Hispanien. Michael Koch
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Название: Hispanien

Автор: Michael Koch

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783945751022

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СКАЧАТЬ ist freilich, in welchem Maß die „Entdeckung“ des fernen Silberlandes in der zeitgenössischen Literatur Griechenlands ihren Widerhall findet. Dieser gleicht durchaus dem Echo, das mehr als 2.000 Jahre später die Entdeckung Amerikas und seiner Schätze auf der Iberischen Halbinsel auslöste. Die griechische Tartessos-Rezeption, einschließlich der Einbeziehung der Iberischen Halbinsel in den Sagenkreis des Herakles-Mythos, entstammt dem 7./​6. Jh. v. Chr., der ersten großen Phase griechischen Ausschwärmens nach Westen, wobei nicht auszuschließen ist, dass bestimmte Informationen schon früher aus phoinikischen Quellen nach Ionien gelangt waren. Die archäologische Forschung hat besonders im Raum Huelva ein starkes Anwachsen griechischer Importe aus dem 6. Jh. v. Chr. verzeichnen können (Domínguez Monedero – Sánchez Fernández 2001), was allerdings nicht automatisch auf die Präsenz griechischer Händler weist, da die Phoiniker selbst alles im Sortiment hatten, was im Ostmittelmeerraum produziert wurde, aber gelegentliche Begegnungen mit solchen nahelegt. Dass die Griechen, die aus verschiedenen Räumen und unterschiedlichen Dialektzonen stammten, in trt/​Tarschisch auf einen Markt mit „orientalisierenden“ Tendenzen trafen, ist eindeutig, wird aber bezeichnenderweise nirgendwo vermerkt. Dabei ist keineswegs zu unterstellen, dass die in späterer Zeit historisch bedeutenden Rivalitäten schon jetzt eine Rolle gespielt hätten. Sprechend ist allerdings die Tatsache, dass es im „tartessischen“ Raum keine nachhaltige griechische Kolonisation gab: Bis in römische Zeit bleibt der Küstensaum zwischen Huelva und dem terminus Tartesiorum, wie in der Ora maritima des Avienus die Nordost-Grenze von Tarschisch bezeichnet wird, von phoinikisch-punisch-karthagischen Siedlungen dominiert.

      Zum veritablen Mythos wurde „Tartessos“ durch eine Monografie des Erlanger Althistorikers Adolf Schulten, zuerst 1921 erschienen und vielfach übersetzt sowie nachgedruckt. Dieser Gelehrte, der wie mancher Deutsche vor und nach ihm zeitlebens der Iberischen Halbinsel verfallen war, hatte mit kaiserlicher Unterstützung im Raum Numantia gegraben, unter anderem über den lusitanischen Nationalhelden Viriatus und den vermeintlichen römischen Hispanienfreund Sertorius gearbeitet, ferner die erste Landeskunde des antiken Hispanien verfasst sowie, zusammen mit Robert Grosse, die Fontes Hispaniae Antiquae (FHA) als erste Sammlung hispanienbezogener antiker Schriftquellen geschaffen. Dies war nach Emil Hübners Sammlung der iberischen (MLI) und der lateinischen Inschriften Hispaniens (CIL II) die dritte deutsche Großtat zum Nutzen der althistorischen Forschung auf der Halbinsel, die es de facto bis in die 1930er-Jahre noch gar nicht gab.

      Schulten, in Deutschland wenig beachtet und zeitlebens dem Wilhelminismus verhaftet, ehrgeizig, eitel und von der Zustimmung so vieler Spanier gewaltig ‚erhoben’, gab dem durch den Schock der militärischen Niederlage gegen die USA von 1898 und den daraus resultierenden Verlust des Kolonialreiches tief verunsicherten Land etwas von seinem ehemals stolzen Selbstbewusstsein zurück. Als er schließlich mit „Tartessos“ ein aus Elementen des platonischen Atlantismythos, der herodoteischen „emporion Tartessos“ cum „Arganthonios“-Erzählung, der Mythografie des Iustinus, dem unendlichen Mineralreichtum des Landes und den in der Tat erstaunlich qualitätvoll-exotischen frühen Fundmaterialien nicht ohne pathetische Fantasie und suggestives Geschick sein Tartessos-Märchen kompilierte, legte er den Grundstein zu jener Projektion von einem protohistorischen „tartessischen Großreich“ auf vergleichsweise hohem zivilisatorischen Niveau, die jahrzehntelang die kulturelle Elite Spaniens, darunter ihren markantesten Vertreter Ortega y Gasset (1978, Bd. II, 177 ff.), faszinierte und die Vorstellung von einer glanzvollen Phase der hispanischen Frühgeschichte prägte. Dieser neu geschaffene Mythos verweigert sich auch heute noch vielfach der ungleich prosaischeren, wenngleich hochinteressanten Realität, soweit die Forschung sich ihr hat nähern können, wofür Schulten seinerzeit von dem großen Althistoriker Eduard Meyer heftig gescholten wurde. In Deutschland ist Schulten heute Forschungsgeschichte, während zumindest Teile der spanischen Altertumsforschung darum kämpfen, sich von seinem langen Schatten zu befreien. Andere Gelehrtenschulen, vor allem im Süden Spaniens, zeigen sich verbissen darum bemüht, die Bedeutung von „Tartessos“ durch Aktualisierung des Schultenschen Fantasie-Gemäldes nicht ohne chauvinistische Untertöne zu bewahren, wofür das Tartessos-Lemma des Archäologen Antonio Blanco Freijeiro im Diccionario de Historia de España von 1952, aber auch der jüngste Tartessos-Kongress („Tarteso. El emporio del metal“, Huelva 2011, 2013) anschauliche Beispiele bieten. In Fragen seiner realen oder vermeintlichen historischen Identität ist auch das postfranquistische Spanien ein hochsensibles Land geblieben. Vielleicht wird deswegen geradezu zwanghaft alle paar Jahre dasselbe leere Stroh gedroschen. In diesem Kontext droht Adolf Schulten inzwischen selbst zu einem spanischen Mythos zu werden.

