Briefgeschichte(n) Band 2. Gottfried Senf
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Название: Briefgeschichte(n) Band 2

Автор: Gottfried Senf

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783961450459

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СКАЧАТЬ war Guenther 1927 schon leidend. Der Verkauf der Fabriken muss ihm einen schönen Batzen Geld eingebracht haben. Den hat er natürlich nicht zu Hause rumliegen lassen, sondern hat dafür Wertpapiere (Aktien) gekauft. Zwei Jahre später kam der Börsenkrach, der die Stagnation der dreißiger Jahre zur Folge hatte. Ich bin sicher, dass Guenther damals einen großen Teil seines Vermögens verloren hat. Auf jeden Fall war nach seinem Tode nicht genug Geld da, um alle im Testament vermerkten Spenden auch auszuzahlen. Princeton bekam nichts. Olga lebte in einem Apartment am Central Park in New York, der teuersten Gegend der Stadt. Sie hatte ein Auto mit Chauffeur und reiste mit denen (per Schiff) nach Europa, und das nicht nur einmal. Als wir einmal mit Virginia und Robert zusammensaßen, fragte ich Virginia, wo sie war, als 1939 der Krieg ausbrach. „Da waren wir in Garmisch. Den ganzen Sommer 39, einem herrlichen Sommer mit schönstem Wetter, reiste ich mit meiner Großmutter im Auto durch Deutschland. Als der Krieg ausbrach, fuhren wir von Garmisch nach Amsterdam, um dort per Schiff nach den Staaten zu kommen. Doch mussten wir zwei Wochen in Amsterdam warten, ehe wir auf einen Dampfer kamen, der auch das Auto mitnahm.“ Virginia weiß von ihrer Großmutter viel mehr als von ihrem Großvater. Deshalb freut sie sich über unsere Forschungen zur Biografie Paul Guenthers. . …Alles erdenklich Gute wünschen wir Euch. Kommt einmal wieder her. Much love from John + Gisela

       10. Januar 2000

      Lieber Gottfried,

      hier ist noch einmal eine „verbesserte“ Übersetzung des Biker-Songs der „Prinzen“. Ich hatte hier einigen Erfolg damit. Aber einige leidenschaftliche Autofahrer sind etwas pikiert, wenn ihnen der Refrain („Jeder Popel fährt nen OPEL …“ vorgesetzt wird.

      Die „Affäre Kohl“ ist ein starkes Stück, aber überrascht bin ich nicht. Der Mann ist m.E. ein Schwindler und über das „Ehrenwort“, das er seinen geheimen Bestechern gegeben hat, kann man nur lachen. Der „große Kanzler der Wende“ war ein Geschöpf der Medien. Auch „Die Zeit“ hat an dieser Stilisierung mitgearbeitet. Ich kann es nicht oft genug sagen: die CDU faselt ständig vom Rechtsstaat und vom Recht auf Eigentum, aber in ihren „Handlungen“ handelte die Partei unter Kohl diktatorisch: Wie da in Ostdeutschland mit enteignetem Besitz umgegangen wurde (nach der Wende!) ist ein Skandal, der vielleicht eines Tages auch für die Medien interessant werden wird. „Gorbatschow machte es zu Bedingung, dass die „Bodenreform“ unangetastet bleiben muss“. Der Mann stellte diese „Bedingung“ nie. Er überließ es den ost– und westdeutschen Regierungen, das auszuhandeln, und die hatten nichts anderes als ihren Vorteil im Sinn. Früher oder später kommen solche Machenschaften ans Licht. Man wundert sich, warum solche Tricks immer wieder versucht werden. Das, was Schaden erleidet bei solchem Handeln, ist die Demokratie, und das sind letzten Endes wir alle.

      Das neue Jahr hat weder Hoffnungen noch Befürchtungen erfüllt. Es geht alles so weiter wie bisher. Der große Computer-Crash zur Jahrtausend-Wende ist nicht eingetreten und ein „Weltenende“ erst recht nicht! Ist es nicht merkwürdig, dass sich gewisse Leute so sehr nach dem „Ende“ sehnen, dabei gehört unser Planet doch zu einem riesigen System sich untereinander bedingender Himmelskörper. Unser Gottbegriff dreht sich um so kleine Einheiten. In Wirklichkeit ist alles viel größer und mächtiger und auch ferner von unseren persönlichen Wünschen und Leiden. Dir und Karin wünschen wir alles Gute und Schöne. Habt ihr vor, einmal wieder nach Nordamerika zu kommen? Herzliche Grüße von John + Gisela

       06. Februar 2000

      Lieber Gottfried, liebe Karin,

      vielen Dank für die durch Angelika vermittelten interessanten Nachrichten. Die Buchstaben ä, ö, ü, werden von der Fax- oder E-Mail-Maschine nicht übermittelt. An dieser Stelle setzt die Maschine ein Fragezeichen. Abgesehen von diesen kleinen Schönheitsfehlern haben mich Deine Forschungsergebnisse natürlich gefesselt. Leider sind auch die Photos nicht übermittelt worden. Unsere Tochter hat dafür nicht das richtige Gerät.

