muss schon etwas beschränkt sein. Leider sind das nicht wenige.
Auch wir hatten einen „richtigen“ Sommer, wie Du sagst. Sehr heiß und sehr trocken. Unbedingt erfreulich ist das nicht. Ich denke da an den „Greenhouse Effect“. Doch ist es schön, wenn man auf Reisen ist. Frankreich ist schon ein außerordentliches Land. Es zieht uns dort immer wieder hin. Ob wir`s noch einmal schaffen? Wir hatten eine herrliche Woche in Neufundland, aber darüber schrieb ich sicherlich schon.
Angelika und Günter sind seit dem 17. September hier. Sie kauften ein Haus in Georgetown, zu Fuß 20 Minuten von uns, 10 Minuten mit dem Rad, 2-5 Minuten mit dem Auto. Natürlich mussten sich die beiden sogleich ein Auto zulegen. Nun steht das die meiste Zeit herum. Auf Arbeitssuche geht Angelika demnächst. Bisher hatten sie zu viel damit zu tun, sich einzurichten. Wir sehen sie fast jeden Tag, und das ist natürlich sehr schön. 31 Jahre lang war sie in Deutschland.
Ich fand beim Umräumen ein kleines vergilbtes Heft und las es wieder. Es enthielt die rasante Rede, die der große Sozialdemokrat Kurt Schumacher auf dem ersten Nachkriegs–Parteitag der SPD gehalten hat. Ein klarer, unbestechlicher Geist, der sofort erkannte – schon 1946! - in welche Sackgasse die SED führen würde. Diese Rede machte 1946 einen großen Eindruck auf mich und sie tut es, beim Wiederlesen, noch. Kein Wunder, dass die „Aufarbeitung der SED-Vergangenheit“ vielen in Ost und West Schwierigkeiten macht. Eins ist klar, ohne die Macht der Russen im Rücken hätten sich Ulbricht und Genossen und Nachfolger nicht 40 Jahre lang halten können. Möglicherweise wäre das Regime der SED schon 1953 zu Ende gegangen. Interessant finde ich auch die 89/99 -Artikelfolge in der „Zeit“. Es wird noch mindestens 20 Jahre dauern, bis die zwei Deutschland wieder gemeinsame Erinnerungen haben, auf die sie stolz sind.
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