      Was ist „Tartessos“ nach heutigem Forschungsstand? Auf die regionale südwesthispanische End-Bronzezeit mit einer mehrheitlich nicht-indoeuropäischen, überwiegend iberisch-sprechenden Bevölkerung, wie sie H. Schubart im Jahre 1975 umfassend dargestellt hat, trafen vermutlich im 10./​9. Jh. v. Chr. phoinikische, wahrscheinlich tyrische Seefahrer auf der Suche nach Rohstoffen und Handelsplätzen. Die Quellen legen nahe, dass sie alten Routen folgten und ihre Entdeckungsfahrten sehr gründlich vorbereiteten. Sie fanden in dem Raum zwischen dem río Guadalete, der Guadalquivir-Mündung und Huelva, was sie suchten: Zinnlieferanten, Kupferabbau und Silber, daneben auch Flussgold und Halbedelsteine, von denen einer, der Tarschisch-Stein, vermutlich ein Chrysolith, nach Ex 28,20; 39,13 sogar ins Pektorale des jüdischen Hohepriesters gelangt zu sein scheint, auch wenn das Alter dieser Nachricht undeutlich ist. Dass sich hier im Laufe der Zeit ein Emporium mit allem, was dazugehörte, entwickelte, ist durchaus glaubhaft. Auch die ökonomische und zivilisatorische Ausstrahlung, die solche Plätze allzeit auf ihr jeweiliges Hinterland zu haben pflegen, ist gewiss; gänzlich unsicher ist seine geografische Verortung. Die Versuche, das Emporium „Tartessos“ zu finden, notfalls auch unter dem heutigen Meeresspiegel oder dem Sand des wunderbaren naturgeschützten Nationalparks Coto de Doñana bzw. von Matalascañas, sind Legion und nehmen mit dem heute verfügbaren technischen Fortschritt eher noch zu, wobei lokalpatriotischer und regionaler Ehrgeiz ein oft eher hinderlicher Ansporn ist. Aber es ist leider meist immer noch das Schultensche Fantasiegebilde, welches gesucht wird: Sollte eines Tages tatsächlich Herodotos emporion (das wahrscheinlich in Späterem aufgegangen ist) gefunden werden, wird die Enttäuschung der Schatzsucher ungeheuer sein.

      Ob chief- oder Priester-Ornat: phoinikische Toreutik mit hispanischem Gold.

      Als Ergebnis dieser Begegnung, die sich von „stummem“ Handel bis in das 8. Jh. v. Chr. zu einer veritablen phoinikischen Kolonisationsbewegung steigerte, die sogar Spuren im Jesajabuch (23,10) des Alten Testaments hinterlassen hat, entwickelte sich im Südwesten und Süden der Halbinsel die sogenannte „orientalisierende Kulturphase“, gekennzeichnet durch die Erfindung einer einheimischen Schrift, Importe aus dem ostmediterranen Raum und ihre einheimische Rezeption und Weiterentwicklung [Abb. 4], aber auch durch technische Fortschritte, wie die Töpferscheibe, die Verbesserung der Metallschmelze und, außerordentlich bedeutend, landwirtschaftiche Verbesserungen und Neuerungen, wie, neben vielem anderen, die Einführung des Ölbaums, des Esels und des Haushuhns. Ostmediterrane Kolonisten führten auch eine neue Form von Hausbau ein. Religiöse Elemente ostmediterraner Provenienz tauchen ebenfalls auf: Die Ägyptologin Ingrid Gamer-Wallert hat 1978 mit der Katalogisierung der „Ägyptischen und ägyptisierenden Funde von der Iberischen Halbinsel“ einen umfangreichen Band gefüllt, der mit den seither gefundenen Materialien noch beträchtlich anwachsen würde. Ihre Fundkarten bezeichnen sowohl die engere „orientalisierte“ Zone der Halbinsel im Südwesten als auch die punischen Handelsverbindungen an der Ostküste, die aber nördlich des Cabo de la Nao deutlich abnehmen. Es kommt nach ökonomischer und kultureller Einflussnahme mit der Zeit auch zu Festansiedlungen ostmittelmeerischer Kolonisten sowie zur Anlage zahlreicher phoinikisch/​punischer Faktoreien (nicht selten in der Nähe einheimischer Wohnplätze) entlang der gesamten Südküste der СКАЧАТЬ