Название: Glauben - Wie geht das?
Автор: Matthias Beck
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783990401989
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Es heißt ausdrücklich „Im Anfang (Herv. v. Verf.) war der Logos und der Logos war bei Gott, und der Logos war Gott“ (Joh 1, 1) und nicht „Am Anfang“. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, heißt es bei Herrmann Hesse, also ist der Logos in allem Anfanghaften und in allem Ursprünglichen und Anwesenden „da“ und gegenwärtig. Der Schöpfergott schafft alles aus diesem Logos heraus und hält alles im Sein. Er ist der Ursprung schlechthin, aus dem alles je neu ursprünglich aufspringt. Man spricht auch von der „creatio continua“, von der kontinuierlichen Schöpfung, die in der „creatio ex nihilo“, in der Schöpfung aus dem Nichts, schon grundgelegt ist.
Diese Schöpfung aus dem Nichts wird im Buch Genesis als ein Sechs-Tage-Werk geschildert. (Gen 1, 1–31) Man darf sich das wohl nicht so vorstellen, dass Gott die Welt in sechs Tagen aus Einzelteilen zusammensetzt, dass er jeden Stern einzeln und die Sonne und den Mond und jedes einzelne Tier erschafft. Aus dem Vielen wird durch Zusammensetzung keine Einheit, sondern umgekehrt: Die Vielheit entfaltet sich aus dem Einen. So ist wohl mit der Schöpfungsgeschichte eher ein kontinuierlicher Werdeprozess und Entfaltungsprozess gemeint. Insofern ist der Gedanke der Schöpfung durchaus mit dem Gedanken einer evolutiven Entwicklung der Welt zu vereinbaren.
Allerdings kann die naturwissenschaftliche Theorie, die diese evolutive Entwicklung verstehen helfen will – wie im Kapitel über Christentum und Naturwissenschaften näher ausgeführt wird –, zwei Übergänge kaum erklären: den Übergang vom Unbelebten zum Belebten und vom tierischen Bereich hin zum menschlichen Geist. Theologisch kann man es sich hier leicht machen und sagen: Wenn sich aus dem Unbelebten etwas Belebtes entwickelt und vom Belebten eine Entwicklung hin zum menschlichen Geist stattfindet, dann muss beides schon von Anfang an in der Schöpfung verborgen da gewesen sein, das sich dann evolutiv herausbildet. Es fragt sich nämlich, wo und wie das wirklich Neue entsteht, also die lebendige Pflanze aus unbelebter Materie und der menschliche Geist aus dem Tier. Rein innerweltlich stellt sich die Frage, ob sich das Leben aus der unbelebten Materie herausentwickeln kann und ob der menschliche Geist aus dem Tier entsteht? Das Phänomen der Evolution mit dem Entstehen von Neuem, des Belebten aus Unbelebtem und des Geistes aus Nicht-Geistigem wird mit dem Begriff der Emergenz belegt. Dazu mehr im Kapitel über Christentum und Naturwissenschaft.
Aristoteles verwendet für die Entfaltungsdynamik des Lebendigen den Begriff der Selbstbewegung. Er hat diese Vorstellungen in seiner Physik entwickelt (von „Physis“, „Natur“). Er sah, dass alles Lebendige in der Welt sich verändert und dass Veränderung ein Phänomen von Raum und Zeit ist. Auf der Suche nach dem letzten Grund schloss er, dass es hinter allem Veränderlichen einen letzten Grund geben müsse, der selbst nicht veränderlich ist. Dieser Grund ist jenseits von Raum und Zeit und somit der Veränderung nicht unterworfen. So kam er auf den unbewegten Beweger als den letzten Grund des Seins. Das klingt aus seiner Perspektive plausibel. Von einem Schöpfergott im hier beschriebenen Sinn wusste er wohl nichts.
Das Judentum geht mit der Konzeption des Schöpfers und der Schöpfung, die in der Lage ist zur aktiven Selbstentfaltung, Selbstbewegung und Selbsttranszendenz (Selbstüberstieg) des Lebendigen, wohl darüber hinaus. Das Göttliche ist von hier aus nicht der unbewegte Beweger, sondern – so könnte man sagen –, der aus sich selbst heraus seiende Schöpfer, der sich aus sich selbst heraus versteht und insofern selbst-verständlich ist, der das Leben anstößt und im Leben etwas anstößt, das dann „von selbst“ weiter werden kann.
