Tragödie im Courierzug. Uwe Schimunek
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Название: Tragödie im Courierzug

Автор: Uwe Schimunek

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520373

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СКАЧАТЬ Vermutlich würde ich mich einfach an Sie wenden.«

      Die Küchenmamsell wuchtete den Suppentopf auf den Tisch in der Essküche. Sie verteilte die Portionen: eine Kelle für Henriette von Gontard, eine halbe für Luise, die Tochter des Hauses, und drei für Gontard. Es roch nach Kartoffeln, und Gontard verspürte Hunger.

      Die Mamsell verließ die Küche. Henriette faltete die Hände zum Gebet. Gontard tat es seiner Frau gleich und blickte zu Luise. Die war mit ihren siebzehn Jahren eine junge Frau geworden. Gontard staunte beinahe jeden Tag über seine herangewachsene Tochter. Er wunderte sich nicht nur über die rundlichen Formen seiner Kleinen, noch mehr verwirrten ihn die erwachsenen Gesichtszüge Luises. In ihrem Antlitz zeichnete sich durchaus Anmut ab, aber für Gontards Geschmack hätte seine Tochter öfter lächeln dürfen.

      Nach einem kurzen Nicken von Henriette sprach Gontard das Tischgebet, dann aßen alle. Gontards Hunger schien eigentümlicherweise mit jedem Löffel größer zu werden. Er zwang sich, die Suppe nicht hinunterzuschlingen, und blickte zu seiner Frau.

      Vielleicht deutete Henriette das als Aufforderung, etwas zu sagen. »Es sind milde Tage«, stellte sie fest.

      Luise nickte so ernsthaft, als sei sie in einer Behörde für Wetterangelegenheiten beschäftigt.

      Gontard löffelte die Suppe. Draußen auf der Straße lag kein Schnee, aber immer wenn er ins Haus kam, war er doch froh über die wohlige Wärme des Heimes. In der Küche reichte der Herd sogar, ihn ins Schwitzen zu bringen. Gontard öffnete einen Knopf seiner Uniformjacke. Die Blicke von Frau und Tochter ruhten auf ihm. Er hielt das Wetter nicht für ein passendes Gesprächsthema, insbesondere wenn es nur um den Austausch von Belanglosigkeiten ging. Mit Schweigen würde er jedoch allem Anschein nach nicht davonkommen. Also erwiderte er: »Wenn ich den Himmel anschaue und den Wind bedenke, steht wohl Kälte bevor.« Damit schien alles gesagt. Sie aßen schweigend weiter. Mit jeder Minute erschien Gontard die Stille drückender. Noch vor einer halben Stunde hatte ihm die Hektik Unter den Linden fast die Nerven geraubt, und nun ertrug er die Ruhe nicht.

      Luise hatte ihre Mahlzeit bereits beendet und legte den Löffel zur Seite.

      Gontard überlegte, ob das Mädchen genug aß, war aber dann sicher, dass Henriette sich um so etwas kümmerte.

      »Hast du nach dem Mahl noch Zeit, das neue Klavierstück anzuhören, das deine Tochter gerade lernt?«, fragte Henriette und schob dabei ihren leeren Teller beiseite.

      »Selbstverständlich. Was spielst du gerade, Luise?«

      Die Tochter schluckte.

      »Sie übt am ersten Satz der Schumann’schen Phantasie. Ich finde, sie macht das ganz bezaubernd.«

      Gontard teilte Henriettes Enthusiasmus für Luises Klavierspiel nur selten. Eine Clara Schumann würde sie wohl nicht werden. Allerdings spielte sie gut genug, um später in der eigenen Familie zu feierlichen Anlässen ein Ständchen zu geben. Das war zu begrüßen, wie er fand, auch wenn die Kleine sich für seinen Geschmack mit der Familiengründung noch ein paar Jahre Zeit lassen konnte.

      »Sie hat mich heute Morgen ganz vorzüglich mit ihrem Spiel unterhalten«, fuhr Henriette fort.

      Luise hob den Kopf, als wolle sie etwas sagen, hielt die Worte aber zurück.

      »Auch die schwierigen Phrasen in d-Moll klingen nun gut. Ich bin so stolz auf unsere kleine Pianistin.«

      »Mutter, bitte!«, zischte Luise.

