Название: Hispanien
Автор: Michael Koch
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783945751022
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Ich muss auch bekennen, dass es mir unmöglich ist, den Begriff „Heiden“ zu verwenden; wie die Angelsachsen spreche ich deswegen von pagani. So ist der pejorativ-diskriminierende Charakter der Bezeichnung, welche die siegreichen Christen auf alle Menschen anwandten, die andere Glaubensüberzeugungen vertraten, wesentlich deutlicher. Zudem wird klarer erkennbar, dass der zeitweise mörderische Gegensatz: pagani – christiani einer historischen Phase angehört, die vergangen ist oder, wie der hispanische Kaiser Traianus schrieb, „nec nostri saeculi est“, „nicht mehr zeitgemäß“.
Nicht erst, seit mir im Zusammenhang mit meiner Mitarbeit am Bronzezeit-Projekt der Bonner „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“ im Jahre 1998/99 bewusst wurde, in welchem Maße politische Kräfte in Brüssel, aber auch anderswo in Europa, sich mühen, dem ökonomisch-politischen Konstrukt „Europäische Union“ eine historische Legitimation zu verschaffen, und sie dafür keine Geschichts-Klitterung zu scheuen scheinen, hege ich Bedenken gegenüber Geschichtsinterpretationen aus politisch-ideologischer Zweckmäßigkeit. Sowenig sich im 3. Jh. v. Chr. die Hirten Lusitaniens für hellenische Fischer interessierten, so wenig hat ein heutiger Hutmacher aus Amalfi oder ein Korbflechter aus Bulgarien mit einem portugiesischen Sichelschmied gemein. Man denkt anders, fühlt anders und handelt anders. Es gab, wie der neue bronzezeitliche Fund im niedersächsischen Gessel (2011) mit Gold aus Zentralasien im Vergleich mit Funden gleicher Zeitstellung auf der Iberischen Halbinsel erneut belegt, in der europäischen Vorgeschichte weltweit kulturelle Interaktion, Migration, Austausch, aber keine europäische Identität. Es gibt sie auch heute – und vermutlich in Zukunft – nicht. Sowenig Rom die immer wieder aufbrechende Zentrifugalität im Westen seines Imperiums – um nur davon zu reden – dauerhaft unterbinden konnte, so wenig gelang die Verschmelzung dem Karolinger-Reich oder Napoleon Bonaparte. Sie wird auch der aktuellen Europhilie nicht gelingen. Die Iberische Halbinsel von der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart liefert ein perfektes Modell dafür, auf welchen Grundlagen und bis zu welcher Grenze Gemeinsamkeit gelingen kann und was an vieltausendjährigen Individualismen, Lebensformen, Fühl- und Denkweisen weder zu addieren noch zu amalgamieren und darum nicht verhandelbar ist.
Nach der letzten Durchsicht des Manuskriptes ist mir erschreckend deutlich, was alles noch zu sagen gewesen wäre und wie vieles fehlt. Und was alles ich nicht weiß. Auch ist die Disproportionalität zwischen den mit Quellen reicher gesegneten historischen Phasen und den eher quellenarmen Zeiten erkennbar. Ich hoffe aber deutlich gemacht zu haben, dass die quellenarmen Zeiten auf der Iberischen Halbinsel durchaus nicht als geschichtslose Phasen anzusehen sind.
Allerdings bedeutet der vorgegebene Rahmen nahezu jeden Buches immer auch Beschränkung. Darum ist die vorliegende Studie notwendigerweise (und durchaus beabsichtigt) ein sehr subjektives Buch, welches – befreit von vielfältigen Rücksichten – den durch Jahrzehnte der Beobachtung und Reflexion gewonnenen Blick auf die Iberische Halbinsel im Altertum wiedergibt. Darum auch die Wahl der Essay-Form für die Darstellung: Es ist mein Blick auf die Halbinsel, meine Perzeption ihrer Geschichte, auch meine Demut und mein gelegentliches Unverständnis ihr gegenüber. Und Ausdruck der Dankbarkeit für die Bereicherung meines Lebens durch dieses wunderbare und gleichzeitig furchteinflößende Land. „España me duele“ = „Spanien tut mir weh“, schrieb seinerzeit Miguel de Unamuno aus gegebenem Anlass. Glück und Schmerz, die von diesem Lande ausgehen, haben mich durch mein ganzes Leben begleitet.
