Tragödie im Courierzug. Uwe Schimunek
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Название: Tragödie im Courierzug

Автор: Uwe Schimunek

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520373

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СКАЧАТЬ gegolten. Aber womöglich sollte er eher im Innern nach einem Hinweis suchen. Ferdinand riss Stück für Stück den Stoff von dem Kleidungsstück und legte die Fetzen zum Moderkram am Rand der Tischplatte. Da war etwas! Im Futter der Brustpartie fühlte er einen Gegenstand. Ein Etui? Unter dem Futter befand sich eine Tasche. Ferdinand riss einen Streifen Stoff ab, und Leder wurde sichtbar. Das Fundstück hatte die gleiche Farbe angenommen wie die Textilien, ein Braungrau, als wäre der gesamte Fund von einem zu groß geratenen Regenwurm verdaut worden. Ferdinand hob den Gegenstand vorsichtig hoch. Es handelte sich nicht um ein Etui, sondern um ein Notizbuch. Der Einband zeigte keinen Aufdruck, weder Initialen noch ein Wappen oder Ähnliches. Auf der ersten Seite konnte Ferdinand die Schrift allenfalls erahnen, zu verblichen war die Tinte und zu verlaufen auf dem klammen Papier.

      Es klopfte an der Tür.

      »Ja, ja!«, rief Ferdinand und sprang auf.

      Ein junger Corporal polterte ins Zimmer und meldete: »Herr Lieutenant von Gontard, mich schickt die Poststelle mit einer telegraphischen Nachricht.«

      Ferdinand merkte, wie sein Herz ein wenig schneller schlug.

      Der Junge reichte ihm einen Zettel.

      Ferdinand las:

       Komme zum Wochenende – Stopp – Ankunft morgen mit Schnellzug – Stopp – Vater – Stopp

      Wenn Quappe stand, sah er völlig gesund aus. Ein ganz anderes Bild gab sein Gang ab. Der Stallbursche hinkte nicht einfach nur, seine ganze Körperhaltung wirkte, als bewältige er seine letzten Schritte. Ferdinand ging dieses Verhalten auf die Nerven. Vielleicht wäre ein Mädcheninternat die bessere Adresse für den Kerl! Doch Ferdinand ertrug das Gehabe, denn er wollte unbedingt mit jemandem reden, bevor er erneut zu Generalmajor von Frohwitz ging.

      »Und Sie bezahlen det Bier?«, vergewisserte Quappe sich.

      »Wenn wir jemals in der Wirtschaft ankommen, dann ja.«

      Prompt humpelte Quappe schneller. Sie schritten am neuen Schauspielhaus vorbei, über die Schweidnitzer Straße in Richtung Großer Ring. Der Verkehr wurde immer dichter, daher drängten sie an den äußersten Wegesrand. Hier standen zwar Bettler und Kolporteure herum, aber Quappe hätte den Droschken und Reitern in der Straßenmitte mit seinem verletzten Fuß nicht schnell genug ausweichen können.

      Vor der Brücke über die Ohle kam ihnen eine Gruppe Nonnen entgegen. Die Frauen schritten stumm, und dennoch machten alle Passanten sofort Platz. Quappe und Ferdinand waren gezwungen, kurz anzuhalten. Der Stallbursche rollte mit den Augen. Ferdinand wusste, dass Quappe mit dem Verkleidungsbohei der Katholiken nichts anfangen konnte, aber Breslau war Bischofssitz, da liefen eben Nonnen durch die Stadt. Immerhin beeilte Quappe sich in der Folge noch etwas mehr.

      Nach der kleinen Brücke über den Fluss wurde die Straße ein wenig breiter, und gleich nach dem alten Schweidnitzer Thor hatten sie es geschafft. Während die Massen zu Fuß, zu Pferde oder im Wagen weiter in Richtung Großer Ring strömten, bogen sie in die Junckherrngasse ein. Dabei sah Ferdinand aus dem Augenwinkel einen Soldaten in der Menge. Den kannte er doch! Woher, fiel ihm aber nicht ein.

      Quappe humpelte hurtig vornweg, sicher zog ihn das Bier an.

