Название: Das Mitternachtsschiff
Автор: Wilfried Schneider
Издательство: Автор
Жанр: Исторические любовные романы
isbn: 9783957440839
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Das Geschrei wurde noch lauter, als eine Frau ins Wasser stieg. »Djedkare! Djedkare! Djedkare!« Das braunhäutige Weib riss sich das Haar. »Bringt ihn mir wieder! Was schert einem Bauern das Meer! Soll er den Emmer ins Wasser säen? Bauern als Seeleute! Das hat der Hapi noch nicht gesehen! Ach, mein Djedkare, wer soll deine Arbeit machen? Der Pflug muss doch ausgebessert werden.« Grobe Soldatenhände erstickten die Worte.
»Sie werden von schlagenden Wassern zerbrochen!« klagte die dünne Stimme eines Alten, »verbrennen unter lohenden Himmeln. Aus den Winden stürzen Drachen, die alles verschlingen.« Fernstehenden wurden die Worte von anderen Mündern weitergegeben. »Den hat doch Abdju ausgespuckt. Halt dein Maul, du Sandschiffer! Rupft ihm den Bart, dem Weiberschreck!«
Die Wolken lockerten auf, für Augenblicke lagen die Schiffe im Licht.
»Seht! Seht! Re ist mit ihnen!« Der Ruf wurde zum Gebrüll der Menge. Der Schreiber des Siedlungsverwalters hatte Libyens Umrisse in den Sand gezogen. Rücksichtslose Füße löschten sie aus.
„Passt doch auf, ihr Schakale. Zertrampelt Kemet!«, rief er.
»Kemet ist das?«, empörten sich die Umstehenden. »So klein? Das passt ja zu Libyen wie ein Haar zur Glatze des Priesters. Die Zeichnung ist ein Fladen! Dem haben sidonische Hunde die Kenntnisse ins Ohr gepisst! He, warum machst du Kemet so klein?«
»Wie lange fahren sie um den Fladen? Was, das weißt du nicht? Und was ist auf der anderen Seite?«
»Die Geketteten laufen so langsam, dass ihnen die Vögel auf die Köpfe scheißen.«
»Gott Re hat die Expedition gesegnet. Habt ihr seinen Gruß gesehen?«
»Ja. Er leuchtete auf die Krummnasen!«
Hoch über den Lärmenden stieg ein Falke in den Wind, glitt nach Süden und vereinte sich über dem Meer mit dem Himmel.
»Der Königsvogel! Ein Zeichen! Horus ist mit euch! Er fliegt voran!« Hunderte Arme hoben sich als Gruß an die Schiffe.
»Pharao! Der Erhabene kommt!«
Soldaten bahnten eine Gasse, die Menschen warfen sich zu Boden. In der Sänfte saß Ptah-hotep, blickte durch einen schmalen Spalt und verzog verächtlich den Mund, als er den Admiral erkannte, der sich tief vor ihm verneigte. Er nahm das Leinen beiseite, deutete seinen Segen an und sprach altkemetische Worte, die der Sidoner nicht verstand und als Gruß des Pharao aufnahm.
Das Volk umlagerte die Marktstände. Eilige Finger schoben das Kupfer über die Planken und griffen nach Fladen und Bier. Die Ruderer dösten in den Bänken. Weinende Bauern klammerten sich an die Wandung, die vergangenen Jahre beherrschten ihre Seelen.
»Sat-apis, meine Frau! Ich komme wieder. Sage das den Söhnen von Bes, ihrem Vater.«
Wächter sorgten für einen stummen Abschied, der sidonischen Mannschaft hatten die Nächsten bereits in der Heimat eine glückliche Wiederkehr gewünscht.
Der Gong der Kemet tönte in die Gassen und trieb die Menschen zum Strand. Auf einem Schild wurde Ptah-hotep über das Ufer getragen. Bitten an Hathor um eine glückliche Fahrt, letzte Grüße und manchen Fluch schrie das Volk über das Wasser. Die Pauken begannen den Ruderern das Maß zu schlagen. Die Schiffe drehten zum Meer. Die Menschen standen mit offenen Mündern, die Worte aber blieben nun ungehört. Der Admiral Abdi-ashirta blickte auf ferne Wolkenberge im Abendhaus, unter denen Menfe lag, die Stadt des Pharao. Und die Stadt Nefeheres .
