Hispanien. Michael Koch
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Название: Hispanien

Автор: Michael Koch

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783945751022

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СКАЧАТЬ hinaus ist es an der Zeit, angemessen auf den realen (oder vermeintlichen?) Wissenschaftsfortschritt, beispielsweise in der Vergleichenden Sprachwissenschaft, zu reagieren: Keltisch sprechende Personen sind nicht automatisch auch genetisch Kelten, gleiches gilt für den iberischen Bevölkerungsteil. Solche Selbstverständlichkeiten sind keineswegs Allgemeingut. Fortschritte gibt es vor allem im Bereich der Vor- und Frühgeschichte. Seit den Ergebnissen der Elfenbein-Forschung auf der Halbinsel, der Erforschung des kupferzeitlichen Hügelgrabes in Valencina de la Concepción, dem Schiffsfund von Ulu Burun und der Entdeckung mykenischer Luxusgüter in Kivik und manch anderer archäologischer ‚Sensationen‘ muss als sicher gelten, dass bereits mindestens kupferzeitlich sowie selbstverständlich in der Bronzezeit zu Wasser und zu Lande von Osten aus nach Westen und Norden – und zurück – erstaunliche Entfernungen zurückgelegt und gewaltige Räume erschlossen wurden, auch wenn diese Kontakte nicht regelmäßig und nur in größeren Zeitabständen stattfanden. Die historischen Wissenschaften öffnen sich nur zögernd den daraus resultierenden Erkenntnissen, wobei sie sich vielfach auf den lediglich punktuellen Charakter der Belege, auf Laufzeitprobleme und die Undurchsichtigkeit der Vermittlung von Handelsgütern berufen. Diese zum Teil durchaus begründeten Vorbehalte scheinen mir jedoch eher auf die schiere Zufälligkeit der Funde und Quellen abzuheben. Sie sind kein Beleg dafür, dass die Zeitabstände zwischen den Begegnungen immer riesig waren und dass diese Begegnungen jeweils ex novo stattfanden.

      Auf jeden Fall war die Welt der Bronzezeit, die am Beginn unserer Darstellung steht, ungleich offener und durchlässiger, als man noch vor wenigen Jahrzehnten für möglich hielt: Von ritzverzierten Stelen, Tafelgeschirr, Sitzmöbeln, Schmuck, Waffen bis zu Bestattungsformen zeigt die europäische Bronzezeit ein komplexes Bild von Kommunikation, Interaktion und kultureller Vergleichbarkeit über weiteste Entfernungen. Auch wenn die Randlage der Iberischen Halbinsel Information zu und Rezeption von bestimmten bronzezeitlichen Phänomenen verzögert haben mag, so nimmt sie doch an allem teil, was die Europäische Bronzezeit – und nicht nur sie – ausmacht.

      Mein Interesse, eine solche Arbeit in Angriff zu nehmen, verdankt sich unter anderem einem großen Vorbild: Gerald Brenans mittlerweile klassischer Studie „The Spanish Labyrinth“, zuerst 1943 erschienen und seither vielfach nachgedruckt. Sie ist methodisch und stilistisch den besseren historiografischen Traditionen Englands verpflichtet und nach meiner – vor mehr als 40 Jahren gewonnenen – Überzeugung die sinnvollste Form des Zugangs zur Geschichte der Iberischen Halbinsel. Brenan beschreibt die lange und komplizierte Vorgeschichte des Bürgerkriegs von 1936; tatsächlich handelt es sich um eine komplexe Darstellung der spanischen Geschichte des 19. und 20. Jhs. mitsamt ihren tieferen und tiefsten Wurzeln und Begründungen, die teilweise weit zurückliegen.

      Nur so, das hat mich Brenans Arbeit in den späten 1960er-Jahren gelehrt, kann man sich der Geschichte der Iberischen Halbinsel mit Aussicht auf Erfolg nähern, dass man hinter Fakten und Phänomenen, Entwicklungen und Akzidenzen diejenigen unveränderlichen Fixpunkte sucht, die seit tausenden von Jahren die Iberischen Länder und ihre geschichtliche Entwicklung bestimmt haben und durch alle historischen Phasen, die die Halbinsel seit ihrem Eintritt in die „Geschichte“ durchlaufen hat, allen vordergründigen Veränderungen zum Trotz erkennbar geblieben sind. Es sind dies: Geophysik und Geologie im umfassendsten Sinne, vielfache Zuwanderungen von Süden, Norden und Osten (zu Lande und über das Mittelmeer), weniger erkennbar von Westen (und über den Atlantik), und ein sich durch die historischen Phasen erstaunlich ähnliches politisches Kalkül der Nachbarn im Norden und Süden mit den beiden erstgenannten Gegebenheiten. Aber auch ein anderes Phänomen zieht sich durch alle für uns erkennbaren historischen Phasen. Der ältere Plinius hat es auf den Punkt gebracht und einen erstaunlich angemessenen Begriff dafür gefunden: vehementia cordis (Ungestüm des Charakters) (n. h. 37, 203). In der spanisch sprechenden Geschichtsforschung ist dieser Hinweis m. W. nur von J. M. Triviño angemessen gewertet worden – in einem argentinischen Periodikum (1953, 43). Dort sind die meisten antiken Hinweise auf entsprechende Eigenschaften der Hispanier gesammelt; sie ergeben erstaunliche Übereinstimmungen. Gemeint ist mit dem plinianischen mot wohl die immer wieder bei Bewohnern der Halbinsel – Männern wie Frauen – zu beobachtende Bereitschaft, sich ohne Reflexion, raison oder Kalkül und ohne jedwede Rücksicht auf mögliche Folgen einer Sache, ob richtig oder falsch, hinzugeben, von der fides iberica, wie Valerius Maximus (2,6,11;14) sie versteht, und hundert Arten von Selbstaufopferung, dem irrational-mörderischen Hass in älteren und jüngeren Bürgerkriegen, aber vergleichsweise friedfertig auch in der spätmittelalterlichen Mystik, in Literatur und bildender Kunst, im Stierkampf, wohl auch in Tanz und Musik. Es scheine Hispana consuetudo (hispanische Eigenart) zu sein, meinte der ältere Seneca (controv. 1,16), „was immer passiert, so zu leben und auf keine Einrede zu hören.“ Der Geograf Ptolemaios wusste das Gleiche oder glaubte dem Poseidonios: „Die Hispanier sind anarchisch, sie lieben die Freiheit und die Waffen, sie sind kriegerisch, fähig zur Führung, sauber und großherzig.“ (Apotel. 64,13).