Die Vorgeschichte
„Iberien gleicht einer Ochsenhaut, die sich der Länge nach von West nach Ost ausdehnt.“
(Strabon 3, 1,3)
Um ein möglichst vollständiges Bild von den Voraussetzungen der alten – und auch der neueren – Geschichte der Iberischen Halbinsel zu gewinnen, müssten wir spätestens die letzte Phase der Jungsteinzeit befragen, doch würde das den dieser Arbeit gesetzten Rahmen sprengen.
Die auf das Neolithikum folgende erste Metallzeit, die so genannte Kupferzeit (ca. 5000 – 3000 v. Chr.), zeigt an zahlreichen durch die prähistorische Archäologie in den letzten Jahrzehnten aufgedeckten Fundplätzen bereits den bedeutenden Anteil fremder Invasoren an der technischen und kulturellen Entwicklung des Landes. Die mit dieser Phase verbundene Megalithkultur, vielleicht die letzte deutlich erkennbare gemeinhispanische Zeitspanne, verbindet große Teile der Iberischen Halbinsel mit Mittel- und Westeuropa. Beginnende gesellschaftliche Differenzierung wird greifbar. Deutlich ist jetzt der bedeutende Mineralreichtum des Landes: Kupfer, Silber und Gold sowie überraschend, das zeigen jüngste Forschungen, Elfenbein [Abb. 3] welches, wie Analysen belegen, sowohl von afrikanischen wie von asiatischen Elefanten stammt und dessen Verbreitung eine mediterrane Ost-West/West-Ost-Verbindung im 3. Jt. v. Chr. nachweist (Schuhmacher 2012, 436 f.), wobei bei den Bewegungsabläufen klimatische Veränderungen eine stärkere Rolle spielen könnten, als bisher gesehen wurde.
Die kupferzeitlichen und bronzezeitlichen Kulturen, ebenfalls benannt nach ihren jeweils markantesten Fundplätzen, lassen erstmalig Ansätze zu jenem Partikularismus erkennen, der später die Geschichte der Halbinsel bestimmen wird. Gleichzeitig wird jetzt eine gewisse Interdependenz, vielleicht sogar Interaktion erkennbar, die diese Regionen verbindet.
Deutlicher werden ethnische und kulturelle Schwerpunkte in der späteren Bronzezeit (seit ca. 1200 – 800 v. Chr.), mit der das Land in die durch frühe Schriftquellen bezeugte Geschichte eintritt, interessanterweise zeitlich parallel mit der Einführung des Eisens, welches, obgleich zunächst über einen unbekannten Zeitraum noch als Edelmetall verwandt, spätestens bis zum 6. Jh. die Halbinsel erobert und, später auf der Halbinsel selbst gewonnen, eine spezielle Berühmtheit erlangt hat (Plin. n. h. 34, 144, 149), wie der Schatzfund von Villena (Alicante) beweist.
Abb. 3 Elfenbeinerner Zierdolch aus Valencina de la Concepción. 3. Jt.v. Chr.
Wir finden erste marginale Hinweise auf mykenische, dann verstärkt auf phoinikische Kontakte mit der südlichen Halbinsel, um einiges später auch auf griechische merchant venturers, die den Routen der Phoiniker zu folgen scheinen. Ihrer exotischen Attraktivität wegen und auch wegen des Beginns der Schriftquellen verdunkeln sie die Vorgänge im Norden, wo Kontakte über die Pyrenäen mit dem alpinen Raum, mit den britischen Inseln, ja bis in den Raum der Aunjetitz-Kultur existierten. Wilhelm Schüles große Untersuchung zu den Meseta-Kulturen von 1969 ist diesen Phänomenen nachgegangen. Zu seiner Zeit vielfach belächelt, hat der Forschungsfortschritt inzwischen viele seiner damals gewagten Thesen bestätigt.
Der Mythos oder Geschichte vor der Geschichte
„Es heißt, daß in dem Waldgebirge der Tartessier die Titanen gegen die Götter Krieg geführt haben …“
(Iustin. 44,4).
Über dem Beginn der schärfer konturierten „geschichtlichen“ Vorgänge auf der Halbinsel, alle „Vorgeschichte“ einschließend, liegt dunkel und verführerisch der Mythos, СКАЧАТЬ