Название: Glauben - Wie geht das?
Автор: Matthias Beck
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783990401989
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Eine solche christliche Spiritualität sollte dem Menschen durch konkrete Alltagsanleitungen helfen, gute Entscheidungen zu treffen. Es ist eine Spiritualität der richtigen Entscheidungen und des Handelns aus der inneren Mitte heraus. Diese Entscheidungen wären nicht von außen aufoktroyiert, sondern von innen her als richtig und tragfähig erkannt (vgl. das Kapitel über die Unterscheidung der Geister). Anders gesagt: Wenn Gott dem Menschen innerlicher ist als er sich selbst ist, (Augustinus) dann kann der Mensch aus dieser inneren Mitte heraus bessere Entscheidungen treffen als ohne diese Anbindung – und die Wahrheit nicht nur besser erkennen, sondern sie vor allem tun, und das heißt, das Richtige tun! Daher heißt es im Neuen Testament: „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht.“ (Joh 3, 12)
Vielleicht kann man als Zwischenresümee Folgendes feststellen: Es hat den Anschein, als würde die Welt immer säkularer. Ein Teil davon ist auch sicher richtig. Aber vielleicht gibt es auch eine andere Seite der Medaille: Gott rückt dem Menschen innerlich immer näher. Es ist die Zeit der Suche nach innerer Erfahrung, die Zeit der Mystik, zumindest eine Zeit der Sehnsucht danach. Wieder anders betrachtet wird die Welt scheinbar immer unabhängiger von Gott oder bestimmten Gottesbildern. Man braucht Gott offensichtlich nicht in der Medizin, weil vieles machbar geworden ist, man braucht ihn nicht als Erklärungslückenbüßer in der Natur, weil vieles naturwissenschaftlich erklärbar geworden ist, man braucht ihn kaum noch in der Ethik, weil sehr vieles philosophisch durchreflektiert wurde (Menschenwürde, Menschenrechte, Personencharakter des Menschen, Schutz des Individuums).
Der Mensch scheint ihn auch nicht zu brauchen, er kommt offensichtlich auch ohne Gott ganz gut aus. So wird die Welt säkularer, und es fragt sich, ob das Christentum selbst zu dieser Säkularisierung beigetragen hat,24 weil der Glaube die intellektuelle Auseinandersetzung sucht (fides quaerens intellectum, der Glaube sucht den Intellekt). Vieles, was früher zum Thema Glauben gehörte, ist heute entweder erklärbar oder unwesentlich geworden. So müssen wir im Folgenden weiterfragen, wie es um die Frage nach Gott und den Glauben heute steht, wie Gott sich heute zeigt und welche Transformationsprozesse zurzeit ablaufen.
Um sich zunächst der Frage nach Gott und seiner Erscheinungsweise im Menschen Jesus Christus zu nähern, kann man zwei Wege wählen. Man kann entweder fragen, ob das überhaupt denkbar ist, dass Gott Mensch geworden ist, und dann von dort aus das Verhältnis von Gott Vater und dem Mensch gewordenen Sohn rekonstruieren. Dann stellt sich das Problem, dass man einige Voraussetzungen übernehmen muss, die erst hinterher erklärt werden können. Oder man geht den umgekehrten Weg – der hier eingeschlagen wird –, dass man zunächst die Setzung des Christentums mit einem dreifaltigen Gottesbild übernimmt und dann rückwärts aufrollt, wie es dazu gekommen ist: beide Wege haben ihre Schwäche, weil man immer zuerst etwas voraussetzen muss, was erst später erklärt werden kann. Dem Leser kann diese Mühe leider nicht erspart bleiben. Wenn er offen ist, kann er den Weg gut und leicht mitgehen. Es ist auch der Versuch, das Gottesbild mit Grundstrukturen der Welt in Verbindung zu bringen.
2. Das dreifaltige Gottesbild – Die Grundstruktur der Welt ist Beziehung
Man kann einen ersten Zugang zur heutigen Gottesfrage finden, indem man sich dem christlichen Gottesbild zuwendet. Es ist ein Gottesbild, bei dem das Wort des Gottes Mensch wird. Dieser Mensch gewordene Gott (Jesus Christus) nennt den Gott Jahwe seinen Vater. Das Verhältnis beider wird vermittelt durch den einen göttlichen Geist, den Heiligen Geist. Die Theologie sagt, dieser Gott sei ein Gott in drei Personen. Und dann geht es um die Frage, wie man sich dieses Verhältnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist vorstellen kann. Es geht dabei um das Verhältnis dieser drei göttlichen Personen vor der Erschaffung der Welt und nach der Erschaffung der Welt, also in dieser Welt. Es geht auf der einen Seite um ein innergöttliches Geschehen und auf der anderen Seite um das Verhältnis dieses Gottes zum Menschen in dieser Welt. Philosophisch kann man es so ausdrücken: Der Grund allen Seins ist nicht eine starre Substanz, sondern ein dynamisches Beziehungsgeschehen zwischen Vater, Sohn und Geist. Es ist ein Beziehungsgeschehen des Dialoges und der Liebe, und in dieses Beziehungsgeschehen ist der Mensch mit hineingenommen.
