Название: Glauben - Wie geht das?
Автор: Matthias Beck
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783990401989
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Es kann auch sein, dass ein Kind mit seinen Eltern durch die Stadt geht und fragt, was diese eigenartigen Gebäude mit den hohen Türmen sind. Es bemerkt womöglich, dass sie anders aussehen als normale Häuser. Vielleicht fragt es, wer da wohnt. Manchmal lernt es etwas davon in der Schule. Das könnte im Geschichtsunterricht sein, in Religion oder in einem anderen Fach. Vielleicht sagt ihm jemand, dass dies eine Kirche ist, vielleicht auch eine Synagoge, eine Moschee. Was aber ist eine Kirche, eine Synagoge, eine Moschee? Haben diese Gebäude etwas mit Religion zu tun? Was ist überhaupt Religion? Religion interessiert mich nicht, sagen viele. Sind es nicht Gebäude aus alter Zeit ohne Bedeutung für die Gegenwart? Sie gehören zur Kultur des Landes. Braucht man sie oder soll man sie nicht besser abreißen?
Wahrscheinlich sind die Fragen, die sich den Menschen stellen, überall auf der Welt ähnlich: Wie finde ich mein Glück, wie gelingt mein Leben, warum ist die Welt so ungerecht, wieso gibt es Krankheit und Leid, warum gibt es so viele Tränen, wie steht es mit dem Tod, warum zerbricht meine Liebe, wieso gibt es nichts Bleibendes? Wie steht es mit der Beziehung zum Mitmenschen, zu den Eltern, zur ersten Liebe. Wie verdiene ich viel Geld, wie finde ich einen guten Beruf, wie einen guten Lebenspartner. Neben all diesen Fragen gibt es aber auch das Staunen über die Welt. Das Staunen über die Größe des Kosmos und des Weltalls, das seit 13 Milliarden Jahren existiert und sich nach wie vor ausdehnt. Es gibt auch das Staunen über einen Organismus, über einen Grashalm, der mittels Photosynthese Sonnenlicht, Wasser und CO2 in Stärke (Zucker) verwandeln kann. Grüne Pflanzen sind eine der Grundlagen des Lebens und gewaltige chemische „Fabriken“.
Alles Philosophieren beginnt mit dem Fragen, dem Staunen über die Welt oder mit dem Verzweifeln am eigenen Leben. In früheren Zeiten war es wohl eher das Staunen über die Schönheit und Größe der Natur. „Ho anthropos“ ist der griechische Begriff für Mensch. „Anthropos“ heißt frei übersetzt: das Wesen, das schaut und staunt über die Großartigkeit der Welt. Heute ist es vielleicht eher der Zweifel, die Leere oder gar die Verzweiflung, die den Menschen nachdenken und philosophieren lässt.
So versucht der Mensch, sein Leben schrittweise zu bewältigen. Eines scheint deutlich zu sein: Es gibt eine Vielfalt der Zugänge zum Leben, jeder ist dort in seine Umgebung hineingeworfen und muss nun damit zurechtkommen. Aber sowohl das Schöne als auch die Grenzerfahrungen, die der Mensch macht, führen ihn über seine kleine Welt hinaus. In dem Maße er die Grenze als Grenze und das Endliche als endlich erkennt, ist er mit seinem Geist implizit schon darüber hinaus. Er steht schon in einem anderen, einem „absoluten Raum“, sonst könnte er die Grenze gar nicht als Grenze und das Endliche gar nicht als endlich erkennen. (Hegel)
Der Mensch denkt über das Leben nach. Er fragt, warum die Dinge so sind. Dies ist eine Art zu philosophieren. Insofern ist jeder Mensch ein Philosoph. Der eine ist es mehr, der andere weniger. Der eine fragt nach dem Unerklärlichen, der andere nimmt es als gegeben hin. Der eine „muss“ nachdenken und will die Dinge verstehen, der andere versteht gar nicht, warum man sich so viele Gedanken macht. Er will das Leben einfach leben und genießen. Antworten auf die Fragen geben die Eltern, die Schule, die Universität, die Philosophie, die Wissenschaften, die Religionen, vielleicht auch die Theologie.
3. Der Mensch und seine Alltagserfahrungen
Es verbindet offensichtlich alle Menschen miteinander, dass sie bestimmte Erfahrungen in ihrem Leben machen. Das sind Alltagserfahrungen, Erfahrungen von Freude und Trauer, von menschlichen Begegnungen, überschwänglichem Glück sowie Erfahrungen von Verzweiflung und Angst. All diese Erfahrungen betreffen den Menschen in seiner ganzen Existenz, es sind existenzielle Erfahrungen. Sie treffen den Menschen in seinem Zentrum, sie gelangen mitten ins Herz. Es sind Erfahrungen, die mit der Totalität seines Lebens zu tun haben. Spätestens hier geht es ums Ganze. Da kann es vorkommen, dass jemand vor Glück nicht weiß, wohin er damit gehen soll. Oder jemand ist verzweifelt und will nur noch sterben. Er weiß nicht ein noch aus, gibt alles aus der Hand und will nur noch aus diesem Leben verschwinden. Die schon erwähnte Philosophie der Grenzerfahrungen zeigt, wie der Mensch an seine Grenze stößt und nicht weiterweiß. Entweder er bringt sich um oder er ändert sein Leben und seine Einstellung zu ihm.