      Die „Lässigkeit der amerikanischen Soldaten“, wie wir sie 1945 erlebten, war wirklich eine große Überraschung für uns Deutsche! Wir kannten die krachende Zackigkeit des Militärs und der SS. Ich war einmal mit meiner Mutter beim Kommandanten, der ein kleines Büro hatte neben dem Büro des damaligen Bürgermeisters Müller (dem Stiefvater von Frau Thiemann). Das war wohl im Mai 45. Ein Soldat kam ins Büro und setzte sich mit einer Hinterbacke gemütlich auf den Schreibtisch des Kommandanten und unterhielt sich mit ihm. Wir waren natürlich sehr erstaunt. Vor amerikanischen Krankenhäusern und Kasernen standen Schilderhäuschen, aber die Wachhabenden saßen meist daneben auf einem zurück gekippten Stuhl und sahen sich Comicbooks an. Es geht also auch anders. Bei den Russen ging es dann wieder zackig zu. In allen Diktaturen herrscht „Ordnung“, auch besteht in denen ein mächtiges Rangsystem. Es ist doch sehr merkwürdig, dass im Arbeiter- und Bauernstaat DDR, viel mehr aber in der Sowjetarmee, diese erstaunlichen Rangunterschiede bestanden zwischen Offizieren und Mannschaften. Es gibt ja immer noch Leute, die das vergangene Russische System als „links“ bezeichnen. Die Russen unter Stalin (und später) lebten - wie die Deutschen unter Hitler - in einem Staatskapitalismus, waren also „rechts“. Da kamen die zwei schlimmsten Sachen, Diktatur und Kapitalismus, zusammen! Unser Kapitalismus braucht die Demokratie, um halbwegs erträglich zu sein.

      Zur Affäre Kohl, die unterdessen auch eine Affäre der CDU geworden ist: „Die Zeit“ vom 27. Januar hat eine hoch interessante Artikelserie darüber: „Parteichef Helmut Kohl“ (Roger de Weck), „Schaden, Freude“ (Christoph Dieckmann), „Was heißt eigentlich Ehre?“ (Marion Gräfin Dönhoff), „Immer noch schlimmer“ (Tobias Dürr), „Alles in bar“ (Jochen Buchsteiner). … Es ist zum Weinen. Andererseits wären diese Machenschaften eines Politikers, der viel zu lange an der Macht war, in einer Diktatur in Geheimarchiven verschwunden. Ich hoffe, dass der jetzt beginnende Reinigungsprozess die zwei Deutschland näher zusammenbringt, zumal wenn Biedenkopf zum Zuge kommen sollte.

      Was in Österreich (Jörg Haider) vor sich geht, ist nicht schön, doch ist es ironisch, dass ausgerechnet die Amerikaner so scharf reagieren. Ich denke da an den vom amerikanischen Geheimdienst unterstützten Putsch gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Allende in Chile, der den grässlichen Faschisten Pinochet zur Macht brachte und Tausenden das Leben kostete. Im Garten des Kalten Krieges wuchsen merkwürdige und schrecklich aussehende Blüten!

      Zum Antisemitismus: Ich bin immer noch der Meinung, dass ein katholisches Milieu diesen in der Vergangenheit mit verursacht hat. Die Protestanten hatten immerhin eine innerkirchliche Bewegung (die „Bekennende Kirche“), die sich Hitler und seinen Lehren entgegenstemmte. In Rom gab es, abgesehen von einzelnen Priestern und Katholiken hier und da, keinen Widerstand gegen die Nazis. Mit der Lehre, dass Juden den „Heiland“ ermordeten, fängt das Unheil an.

      Hoffentlich ist dieser schnell geschriebene Brief leserlich. Im April werden wir wohl für drei Wochen nach England fliegen, Ende August vielleicht nach Deutschland. Doch ist das noch unbestimmt. Alles erdenkliche Gute und Schöne wünschen wir Euch. Mit herzlichen Grüßen von John + Gisela

       25. Februar 2000

      Lieber Gottfried, liebe Karin, wir bedanken uns sehr für Deinen „Rundgang durch die Geithainer Altstadt“ sowie die neusten Nachrichten Paul Guenther betreffend, und schließlich den ausführlichen Bericht über die unterirdischen Gänge in Geithain. Toll, was Du da alles zusammenträgst. Da wundert es mich nicht, dass Du kaum Zeit zum Briefeverfassen findest. Wir hörten mit Bedauern, dass der nette Herr Griesbach aus Dover/N.J., gestorben ist. Wenn Du an die Lehrerin Ulla Wienhöfer in Dover/N.J. schreibst, dann grüße sie doch bitte von uns. Es ist kaum zu glauben, dass in diesem Sommer vier Jahre seit unserer Reise nach Dover vergangen sind!

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