Tragödie im Courierzug. Uwe Schimunek
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Название: Tragödie im Courierzug

Автор: Uwe Schimunek

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520373

isbn:

СКАЧАТЬ rel="nofollow" href="#ulink_291a1562-409f-5519-b5e3-2bbbcffadc69">17. Januar, 4 Uhr nachmittags

       Es geschah in Preußen …

Eins

      Ferdinand von Gontard duckte sich, wich dem Hieb aus und täuschte einen Stich an. Der Gegner antwortete mit einer Parade. Daraufhin zog Ferdinand den Degen blitzschnell zurück. Die Finte wirkte. Der Kontrahent stolperte zur Seite. Einen Augenblick wartete Ferdinand, dann drehte er seine Waffe und hieb mit der flachen Klinge nach dem Gegner. Das Metall klang sekundenlang nach, als es auf die Waffe des anderen traf. Der hatte den Hieb tatsächlich pariert. Ferdinand startete die Kombination, an der er die letzten Tage geübt hatte. Er machte einen Schritt rückwärts. Prompt lief der Kontrahent in die Falle und stieß seinen Degen nach vorn. Ferdinand reagierte mit einem Sprung zur Seite. Nun war seine Position optimal. Er drehte die Waffe erneut und schlug mit der flachen Klinge gegen den Helm des Gegners. Die Haube flog im hohen Bogen in den Schnee.

      »Autsch!«

      »Sie könnten tot sein, Quappe.« Ferdinand lachte.

      Quappe rieb sich die Stirn. Er sah aus, als wolle er noch etwas sagen, doch er schüttelte nur den Kopf und hob wortlos den Helm auf.

      »Los, wir fechten noch eine Runde!« Ferdinand begab sich in die Ausgangsstellung.

      »Och nee! Muss det sein?«, quengelte Quappe.

      »Ich möchte den Sprung mit dem anschließenden Ausfallschritt noch einmal üben, diese Balestra.«

      »Da krieg ick doch nur wieda det Ding anne Omme.« Quappe zeigte mit seinem Degen auf Ferdinands Waffe.

      »Los jetzt!«

      »Könn’ wa nich wenigstens erst ma een paar Meter Richtung Heimat laufen?«

      Ferdinand seufzte. »Meinetwegen. Aber nur so weit, dass uns von der Neustadt aus keiner sehen kann.« Das fehlte ihm gerade noch, dass einer der Vorgesetzten aus der Breslauer Garnison ihn hier bei seinen heimlichen Fechtübungen mit dem Stallburschen beobachtete.

      »Det is doch klar, Herr Ferdinand.« Schon trabte Quappe los.

      Ferdinand lief hinterher. An diesem Freitagmorgen war er froh, dass der Vater dem Burschen nach einigem Betteln den Posten im Stall der Breslauer Garnison verschafft hatte. Selbst das Stapfen im tiefen Schnee fiel mit einem Bekannten aus der Heimat leichter. Bei jedem Schritt versanken die Stiefel bis zum Knöchel. Durch den Wind, der Ferdinand ins Gesicht blies, fühlte sich die Luft an, als wolle sie sich in die Haut fressen. Dabei konnte es so kalt gar nicht sein. Die Oder floss zäh vor sich hin. Kurz bevor Ferdinand zu Weihnachten nach Berlin gereist war, hatte noch eine dicke Eisschicht den Fluss bedeckt. Nun weilte Ferdinand schon wieder über eine Woche in Breslau, fern der Familie. Mit jedem Abschied wurde die Reise in die Garnisonsstadt, in der er seit ein paar Monaten seine erste Dienststelle als Offizier Seiner Majestät hatte, mehr zur Gewohnheit. Seit der Schnellzug zwischen Berlin und Breslau fuhr, schien auch die Entfernung geschrumpft.

      Sie erreichten die Flussbiegung. Hier war der Blick auf die Oderbrücke durch einen Hügel mit Sträuchern verdeckt. In der verschneiten Winterwelt wirkte das Gestrüpp wie eine bizarre Festungsanlage für Gnome.

      »Hier üben wir weiter!«, befahl Ferdinand.

      »Aba …«

      »Jetzt!« Ferdinand hob den Degen.

      Quappe verdrehte die Augen und tat es ihm gleich. Die Klingen kreuzten sich.