Langsam fuhr die Flotte den Wolken nach, die Segel im Wind, von dem jeder der Männer erhoffte, dass nicht das Maul des dem Tod verbundenen Anubis ihn herbei blies. Die Ruder bewegten sich im langsamen Schlag der Pauken, deren Klang hatte sich nun das Meer geholt. Plötzlich war der Lärm am Strand verstummt, selbst die Händler starrten mit ruhigen Mündern den Schiffen nach, ihre vordem fuchtelnden Hände auf die Verkaufsplanken gestützt. Re stand zwischen den Wolken, nach dem verhangenen Himmel der letzten Stunden schien er nun die Zweifel von gestern verbrennen zu wollen, so hart empfanden die Menschen die Glut dieser Mittagsstunde. Nichts war wie vor Tagen, nicht für die Besatzung, nicht für die Menschen der Siedlung, die fast zweihundert Seeleute auf ihren einsamen Weg verabschiedet hatten und erst jetzt in der Stille unter dem blendenden Himmel die Größe des Augenblicks erfassten. Djedkares Weib kniete sich in den Sand und schrie nach ihrem Mann, die Schiffe aber tauchten ein in Wolken und Meer, nur die Segel blieben kurze Zeit noch als purpurrote Punkte über dem Horizont.
Wortlos ließ Ptah-hotep sich zu seinem Gefährt tragen, der Hass dieses erbitterten Feindes der Expedition ließ keinen Gruß über die Lippen. Kerifer-Neith wandte den Blick von der Sänfte zum Abendhaus, in dem die Götter lebten. »Jetzt beginnt meine Zeit«, flüsterte er. »Admiral, die Welt wird sich uns zu erkennen geben.«
Mit heftigen Bewegungen riss ein Junge am Umhang seiner Mutter. Die Frau trug das feste Leinen der alten Zeit, durchsichtige Stoffe waren seit der Herrschaft Psammetichs verpönt. »Was willst du, mein Kleiner?«, fragte sie.
»Ich will Seemann werden!«
Kerifer-Neith ging zu ihm. »Komm in fünf Jahren zum Tempel der Neith und frag nach seinem Oberpriester!«
Die erschrockene Kemetin verneigte sich und bat um Vergebung für die Aufdringlichkeit. Sie tat es wieder und wieder, bis die Wachen sie wegzerrten.
»Ihr versteht nichts!«, schimpfte der Priester. »Die Worte des Kindes sind Kemets Zukunft«.
Die Menschen gingen zu den Häusern, stiegen auf die Dächer und blickten aufs Meer. Ruhig trieb das asiatische Haus die Wellen an den Strand, ein letzter Gruß der sidonischen Heimat für ihre an den Felsufern des Lazurwassers entlang in eine unbekannte Zukunft ziehenden Söhne.
Kerifer-Neith bat seine Göttin um die Wiederkehr der Schiffe, und er bat um das Leben ihres Admirals. Er stand vor der Truhe mit den letzten Dingen Abdi-ashirtas und befahl seinen Bediensteten, sie auf das Landgut Ift-ar zu bringen. Er ging durch den großen Raum im Erdgeschoss dieses Hauses, das nur für den Augenblick gebaut worden war und wohl bald eine der Zufluchten für jene wurde, die in der Werftsiedlung ihr Glück suchten und ohne eigene Wohnstatt waren.
Kerifer-Neith stieg auf das Dach, wie es die anderen Bewohner auch getan hatten und blickte nach Süden. Vor dem kemetischen Priester, dem Astronomen und Geografen Kemets, lag ein gleichgültiges, einsames Meer.
3
Abdi-ashirtas Hand glitt über das getränkte Holz der Heckwandung, er roch das Öl des neuen Schiffes. Die beiden Steuerleute neben ihm hielten die Kemet mit ruhigen Bewegungen auf Kurs. Lange Stunden fuhren sie schon auf dem offenen Meer. Diese Tage und Nächte am Beginn einer Fahrt nahmen der Mannschaft die Verbundenheit zum verlassenen Land. Abdi-ashirta dachte an einen Grabspruch, den Kerifer-Neith für ihn zitiert hatte.
Schüttle den Staub von deinem Fleisch,
mach dich auf den Weg in die Unendlichkeit.
Das niedere Schiffsvolk war nicht fähig, allein an fremden Ufern entlang zu fahren und musste sich den Befehlen der Oberen unterwerfen. Das Lazurwasser hatte sich die Siedlung mit ihrem lärmenden СКАЧАТЬ