Gott ist also schon vor Erschaffung der Welt ein Beziehungsgeschehen in sich selbst in der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Er ist sich selbst genug und braucht die Welt nicht als Gegenüber. Das bedeutet zweierlei: Er ist in sich ein Liebesgeschehen dreier Personen und er ist dadurch ganz frei. Gott braucht die Welt und den Menschen nicht als ein „Liebesobjekt“. Er ist alles in sich und kann daher die Welt aus voller Freiheit schaffen. Daran hängt – das wird später ausgeführt – auch der ganze Freiheitsgedanke des Menschen.
Gott hätte die Schaffung einer endlichen Welt auch lassen können. Die theologische Antwort auf die Frage, warum es die Welt gibt, kann eigentlich nur so lauten: weil Gott es aus seiner Freiheit heraus wollte. Es gab keine Notwendigkeit zur Welt. Wie die Welt dann entstanden ist, ob durch Urknall oder anders, ist eine naturwissenschaftliche Frage. Gott setzt eine Initialzündung und dann entwickelt sich die Welt von selbst. Wenn die Welt durch die Initialzündung des Urknalls entstanden ist und die Urknall-Theoretiker mit dem Urknall die Nichtexistenz Gottes aufweisen wollen, müsste man sie fragen, ob das Nichts überhaupt knallen kann, ob da, wo nichts ist, überhaupt etwas aus dem Nichts entstehen kann. Anders gesagt: Wo nichts ist, knallt auch nichts.
Das Entstehen aus dem Nichts ist das, was die Theologie Schöpfung nennt. Gott allein, der sich aufgrund seines innergöttlichen Beziehungsgeschehens aus sich selbst heraus versteht und insofern selbst-verständlich ist, kann etwas aus dem Nichts ins Sein setzen (creatio ex nihilo, Schöpfung aus dem Nichts). Wenn er diese Welt aus dem Nichts schafft, was nur er selbst kann,25 kann er sie so schaffen, dass sie sich dann von selbst weiterentwickelt. Insofern – das wurde schon gesagt – kann Schöpfung durchaus evolutiv vonstattengehen.
Wenn es diese Einheit der drei göttlichen Personen vor Erschaffung der Welt gibt, dann ist es eine Einheit in Verschiedenheit, eine Einheit von Beziehungen, eine Einheit in Polarität (der Vater ist ganz anders als der Sohn), eine Einheit in Pluralität. Das ist die Grundlage dafür, dass es auch in der Welt Spuren von Polarität gibt (Plus- und Minuspol, Mann und Frau), Spuren von Pluralität (zum Beispiel unterschiedliche Positionen in einer Demokratie oder die Pluralität von Weltanschauungen und Religionen) und die Einheit der Beziehung innerhalb einer Liebe (die Liebe zwischen verschiedenen Menschen).
Mit der Schaffung einer endlichen Welt und mit dem Menschen hat Gott auch eine endliche Freiheit geschaffen. Damit hat er die Möglichkeit eröffnet, dass der Mensch „Nein“ sagt zu Gott. Damit geht Gott das Risiko ein, dass der Mensch sich gegen ihn wendet und damit letztlich auch gegen sich selbst und gegen den anderen. Genau das hat der Mensch auch getan. Angesichts dieses vollzogenen „Nein“ des Menschen zu Gott (geschildert mit dem Ungehorsam in der Paradiesgeschichte; Gen 1, 3) und des Missbrauches der Freiheit kommt es im Alten Testament sogar zu der Aussage: „Da reute es den Herrn, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh“ (Gen 6, 6).
Mit der Schaffung endlicher Freiheit hat sich Gott womöglich auch seiner Allmacht beraubt. Vor der Schöpfung war er allmächtig, er konnte die Welt schaffen oder auch nicht. Nach der Schaffung des Menschen mit seiner Freiheit war er es womöglich nicht mehr, denn jetzt ist er auf das Mitwirken des Menschen in der Welt angewiesen. Er kann an der Freiheit der Menschen vorbei womöglich nichts tun. Er kann den Menschen nicht zu sich hinzwingen. Denn dieser Zwang widerspräche der Freiheit und der Liebe. Die Freiheit ist offensichtlich der Preis der Liebe,26 denn Liebe geht nicht ohne Freiheit. Niemand kann zum Lieben gezwungen werden.
Wenn Gott innerhalb seines Beziehungsgeschehens die Liebe ist (1 Joh 4, 8), dann will er keine Menschen als Marionetten und keine Wesen, die irgendwelchen Schicksalsmächten unterworfen sind, sondern Wesen, die СКАЧАТЬ