So kann man die Gottesvorstellungen des Volkes Israel wie folgt zusammenfassen: Der Grund allen Seins, der die Dinge überhaupt erst zu dem macht, was sie sind, zeigt sich nicht nur in den Dingen, sondern er tritt explizit aus sich selbst heraus und beginnt zu sprechen. Das ist ein Paradigmenwechsel in der Weltgeschichte. War der Mensch bisher von sich aus auf der Suche nach dem letzten Grund und den innersten Zusammenhängen der Welt, beginnt nun dieser letzte Grund sich selbst als eine Person zu zeigen. Er kommt dem Menschen „von drüben“ entgegen. Er geht auf den Menschen zu. Sein Wirken wird aufgeschrieben im Alten Testament in menschlichen Worten. Und dieses machtvolle Wirken ist Indiz seiner Existenz und seines wirklichen und wirkenden Da-seins. Das „Ich-bin-Da“ ist eine Bezeugung seines eigenen Daseins. Aber dieses Dasein Gottes, nach dem die Menschen so lange gesucht haben, ist nicht so „da“ wie ein Ding, sondern eher in der Weise des Vorübergangs, des unerkannten und oft auch unbemerkten innerweltlichen und innerseelischen Wirkens, des indirekten Anwesend-Seins.
Die Schriften des Alten Testamentes entstanden über viele Jahrhunderte. Es sind Erfahrungen von Menschen mit einer anderen Dimension des Seins, mit Erfahrungen, die sie rein innerweltlich nicht erklären können und die sie ihrem Gott zuschreiben. Das Aufgeschriebene ist nicht mehr nur Wort des Menschen, sondern ein von der Erfahrung göttlichen Handelns inspiriertes Menschenwort. So stammen die Antworten auf die Fragen des Menschen nicht mehr nur aus seinen eigenen Überlegungen, sondern vom Schöpfergott selbst. Die unglaubliche Größe und unfassbare Dimension der Schöpfung20 und des Schöpfergottes kommen auf den Menschen zu. Es mussten womöglich erst einige Milliarden Jahre vergehen, bis der Mensch das aushalten konnte. Er selbst, der Mensch, kam vor ca. zweihunderttausend Jahren auf diese Welt. Erst vor 3500 Jahren war er so weit evolutiv herangereift, dass er dieses Sprechen und die beginnende Nähe Gottes aushalten konnte.
Noch im Alten Testament heißt es: „Wer Gott sieht, stirbt.“21 Moses (1250 v. Chr.) hat Gott nur schemenhaft gesehen. Er fragt Gott nach seinem Namen, und es wird ihm gesagt, er solle dem Volk sagen, dass der Name des unbekannten Absoluten ist: „Ich-bin-da.“ (Ex 3, 13–20) Dies ist eigentlich eine philosophische Antwort. „Ich-bin-da“ heißt einfach ausgedrückt: Es gibt mich. Ihr Menschen habt so lange nach mir gesucht, und nun zeige ich mich und offenbare der Welt, dass es mich gibt. Mit dieser Selbstoffenbarung tritt Gott erstmals in der Geschichte an die Öffentlichkeit und offenbart sich selbst als Da-sein.
Der Mensch beginnt seinerseits langsam, sich auf diesen personalen Gott einzulassen. Erst jetzt kann der Mensch offenbar diese „Direktheit“ Gottes ertragen. Der Mensch hat Gott gesucht, und Gott lässt sich finden, indem er seinen Namen preisgibt. Es findet ein dialogisches Geschehen statt: Der Mensch sucht und findet Gott, Gott gibt sich zu erkennen und der Mensch beginnt, sich auf diesen personalen Gott einzulassen. Der Gott führt sein Volk durch die Wüste in die Freiheit, aber das Volk versteht nicht genau, was Gott von ihm will, es murrt. Da entschließt sich Gott – wenn man das so menschlich sagen darf –, sich noch genauer der Welt zu zeigen: Er wird Mensch. Man kann es auch philosophischer ausdrücken: Das Göttliche verdichtet sich in dieser Welt und zeigt, was es ist: menschlich. Das Dasein wird zum So-sein. Und das heißt im Umkehrschluss: Das Menschliche muss vergöttlicht werden, damit es wirklich menschlich wird. Das allein Menschliche steht in der Gefahr, hinter dem Menschlichen zurückzubleiben.
Teil B
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Das Christentum
1. Das Neue Testament, ein erster Zugang
Im Christentum bekommt der absolute Gott eine konkretere menschliche Dimension. Der ferne Gott Jahwe, dessen Namen man nicht aussprechen und von dem man sich kein Bild machen darf, kommt nach christlicher Auffassung dem Menschen noch mehr entgegen: Sein wirkendes Wort wird Mensch. Diese Weise des Da-seins Gottes konkretisiert sich nun in der Weltgeschichte in seinem So-sein. In kleinen Schritten zeigt Gott immer mehr, wer er ist und wie er ist. Der Mensch gewordene Gott ist das Bild Gottes in dieser Welt. Der Christ darf sich jetzt ein Bild von Gott machen, Jesus Christus ist die Ikone Gottes.
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