Glauben - Wie geht das?. Matthias Beck
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Glauben - Wie geht das? - Matthias Beck страница 8

Название: Glauben - Wie geht das?

Автор: Matthias Beck

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783990401989

isbn:

СКАЧАТЬ umgekehrt. Das Unglück ist die Abweichung vom Glück, die Ungerechtigkeit ist die Abweichung von der Gerechtigkeit, und nicht umgekehrt. Ohne dass der Mensch genau wissen muss, was die Wahrheit, was das Glück oder was die Gerechtigkeit ist, nimmt er doch unbewusst am Positiven Maß, um sich zu orientieren. Er bezeichnet das Positive als Wahrheit und den Mangel als Lüge, er ist auf der Suche nach dem Glück und erkennt vor diesem Hintergrund sein Unglück. Er empfindet etwas als ungerecht, und das kann er nur, weil er eine Ahnung von Gerechtigkeit hat. Ohne das implizite Maßnehmen am Positiven kann der Mensch sich in der Welt nicht zurechtfinden. Er kann nicht von Lüge zu Lüge und vom Bösen zum Bösen fortschreiten. Natürlich gibt es das leider in der Welt, aber jeder sieht sofort ein, dass es so nicht sein sollte. Daher ist das Böse als Mangel an Gutem beschrieben worden. (Thomas von Aquin) Man müsste es wohl noch zuspitzen: Das Böse ist das pervertierte Gute, es kommt oft unter dem Anschein des Guten, verdreht die Dinge, zieht seine Kraft aus dem Guten und wendet sich gegen den Menschen. Daher ist es so bedrohlich und zerstörerisch.

      Letztlich ist in allem Endlichen und Falschen doch das Richtige und Absolute still und unbemerkt implizit anwesend. Es ist irgendwie da, man kann es aber nicht genau fassen. Man kann sekundär darauf reflektieren, dass es die Gegenwart und Anwesenheit eines unausgesprochenen Horizontes ist, der in all den Bewertungen, die der Mensch vornimmt, gegenwärtig ist. So hat das Absolute auch einen Hang zum Bleibenden. Der Mensch möchte den Moment des größten Glückes festhalten. Er weiß, dass es wieder vergeht, aber er möchte es festhalten, er möchte, dass es bleibt, am liebsten ewig: „Möcht ich zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön“, heißt es bei Goethe; und bei Friedrich Nietzsche: „Alle Lust will Ewigkeit.“

      Das Absolute will Ewigkeit, der Mensch findet immer wieder ein Stück Ewigkeit in der Zeit, das Absolute weist hin auf diese Ewigkeit, es ist eine Art Zeitlosigkeit und Raumlosigkeit. Es ist einfach da, still und unbemerkt, implizit in den Dingen und im Relativen. Es ist anwesend und da, scheu und zerbrechlich, geradezu verborgen und hilflos, aber es ist da. Und es ist anders da als ein Baum oder ein Mensch. So ist das Absolute zunächst in den Phänomenen versteckt „da“ und man muss es eigens ans Licht holen, um es zu erkennen. Es ist still und unaufdringlich. Man muss sich ihm ausdrücklich zuwenden.

      Neben der Suche nach dem Absoluten in den Dingen hat der Mensch auch immer gesucht nach dem Absoluten hinter dieser Welt, hinter den sichtbaren Dingen oder jenseits des Todes. Es kann die Vorstellung sein, dass in der Welt Kräfte wirken, die der Mensch nicht erklären kann. Es könnten Engel und Dämonen am Werk sein, Schicksalsmächte und Dunkles, vielleicht auch ein guter Gott. Es kann die Vorstellung einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits sein, die Auffassung von der Unsterblichkeit der Seele, jene von der Auferstehung von den Toten oder vom Paradies, es kann die Auffassung von Wiedergeburt oder Reinkarnation sein. All dies sind Vorstellungen, die über das Innerweltliche und den Tod hinausgehen, sind der Blick ins Unendliche und absolute Sein. Offensichtlich liegt im Menschen und in den Dingen dieses Streben nach dem „Darüber hinaus“.

      So stellt sich die Frage nach dem Finden des Absoluten in den Dingen und nach dem Finden des Absoluten jenseits von den Dingen. Die Suche nach dem Absoluten in den Dingen ist dem Menschen indirekt möglich (das Absolute im Relativen, das Unsichtbare im Sichtbaren, das Unendliche im Endlichen, das Gute im Bösen), die Suche nach dem Absoluten, das explizit als Grund der Welt in dieser Welt auftritt, kann der Mensch zwar unternehmen, aber er wird keine endgültigen Antworten bekommen. Es ist die Frage, wie der Mensch „wissen“ kann, ob es dieses Absolute hinter allem und als Grund von allem geben kann, ob da etwas Größeres ist oder nicht vielmehr nichts.