      Ferdinand ließ es ruhig angehen. Mit einfachen Stößen hielt er Quappe in Schach, so dass der Bursche seinerseits zu keinem Angriff ansetzen konnte. Schritt für Schritt trieb Ferdinand Quappe den Hügel hinauf in Richtung des Gestrüpps. Dort waren ihre Übungen gut vor etwaigen Passanten verborgen.

      Ein paar Meter vor den Sträuchern verstärkte Ferdinand seine Vorstöße. Dennoch gelang es Quappe, sie zu parieren und Ferdinands Klinge geradezu mustergültig zu binden. Der Stallbursche schien mindestens genauso von den Zusatzübungen zu profitieren wie er selbst, stellte Ferdinand fest. Das brachte einerseits Vorteile mit sich, denn so lohnte sich das Üben, und die Fortschritte stellten sich schneller ein. Andererseits zweifelte Ferdinand zunehmend an seinem Talent für die Fechterei, wenn schon ein Bursche, der im Stall der Breslauer Garnison zum wiederholten Male Anlauf für eine militärische Laufbahn nahm, zu einem ernsthaften Gegner heranreifen konnte.

      Ferdinand wehrte einen Angriff Quappes gerade so ab. Er durfte nicht träumen. Nach einem Ausfallschritt startete er eine Serie von Stößen. Quappe wich zurück. Lange würde Ferdinand diese Intensität im Kampf nicht durchhalten, aber der Knecht stand bereits beinahe mit dem Rücken zum Gestrüpp.

      Quappe schien den Hieben kaum noch etwas entgegensetzen zu können. Wie schnell sich das Blatt doch drehte! »Junger Herr, haltet ein!«, quetschte Quappe heraus.

      Ferdinand setzte zu dem Sprung an, den er unbedingt noch üben wollte. Doch zu spät, Quappe stolperte rücklings in die Sträucher. Als er zu Boden ging, jaulte der Knecht wie ein Hund, dem man auf den Schwanz getreten hatte. Sein Gestrampel bot ein bizarres Bild. Plötzlich verstummte er und hielt in der Bewegung inne.

      Schwungvoll stieß Ferdinand seinen Degen in den Schnee und eilte zu Quappe.

      Der Knecht lag im Geäst und rührte sich nicht. Seine linke Hand umklammerte etwas. Es sah aus, als versuche Quappe, sich an einem Stück Erdreich festzukrallen. Nein, eher erinnerte die braune Masse in seiner Hand an ein Pfund Sülze. Oder an Grützwurst – mit einem Stück Knochen darin.

      »Wat is denn det?«, schrie Quappe ein wenig angewidert. Er rollte zur Seite, von der Sauerei weg, und wischte beim Aufstehen mit der Hand einzelne Klumpen von seiner Uniform.

      Ferdinand schaute in das Gestrüpp. Dort, wo Quappe durch seinen Fall den Schnee beiseitegedrückt hatte, war noch mehr von der brauen Masse zu sehen. Es musste sich um Kot von einem Pferd handeln. Doch welcher Gaul kackte Knochen? Ein solcher lag zweifelsohne inmitten des Haufens. Wie sollte ein Pferd außerdem so weit vom Weg abkommen und in diesem Gestrüpp landen?

      »Ick will hier weg!«, jammerte Quappe.

      Ferdinand schüttelte den Kopf, nahm seinen Degen und stocherte vorsichtig in dem Brei herum. Unter dem Schnee lag gefrorenes Herbstlaub. Es pappte so fest zusammen, dass Ferdinand fast den Eindruck hatte, eine Holzplatte wegschieben zu müssen. »Helfen Sie mir doch mal, Quappe!«

      »Machen Se det nich, junger Herr!«

      »Haben Sie sich nicht so mädchenhaft, Quappe!«

      Der Bursche brabbelte etwas Unverständliches, nahm aber seine Waffe und half, das Laub beiseitezuschieben. Darunter kamen noch mehr Brei, Knochen und Klumpen zum Vorschein.

      »Weiter! Aber vorsichtig!«, befahl Ferdinand.

      Quappe stöhnte. Stück für Stück entfernten sie Schnee, Eis und Laub. Zeichneten sich dort Fetzen von Kleidungsstücken an einem verwesten Leib ab?

      »Reicht det nich?«

      »Da oben muss der Kopf sein. Ich glaube, in dem Gebüsch liegt ein toter Mensch.« Ferdinand СКАЧАТЬ