      Henriette zuckte zusammen und schaute zu ihrer Tochter. Plötzlich sah sie müde aus und alt. Sie drehte den Kopf und blickte fragend zu Gontard. Sekunden verronnen. »Luise, kannst du mir bitte erklären, was das soll?«, fragte Henriette, ohne ihren Kopf zu wenden.

      »Entschuldige bitte. Es ist doch nur …« Luise vollendete den Satz nicht.

      »Ich weiß manchmal nicht, was mit ihr los ist«, sagte Henriette.

      Vermutlich sollte Gontard als Familienvorstand jetzt eingreifen und ein Machtwort sprechen. Doch zum einen fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen können, und zum anderen wusste er nicht einmal, an wen er seine Worte hätte richten sollen. Worum ging es hier überhaupt? Luise sprach schon seit Jahren nicht allzu viel mit ihm. Gontard fragte seine Tochter gelegentlich nach ihrem Befinden, und sie erklärte in hübscher Regelmäßigkeit, ihr gehe es ausgezeichnet. Henriette hatte bislang nicht von Sorgen berichtet, was ihre Tochter anging, deshalb beließ Gontard es beim Schweigen.

      »Mutter, ich bitte noch einmal um Verzeihung, aber ich fühle mich noch nicht so weit, die Phantasie jemandem vorzuspielen.«

      War er denn ein Fremder?, fragte sich Gontard.

      Henriette sah ihn unentwegt an, als erwarte sie etwas von ihm. Auch Luises Blick wanderte von der Mutter zu ihm.

      »Lass das Mädchen doch!«, sagte Gontard.

      Das schien nicht der rechte Satz gewesen zu sein. Sowohl Henriette als auch Luise runzelten die Stirn. Dabei sahen sie einander so ähnlich, dass Gontard beinahe lachen musste.

Drei

      Hier muss es doch irgendeinen Hinweis geben«, sagte Ferdinand von Gontard.

      »Ick kann hier überhaupt nix erkennen.«

      Der Leichnam lag nach einer halben Stunde Buddelei weitgehend frei. Doch noch immer ließen sich keine Details ausmachen. Freilich handelte es sich um eine ordentliche Sauerei. Die Maden hatten im vergangenen feuchten Herbst ganze Arbeit geleistet. Von dem Mann, der vor ihnen ruhte, konnten sie sich kaum ein Bild machen. Die Stofffetzen der Hose mochten von einer Uniform stammen, am Oberkörper hatte der Tote vielleicht ein grobes Hemd getragen. Zumindest eines stand fest: Wenn er einen Waffenrock sein Eigen genannt hatte, musste er diesen vor seinem Tod abgelegt haben. Von einer Pickelhaube gab es ebenfalls nach wie vor keine Spur.

      »Vielleicht kieken wa mal drum rum«, schlug Quappe vor.

      »Das ist keine schlechte Idee.« Ferdinand stapfte los. Mit jedem Schritt versank er tiefer im Schnee. Das Gehölz endete an der flussabgewandten Seite an einem Waldstück. Zwischen den Buchen wucherten im Sommer bestimmt die Farne, jetzt ragten die Bäume kahl aus dem glatten Weiß. Bis zu den ersten Buchen ging es leicht bergan.

      »Scheiße!«, brüllte Quappe. Der Bursche war bis zur Hüfte in einer Schneewehe versunken. Er wühlte sich aus dem Loch und jaulte dabei wie ein Köter unter der Knute. »Ick gloob, mein Fuß fällt ab.«

      Ferdinand reichte Quappe die Hand, zog ihn hoch und wies mit einem Nicken nach rechts. »Da vorn liegt ein Baumstamm, dort können Sie sich hinsetzen.«

      Der Stallbursche legte Ferdinand die Hand über die Schulter. Gemeinsam bewältigten sie so den Weg zum Baumstamm. Ferdinand kam sich vor wie ein Soldat, der einen Verwundeten vom Schlachtfeld schleppte. Hoffentlich hatte Quappe sich nicht das Bein gebrochen.

      »Aua! Verdammta Mist!«, jammerte Quappe. Er saß auf dem Stamm und zerrte an seinem Stiefel.

      Ferdinand überlegte schon, ob er Quappe aus dem Schuhwerk helfen sollte. Doch der bekam den Fuß glücklicherweise allein frei. Unter den groben Lappen, die Quappe als Fußwickel benutzte, wurde eine ordentliche Schwellung sichtbar. СКАЧАТЬ