Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 2 - Die Stimmen von Moskau. Tino Hemmann
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Название: Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 2 - Die Stimmen von Moskau

Автор: Tino Hemmann

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783954888993

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СКАЧАТЬ Unfall.«

      Sorokins Rache konnte angesichts dieser Erkenntnisse nur deshalb auf fruchtbaren Magnitogorsker Boden stoßen, weil er von seinem früheren Freund Sascha unterstützt wurde, der – im Auftrag seines korrupten Vaters – Fedor, den damals dreizehnjährigen Sohn der Ameise, in Moskau ent-führen sollte, Sorokin hatte ihn bei einer Frau und Zufallsbekanntschaft namens Jekaterina Ruslanowna Wolkowa im Stadtteil Tushino versteckt.

      Komsomolzev und Sorokin – Sascha und Tolik – die in ihrer Kindheit zusammen mit Galina ein Magnitogorsker Dreamteam gebildet hatten, wurden erneut gute Freunde, wenngleich sie sich nach den extremen Ereignissen nur noch im Internet begegneten.

      Der blinde Junge Fedor hingegen behielt nach seiner Rückkehr nach Deutschland Jekaterina Wolkowa, die er Katie nannte, in bester Erinnerung, denn die sah seiner Mutter Galina angeblich nicht nur ähnlich, sie war auch gegenüber Fedor sofort in eine mütterliche Beschützerrolle geschlüpft.

      Die Ereignisse im Juni des vergangenen Jahres waren jedoch in Leipzig ausgelöst worden, als der wohlhabende Russe Sergei Michailowitsch Smirnow wegen familiärer Probleme den eigenen Sohn und dessen Kindermädchen hinrichten ließ. Fedors Nase führte schnell zum Auftrags-Mörder, der kein anderer war als der Vater von Fedors Freundin Laura Sonberg. Dieser Frank Sonberg und sein Komplize Grollmann wurden auf der Flucht aus Deutschland dingfest gemacht. Die Beweislast war erdrückend, Sonberg wurde zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Grollmann hingegen erhielt eine deutlich kürzere Strafe wegen Beihilfe zu mehrfachem Mord, eine direkte Tatbeteiligung konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden. Sergei Michailowitsch Smirnow wurde in Moskau von einem Killer, angeblich im Auftrag seiner geschiedenen Frau, was nie bewiesen werden konnte, erschossen.

      Fedor erhielt angesichts der Moskauer Ereignisse seelischen Beistand, bezahlt von der deutschen Krankenkasse. Diese psychologische Hilfe blieb im folgenden Januar jedoch aus, als sie tatsächlich notwendig gewesen wäre, da zu diesem Zeitpunkt Laura und ihre Mutter in ein unbekanntes Land umsiedelten. Die Furcht vor einer vorzeitigen Haftentlassung des »Schlächters von Leipzig«, wie Lauras Vater von den deutschen Medien betitelt wurde, wog schlussendlich über Heimatliebe und bestehende Freundschaften.

      Lauras Abschied von Fedor kam erschreckend plötzlich und vollzog sich in nur zwei Minuten. Somit verlor Fedor innerhalb weniger Monate und während einer komplizierten pubertären Phase seine innigsten Freunde: Igor, den ermordeten Sohn von Smirnow, und Laura, das blonde Mädchen, von dem er deutlich mehr als nur Gesicht und Hände berührt hatte.

      *

      Dass Fedor nur noch selten lachte, dass er vielfach strauchelte und stolperte, dass sich seine Wutanfälle häuften, all diese Dinge waren dem Vater selbstverständlich nicht entgangen. Fedors Stimme veränderte sich allmählich, wurde tiefer, war ständig etwas heiser und überschlug sich oft. Doch machte die Stimme ihm ebenso wenig zu schaffen wie die meisten Veränderungen an seinem Körper. Ihn behinderten ganz andere Probleme: Fedor war in den letzten Monaten derart in die Höhe geschossen, dass er sich bereits der Einmeterachtzig-Marke näherte. Arme und Beine wirken am schmalen Körper lang und schlaksig, womit eingefahrene Bewegungen und gewisse gewohnte Abstände und Entfernungen einfach nicht mehr stimmten. Sein moderner Blindenstock, mit dem er einige Jahre bestens zurechtgekommen war, wurde zu kurz und musste eines Tages durch einen neuen Langstock ersetzt werden.

      Trotz all der negativen Tendenzen in dieser pubertären Übergangsphase stellte Anatolij Sorokin häufig fest, dass sich sein Sohn auch positiv entwickelt hatte.