      Ferdinand blieb keine Zeit, weiter über den Mann in Uniform nachzudenken. Schon nach ein paar Schritten in der Junckherrngasse erreichten sie die Wirtschaft »Zur Goldenen Gans«. Es handelte sich um eine bei Soldaten beliebte Bierschenke. Ferdinand und Quappe tranken hier des Öfteren ein Glas zusammen. Auch in dieser Kneipe lauschten natürlich die Ohren Seiner Majestät, dennoch verkehrten aufgeklärte Geister wie die Dichterin Friederike Kempner in der »Gans«. Vielleicht lag es am Schankwirt, denn der achtete strikt darauf, dass jeder trank – immer. Ferdinand wusste nicht, warum, aber nie wagte ein Gast zu widersprechen. Lieber verließen die grauen Gestalten das Lokal.

      Ferdinand öffnete die Tür, und ein Schwall Kneipenluft schlug ihm entgegen. Es roch, als sei eine ganze Lieferung Tabak verbrannt worden. Er trat in die Wolke, Quappe folgte ihm.

      In der Wirtschaft schlugen vielleicht ein Dutzend Männer den Nachmittag tot, eine eigentümliche Mischung aus Offizieren und Schutzmännern mittleren Ranges, Bürgersleuten und Gesindel. In der Ecke brüllten ein paar Studenten, die Schärpen einer Verbindung trugen. In wenigen Stunden würden sie aus der Vielzahl der abendlichen Kneipenbesucher kaum noch herauszuhören sein.

      Ferdinand mied normalerweise die Nähe zu den jungen Verfechtern der deutschen Sache nicht, doch jetzt hatte er etwas Dringendes mit Quappe zu besprechen und nahm an einem Tisch in der gegenüberliegenden Ecke Platz. Kaum saßen sie, stellte der Wirt zwei Humpen Bier auf den Tisch. Ferdinand bedankte sich und zog das Notizbuch aus dem Waffenrock.

      »Nun machen Se ma nich so hastig! Ick hab Durst.« Quappe hob schon beim Sprechen seinen Krug in die Höhe.

      Er hatte ja recht, Leichen liefen nicht weg, aber Bier wurde schal. So ließ Ferdinand seinen Humpen gegen Quappes Krug krachen. Als ihm der Gerstensaft die Kehle herunterrann, stellte er einmal mehr fest, dass die Breslauer sich aufs Bierbrauen verstanden. In Berlin gehörte eine gewisse Kennerschaft dazu, eine Wirtschaft mit gutem Bier zu finden – hier an der Oder bekam man nur mit viel Pech ein schlechtes. Ferdinand stellte den Krug ab und legte das Notizbuch auf den Tisch.

      Quappe fragte: »Und det ham Se im Waffenrock von dem Toten jefunden?«

      Ferdinand nickte. »Die Seiten sind klamm und lassen sich kaum umblättern. Bis jetzt habe ich kein einziges Wort entziffern können.«

      »Det heißt, wir wissen so jut wie nix.«

      Ferdinand trank einen Schluck Bier. Wussten sie wirklich nichts?

      »Na ja, immerhin könn’ wa sagen, det da ’n Soldat liegt. Schon wejen die Pickelhaube.«

      Daran bestand kein Zweifel. Nur half ihnen diese Information nicht allzu viel, wie Ferdinand schon in seiner Stube festgestellt hatte.

      »Und von hier is er bestimmt och nich«, mutmaßte Quappe und trank einen großen Schluck.

      »Wie kommen Sie zu der Annahme?«, fragte Ferdinand.

      »Der liegt da ja schon ’ne Weile, und inne Garnison jibt et keene Vermissten. Det hätten wa doch jehört.«

      »Da haben Sie recht«, pflichtete Ferdinand dem Burschen bei und nahm den Biernachschub vom Wirt entgegen.

      »Det kann also irjendeena aus irjendeenem Truppenteil im Reich von Seina Majestät sein. Wenn wa doch nur det Buch trocken kriejen würden …« Quappe kippte sein Bier weg, als wolle er heute noch den gesamten Vorrat der Kneipe zunichtemachen.

      »Wir bräuchten einen sehr warmen Raum.«

      »Inne Küche is et warm.«

      »Aber zu feucht.«

      »Det stimmt.«

      Schweigend tranken beide.

      »Ich hab’s!« Ferdinand verschluckte sich beinahe bei den Worten. »Sie müssen doch in der Bäckerei immer die Reste für die Fütterung im Pferdestall der Garnison holen.«

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