Es kann auch sein, dass jemand überwältigt ist von der Schönheit eines Sonnenunterganges, der Faszination der Musik, der unglaublichen Dynamik einer Liebe. Es kann sein, dass er das alles einfach hinnimmt, es kann aber auch sein, dass er anfängt, darüber nachzudenken, was das alles bedeutet, was da auf ihn zukommt, und wie das alles zu erklären ist. Er macht sich Gedanken, er schreibt etwas auf. Diese Erfahrungen tauchen im Menschen auf. Es sind Erfahrungen des inneren Friedens, der Freude und der Lebensdynamik, aber auch der Zerrissenheit, der inneren Getriebenheit und der Unruhe. Ganz vorsichtig fragt jemand seinen Nachbarn, ob er diese Erfahrungen kennt. Niemand will allein sein mit seinen Erfahrungen. Plötzlich sind da mehrere mit ähnlichen Erfahrungen, man tauscht sich aus. Irgendwann schreibt jemand diese Erfahrungen auf. Sie könnten auch für andere Menschen interessant sein. Vielleicht tritt in diesen Erfahrungen etwas Grundsätzliches zutage, was viele Menschen betrifft. Sind diese Erfahrungen verallgemeinerbar?
Manch einer fragt sich, ob es rein innerweltliche Erfahrungen sind oder ob sich in diesen Erfahrungen auch eine ganze andere Dimension zeigt, die das Menschliche übersteigt. Es gibt Erfahrungen, die über die menschliche Fassungskraft hinausragen und die der Mensch womöglich nicht versteht. Einzelne Menschen oder gar ein ganzes Volk bringen ihre Lebenserfahrungen mit dem Wirken einer absoluten oder personalen Macht in Verbindung. Sie glauben, dass manche Erfahrungen nicht anders erklärbar sind als mit dem Wirken des Absoluten, mit dem Handeln Gottes. Und das haben sie aufgeschrieben.
So sind die Heiligen Bücher der Religionen entstanden und so auch die Bücher des Alten und Neuen Testamentes, die Bücher des Judentums und des Christentums. Die Frage ist, ob in diesen Büchern nur menschliche Erfahrungen und Gedanken aufgeschrieben sind, die die Menschen von damals betrafen, oder ob es denkbar ist, dass diese Erfahrungen allgemeingültig sind und in ihnen so etwas wie ein göttlicher Geist zu entdecken ist. Ob dem Menschen in diesen Schriften etwas entgegenkommt, das er sich selbst so nicht ausdenken kann und das seinen Horizont übersteigt.
4. Die Sehnsucht nach Liebe
Ein Phänomen, das immer wieder die Fassungskraft des Menschen übersteigt, ist jenes der Liebe. Liebe ist zunächst Antwort auf das zuerst Geliebtwerden. Das Kind wird von der Mutter und den Eltern geliebt und lernt so ganz langsam, was Liebe ist. Es wird angesprochen und spricht zurück, es wird angeblickt und blickt zurück, es wird angenommen und kann langsam lernen, sich auch selbst anzunehmen. Es ist zunächst ganz passiv und kann zum Geliebtwerden nichts beitragen. Geliebtwerden meint hier idealerweise ein Angenommensein, ein zur Entfaltung-gebracht-Werden und nicht durch den Egoismus der Eltern in der Selbstwerdung Blockiertwerden. Mit zunehmendem Alter muss sich das Kind zu diesem Angenommensein und Geliebtwerden verhalten. Es kann sich positiv oder negativ dazu stellen, es kann die Liebe annehmen oder sie ablehnen. Wenn es geliebt wird, ist das positive Antwortengeben auf das Geliebtwerden das „Normale“. Es ist einfach ein Zulassen ohne Widerstand. Die Ablehnung des Geliebtwerdens erfordert eher einen Kraftaufwand. Der Mensch muss sich aktiv dagegen auflehnen. Er stemmt sich gegen etwas, was da ist, er weist aktiv etwas zurück was ihm „gratis“ entgegenkommt.
Ist er nicht geliebt worden, kennt er das Gefühl des grundsätzlichen Angenommenseins nicht und es fällt ihm schwer, später eine neue Liebe zuzulassen, die er nicht kennengelernt hat. Angesichts des Nicht-geliebt-worden-Seins spürt er implizit, dass es eigentlich anders sein sollte. Also auch der Entzug von Geliebtwerden und Angenommensein weist darauf hin, dass es eigentlich so etwas wie Liebe geben sollte. Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens solche Erfahrungen des Nicht-geliebt-Werdens machen, aber er kann die Erfahrungen des Geliebtwerdens auch noch nachholen und so nachträglich etwas empfangen, was ihm nicht von Anfang an entgegengebracht worden СКАЧАТЬ