      Fedor sah mit Hilfe seiner perfektionierten Echoortung und er bewegte sich oft schnell und sicher durch völlig unbekanntes Terrain. Das Schnalzen der Zunge optimierte er ständig, Fremde hörten es fast nicht mehr. Zeitig, bereits in frühester Kindheit, hatte der Junge die aktive menschliche Echoortung erlernt, das Klicksonar, wobei dezente Klicklaute seiner Zunge jeweils einen Schall aussendeten. Das von Gegenständen oder Hindernissen ausgehenden Echo des Klicklautes wurde sogleich im visuellen Kortex seines Gehirns ausgewertet. Über die Echos konnte Fedor Objekte bereits in einer Entfernung ab zirka zwanzig Zentimetern interpretieren. Er benutzte zwei oftmals schnell wechselnde verschiedene Klickformen. Für die unmittelbare Nähe einen schwachen, hohen Knall, den er vorn am Gaumen mit breiten Lippen erzeugte und der wegen seiner kleinen Wellenlänge eine hohe Auflösung entstehender Abbildungen ermöglichte, und einen am hinteren Gaumen erzeugten kräftigen und lauten Klick durch seinen geöffneten und zu einem O geformten Mund. Mit diesen, von seinen Mitmenschen deutlicher zu vernehmenden Klicklauten sah er Objekte in größerer Entfernung, diese allerdings in geringerer Auflösung. Der Schall wurde von den verschiedensten Materialien so reflektiert, dass Fedor ihn unterscheiden und den richtigen Oberflächen und Materialien zuordnen konnte. Häufig hatten Fedor und sein sehender Vater spielerisch die Entfernung verschiedener Bäume oder Gegenstände geschätzt. Und siehe da, Fedors Schätzungen waren wesentlich genauer gewesen.

      Mit der ständigen Nutzung des Klicksonars und wegen seiner hohen Begabung gelang es Fedor, die absichtlich erzeugten Echosignale von anderen akustischen Quellen zu isolieren. Mittlerweile beherrschte er die Echoortung so ausgezeichnet, dass er viele Echos – auch die von fremden passiven Schallquellen – in Bruchteilen von Sekunden intellektuell verarbeiten konnte. Somit trennte sein Gehirn die Schallwellen in zwei unterschiedliche Gruppen. Normale Umgebungstöne wurden als solche vom Gehirn als gehörte Töne verarbeitet. Die Schallwellen seiner aktiven Klicks oder die reflektierten von passiven Quellen sammelte sein Gehirn in komplexen, leicht verschwommenen und dreidimensionalen Graustufenbildern. Sehende Menschen sagen oft – auf eine akustische Störung angesprochen: »Das höre ich schon lange nicht mehr.« Ähnlich erging es Fedor. Die Schallwellen, die in seinem Kopf Bilder erzeugten, überlagerten die tatsächlichen Töne nicht. Beispielsweise stand Fedor am Straßenrand, ein Auto kam angefahren, dessen Motorengeräusch der Junge selbstverständlich hörte. Ferner wurden die Schallwellen des Motorengeräuschs von Straßenbäumen reflektiert, in Fedors Bild waren die Bäume zu sehen. Durch zusätzliches Klicken wurde das Bild vervollständigt. Fedor sah die Umrisse des Autos, Bordsteinkanten, einen Radfahrer, Straßenschilder und einen Mülleimer, der von einer Eisenstange im Boden gehalten wurde, dazu die Bäume, Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite, eine Häuserflucht, Fenster, Türen, Stufen und andere Menschen.

      Natürlich lag Fedors »Sehen« hinter dem tatsächlich Sehender zurück, Farben konnte er nicht wahrnehmen und sie sich nicht oder nur schwer vorstellen, kleine Objekte und Details unter zwei Zentimetern, wie beispielsweise flache Stufen oder Schwellen, zeigten sich nicht. Und doch hatte er es bereits mehrfach geschafft, größere Objekte in Entfernungen von über dreihundert Metern wahrzunehmen. Die Wahrnehmung als solche half dem Jungen, sich in fremden Umgebungen zu orientieren. Viel wichtiger war es für ihn jedoch, Dinge nicht nur wahrzunehmen, sondern sie anhand von Erfahrungen und Kenntnissen zu identifizieren.

      Fedor benutzte mitunter den neuen, hochmodernen Blindenstock, doch dessen Handhabung entwickelte sich nicht mehr weiter, sie hatte die höchste Nutzungsstufe erreicht, und das langweilte ihn. Also verließ sich Fedor auf die aktive Echoortung und damit auf seine Ohren. In zweiter Linie nutzte er seinen ausgeprägten Geruchssinn. Er trat nie in einen Hundehaufen, denn die verrieten sich ihm zeitig. Er erkannte praktisch alle ihm vertrauten Personen am Körpergeruch, was mit der Echoortung unmöglich war. Ein dritter Sinn, der Tastsinn, dem Fedor lange Zeit wenig Beachtung geschenkt hatte, half ihm mehr und mehr, die eigene Vorstellungskraft von Form und Zustand der georteten Objekte zu verbessern. Er unterschied bei Gegenständen und Gesichtern bereits zwischen schön und hässlich, jung und neu oder alt und kaputt.

      Allerdings – wie das bei einem Jugendlichen wahrscheinlich völlig normal ist – vernachlässigte er hin und wieder das einfache und gewöhnliche Verhalten, vergaß oft den Langstock und stolperte prompt durch Löcher und über flache Kanten, denn die sah er mit dem Klicksonar nicht. Zudem wollten die Beine und Arme nicht so reagieren, wie er es sich gewünscht hätte. Die Motorik seiner Bewegungen musste sich nach dem rasanten Wuchs erst wieder einjustieren.

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