      Ein weiterer Grund für den vorliegenden Versuch resultiert aus der seit vielen Jahren beobachteten Unfähig- bzw. Unwilligkeit weiter Teile der peninsularen Geschichtsforschung zu tieferer quellenkritischer Reflexion. Ferner kommt er aus meinem Missbehagen an dem vielfach herrschenden alten und neuen Positivismus und der verbreiteten Neigung zu ganzheitlicher Erklärung historischer Vorgänge, die ich – keineswegs als erster – u. a. auf die Nicht-Teilhabe des Landes an der Reformation des 16. Jhs. mit ihren philologischkritischen Errungenschaften und Folgewirkungen sowie auf das Scheitern jedweder Bemühung um „Aufklärung“ im 18. und 19. Jh. zurückführe! So radikal sich iberischer Antiklerikalismus und Liberalismus zuzeiten gerierten: Zäh halten sich Tendenzen zu wenig reflektierter Rezeption von ,Offenbarung durch Autoritäten‘, ganz gleich, ob diese durch anerkannte Universitätslehrer, politische Essayisten oder Kardinäle der römischen Kirche verkörpert werden. Dass die Geschichtsforschung als wissenschaftliche Disziplin auf der Halbinsel erst vor zwei Generationen begründet wurde und dass vordem Alte Geschichte und ihre Schwestern Archäologie, Numismatik, Epigrafik einigen ehrlich bemühten, vielfach der Aristokratie angehörenden ‚Dilettanten‘ sowie Romanciers und Essayisten überlassen waren, liefert weitere Erklärungen für einen altbackenen Positivismus, resultierend aus einem beklagenswerten Defizit an kritisch-reflektierter Erforschung des hispanischen Altertums. Die Tatsache, dass die „Tartessos“-Fiktion des deutschen Althistorikers Adolf Schulten aus dem Jahre 1922, obzwar seit Jahrzehnten widerlegt, zäh ihren Rang in der spanischen Frühgeschichtsforschung behauptet, ist dafür ein markantes Beispiel. Versuche reflektierender Korrektur, wie derjenige von Ricardo Olmos und anderen (Al otro lado del espejo, 1996), bleiben Ausnahmen.

      Neuerdings wird auf der Halbinsel vielfach eine ebenso unkritische Übernahme angelsächsischer Erklärungsparameter, speziell im Bereich der Vorgeschichte, betrieben. Dabei handelt es sich einerseits um ein nicht minder erkenntnisgefährdendes Überstülpen häufig unvermittelbarer Fremderklärungen auf Vorgänge und Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel ohne gewissenhafte Prüfung möglicher Kompatibilitäten, andererseits nicht selten um die Anwendung banaler Gemeinplätze auf hochkomplizierte, ausschließlich der Halbinsel vorbehaltene Phänomene. Ähnliche Bedenken sind gegenüber Bemühungen angebracht, auf minimaler Quellenbasis theoretischen Konstruktionen von Staatlichkeit, Gesellschaftsmodellen, Sozialstrukturen und dergleichen, die aus den Sozialwissenschaften entlehnt sind, zu fabrizieren und so den hermeneutisch gänzlich falschen Eindruck zu erwecken, mit ‚modernen‘ Kategorien problemlos zum Verständnis antiker Gegebenheiten zu gelangen. Das führte nicht selten dazu, dass wahrnehmbare Wirklichkeiten den Bedürfnissen theoretischer Modelle angepasst wurden. Umgekehrt ist auch eine wachsende Neigung zu beobachten, den wissenschaftlichen Diskurs durch Rückgriffe auf längst erledigte Fragestellungen einerseits und mangelnde Bereitschaft zur Akzeptanz weithin einvernehmlicher Forschungsergebnisse zu belasten. Zweifellos lebt Wissenschaft von kritischer Dialektik, doch müssen erledigte Schlachten nicht alle zehn Jahre neu geschlagen werden, zumal dann nicht, wenn die ‚Ergebnisse‘ hinter früher gewonnene Erkenntnisse zurückfallen. Arbeiten, die nichts anderes sind als willkürlich zusammenfassende Wiedergaben älterer und neuer Forschungsergebnisse ohne jeden eigenen, gegebenenfalls wertenden, Gedanken, sind Legion. СКАЧАТЬ