      Die Frage ist auf einen ersten Blick nicht schwer zu beantworten: Denn das, was den Menschen und seine Erkenntnis übersteigt, kann er zunächst nicht wissen. Das ist ja genau das Problem, dass er etwas erahnt von einer anderen Dimension, die er nicht ausdrücklich erkennen kann. Er sehnt sich nach etwas ganz Anderem, von dem er nicht weiß, ob es das gibt. Wie aber bekommt er Zugang zu dem, was er nicht kennt und von dem er nicht genau weiß, ob es das gibt? Dieses „Jenseitige“ übersteigt die Erkenntnisfähigkeit des Menschen, da es ja gerade mehr sein soll als all das, was der Mensch aus sich heraus in dieser endlichen Welt erfassen kann. Hier gibt es wohl nur eine einzige Lösung: dass dieses Jenseitige sich von sich aus zeigen muss, dass es in Erscheinung treten muss. Es muss sich von sich her zeigen, sonst kann der Mensch nicht wissen, ob es das gibt. Anders gefragt: Gibt es neben der Erscheinungsweise des Absoluten in den Phänomenen auch noch eine ganz andere Erscheinung des Absoluten im Relativen, die sich explizit zeigt und aus der Verborgenheit hervortritt? Kann der letzte Grund von allem sich ausdrücklich in dieser Welt zeigen? Bevor auf diese Frage eingegangen wird, sollen noch andere Fragen des Menschen auf der Suche nach dem Absoluten und dem Unerklärlichen behandelt werden.

      7. Der Mensch auf der Suche nach dem Unerklärlichen

      Neben der Suche nach dem Absoluten hat das Denken der Menschen immer schon versucht, das Unerklärliche zu erklären. „Der Mensch strebt von Natur aus nach Erkenntnis“, so heißt es im ersten Satz der Metaphysik von Aristoteles. Und das ist gut so, könnte man sagen. Der Mensch will verstehen, wie die Welt funktioniert, welche Kräfte in ihr wirken und was die Welt im Innersten zusammenhält. (Goethe) Er sucht Erklärungsmodelle für die Welt. Mit seinem Geist versucht er, die Natur zu verstehen. Er will einerseits wissen, wie sie funktioniert, und andererseits will und muss er sie gestalten. Er gestaltet Natur, um von ihren Gewalten nicht zermahlen zu werden.

      Aber über diese Naturbeherrschung hinaus will er sein Denken und Fühlen auch ausdrücken in Musik, Wort, Bild, Skulptur und Gebäuden. Er schafft Kultur. Er denkt nach über den Tod, er wird mit Fragen konfrontiert, die er nicht lösen kann, es bleibt immer ein Rest des Unerklärlichen. Auch im Bereich moderner Naturwissenschaften tauchen mit einer beantworteten Frage 20 neue Fragen auf. Das Nichtwissen wird mit jedem Wissen größer. Es steigt nahezu exponentiell. Das Leben und seine Interpretationen entziehen sich dem vollständigen Zugriff.

      Da man lange Zeit in der Geschichte keine naturwissenschaftlichen Erklärungen für Naturphänomene hatte, hat man oft Göttergeschichten „erfunden“, die das Unerklärliche und Unverständliche irgendwie erklärbar und „fassbar“ machen. Man findet diese Göttergeschichten in Mythen und Mythologien. Womöglich sind aber auch diese „Geschichten“ nicht nur aus der menschlichen Perspektive erfunden worden, sondern es wirkte in ihnen schon ein anderer (göttlicher) Geist. Religionen sind keine reine Philosophie.11 Allerdings kann man argumentieren, dass wohl auch in einer platonischen oder aristotelischen Philosophie bereits ein göttlicher Geist gewirkt hat. Bereits an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie der Begriff der Religion zu definieren ist (was hier nicht geleistet werden kann) und wie menschliches und göttliches Wirken zusammenwirken.

      So war man auf der Suche nach dem Unerklärlichen und belegte dieses mit Göttergestalten. Denn hatte man das Unerklärliche erst einmal personifiziert und einen Götternamen dafür gefunden, konnte man diese Götter anbeten, ihnen etwas opfern und sie gnädig stimmen. Sollten Göttergestalten für die Kräfte der Natur stehen, kann man die zerstörerischen oder erhaltenden Kräfte in der Natur besser „bändigen“. Mit Hilfe der Opfer für die Götter konnte man sie selbst und damit auch die Natur „gnädig stimmen“ und ihrer besser „Herr“ werden. Man konnte Rituale entwickeln für die Anbetung oder das Opfer für die Götter.

      Diese Zeiten der vielen Götter sind in der westlichen, naturwissenschaftlich geprägten Welt weithin vorbei, wenngleich sich auch im Christentum noch Relikte dieser Vorstellungen finden. Heute versucht man das Unerklärliche mit Hilfe der (Natur-)Wissenschaften zu erklären. Man stellt bestimmte Hypothesen auf und versucht diese mit naturwissenschaftlichen Methoden zu bewahrheiten (verifizieren) oder abzulehnen (falsifizieren). Die alten Göttergestalten, die Platzhalter für das Unerklärliche waren, sind in den Hintergrund getreten. Bestimmte Gottesvorstellungen sind von den Naturwissenschaften verdrängt worden. Viel Unerklärliches ist erklärbar geworden. Wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse derartige Gottesvorstellungen zurückdrängen, dann scheinen sich СКАЧАТЬ