Название: Das Mitternachtsschiff
Автор: Wilfried Schneider
Издательство: Автор
Жанр: Исторические любовные романы
isbn: 9783957440839
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Sklaven kamen mit der Sänfte. »Steig ein«, forderte der Priester. »Gib der Schönen, was ihr gebührt. In solche Häuser geht man nicht auf eigenen Füßen.« Er zog die Vorhänge zu. »Ist es nicht angenehmer, mit blinden Augen getragen zu werden, als den Schmutz der Gosse zwischen den Zehen zu spüren?«
2
Das Blau im Fenster war dunkler geworden. Vom Hapi stieg die Dämmerung in die Gärten, am östlichen Ufer band sie schon die Erde an Nut, den kemetischen Himmel. Re gab dem Ostgebirge sein letztes Licht. Thot, der hilfreiche Mondgott, wies die letzte Barke zum abendlichen Ufer. An einer Torsäule des Wohnhauses lehnte Merit-Re, Neferheres Zofe.
»Chain!« lockte sie, »Chain!« Sakinu brachte ihr die Katze. »Chain!« Merit-Re streichelte das gelbe Fell des Tieres.
Abdi-ashirta verließ sein Zimmer und ging zu dem Syrer. »Uliliya ist in der Gesindestube«, meldete der Soldat. Er setzte den Helm auf, den er am Wasserbecken abgelegt hatte. Merit-Re lief ins Haus.
»Welch eine Villa! Selbst Würdenträger wünschen sich so ein Haus nur in heimlichen Gebeten. Sakinu, hast du schon einmal ganze Tage innerhalb der Mauern verbracht?« Der Seemann betrachtete den Garten, dessen Dattelpalmen, Granatäpfel und Eselsfeigen, Gemüsebeete, Fischteiche und Gehege mit Fasanen und Gänsen das Anwesen von Menfes Märkten unabhängig machten. »Ein Haus mit einem Obergeschoss betrat ich noch nie. Allein die Mittelhalle mit ihrer Dachtreppe ist so groß wie mein Heim in Zor.«
Verlegen hörte der Gardist seinem Gebieter zu, nie hatte ein Herr solche Worte an ihn gerichtet. Er zupfte an den Metallplatten seines Lederwamses, den Schild hatte er an die Beine gelehnt, das Kurzschwert drückte gegen die nackten Oberschenkel.
»Erzähle mir, wie du als Söldner nach Kemet kamst!«, forderte der Admiral.
»Ich … ich weiß nicht, was …«
»Rede, als wäre ich Uliliya.«
»Kemets Soldaten …« Der Gardist zögerte, fasste dann aber Mut. »Kemets Elitetruppen ritten durch unser Dorf. Aus dem Hinterhalt durchbohrten Pfeile den Standartenträger. Vielleicht geschah es aus Rache. Die Soldaten drangen in die Häuser ein.«
»Wie erging es deiner Mutter, der in Sidon Geborenen?«
»Als die Reiter in die Berge entschwunden waren, kamen wir zurück. Ich fand sie hinter dem Haus, auf der Erde liegend. Ein Blatt bedeckte ihre Lippen, es bewegte sich nicht. Ihr Sterben war wohl ein Versehen. Kemeten töten im Krieg keine Frauen und Kinder, wie sie auch keine Bauern töten, müssten sie doch im nächsten Jahr hungern wie das Volk, das sie erobert haben. Später brachte man mich als Gefangenen nach Menfe. Pharao brauchte Gardisten.«
»Geh zur Ruhe, Sakinu. Mich schützt die Nacht.« Abdi-ashirta setzte sich auf eine der Bänke am Brunnen und dachte an sein einsames Leben in Zor. Bei seinen Ankünften hatten ihn stets nur die Schiffseigner begrüßt.
»Du bist allein?«, fragte eine Frauenstimme.
»Merit-Re?«
»Merit-Re ist im Haus. Das Haus ist nun still.«
Abdi-ashirta sprang auf. Neferheres weißes Gewandt streifte das Gras. Im Licht der Hausfackeln bannten ihre großen Augen den Sidoner. Sie trug keine Perücke. Ruhig lagen die in ihre Haarsträhnen geflochtenen Tonkügelchen auf den Schultern. Abdi-ashirta nahm die Hände zur Stirn und verneigte sich.
»Es wird kühl«, sagte die Hausherrin, »gehen wir in die Kammern.«
Abdi-ashirta genoss das gewärmte Wasser im Granitbecken des Erdgeschosses. Brennendes Öl in Kupferkesseln schickte geheizte Luft durch die Kanäle unter den Bodenplatten. Die Stunden mit Neferheres hatten den Seefahrer kaum ermüdet. Seine Lehrer in Zor besaßen die gleichgültigen Stimmen alter Männer, die der morgige Tag wenig interessierte.
»Wie der Boden eines Tempels sich um Stufen erhöht, gliedert sich das Volk der Kemeten. Wie die Gottheiten vom Dunkel des Allerheiligsten verborgen werden, regiert Pharao jenseits alles Vorstellbaren, getragen von der Liebe und Verehrung beider Kemet. Diese Liebe und Verehrung sind wie die Pfeiler, von denen die Dächer der Tempel gehoben werden, dass sie die Wohnungen der Götter berühren.«
So hatte die singende Stimme der hohen kemetischen Frau gesprochen. Der Seefahrer hatte den betörenden Seerosenduft ihres Salbkegels geatmet und kaum den Blick von der schönen Gastgeberin lösen können.
»Pharao trägt nicht die rotweiße Krone beider Kemet, wundere dich nicht. Seinen Kopf bedecken Schwären, er verhüllt sein Haupt.«
Der Seerosenduft war stärker geworden, die Lotosblüte hatte ihren Abendwind in das Mitternachtszimmer gesandt.
»Vor drei Schemu berief Pharao Kaufleute in den Obersten Rat, Säule einer neuen Zeit und ein Ergebnis von Unruhen früherer Tage. Die Priester achteten auf ihren Ruf als treue Diener der Macht. Jetzt aber lerne kennen, was Sterbliche zu tun haben, wenn sie sich dem Göttergleichen nähern dürfen.«
Neferheres sprach noch, als Chons Licht bereits das Zimmer besuchte. Dann aber hatte sie bemerkt, wie der Mann vor ihr sie nicht als Lehrmeisterin wahrnahm, sondern als Frau. Wenig später hatte eine Bedienstete das Bad gerichtet.
Abdi-ashirta streckte sich in dem angenehmen Wasser. Er glaubte Neferheres Stimme zu hören und erinnerte sich, dass eine ungewöhnliche Zuneigung in ihren Worten war, wenn sie über den Pharao sprach. »Ich verstehe es nicht«, sagte er laut. Eine Nubierin kam mit neuer Kleidung und reichte ihm das Trockentuch.
Als er sich wieder zur Hausherrin setzte, trug er den dreimal gewickelten Rock der Oberschicht. Sein sidonisch geschnittenes Haar hatte die dunkelhäutige Frau mit Bienenwachs bestrichen, den Kopf bedeckte eine Rundperücke, wie sie die Oberen Menfes seit der Herrschaft Psammetichs trugen.
»Ich grüße den Kemeten Udjahoresnet.« Die Frau lächelte.
Sie beugte sich vor und berührte das Gesicht des Sidoners mit den Fingerspitzen. »Als ich klein war, erschreckte meine Bewahrerin mich mit Geschichten von Pheneschs. Sie beschrieb euch mit schrecklichen Worten. Die nächtlichen Fantasien eines Mädchens verwandelten die Räuber in kühne Eroberer. Nun sehe ich, die ungestümen Träume wurden dem Kind von Ma’at gegeben. Welch ein Leben ihr führt! Wie interessant du es erzählst!«
Abdi-ashirta lehnte sich zurück. Der niedrige Klappstuhl war unbequem. Die Gänseköpfe, in denen er endete und deren Schnäbel in die Querstreben bissen, drückten gegen seinen Rücken. Winzige Gazellen sprangen in die Eckverbindungen der Tischplatte, die Intarsien schienen sich im flackernden Lampenlicht zu bewegen. Der Kampfergeruch erinnerte ihn an die aus den Ländern jenseits der Ostströme wiederkehrenden Karawanen, deren Holz sie nach Zor brachten. In daraus gefertigten Truhen hielt sich zu Bewahrendes für lange Zeit. Auch Menfes Kammern waren damit ausgestattet.
»Belohne den nicht, der deine Hand küsst, statt sie zu füllen.«
Neferheres hob die Augenbrauen, als der Sidoner laut die altkemetische Tischinschrift vorlas. Sie beugte sich vor. »Iss von den Granatäpfeln, lege dir den Samen СКАЧАТЬ