FLUCHSPUR. Gordon Kies
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Название: FLUCHSPUR

Автор: Gordon Kies

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783957448828

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СКАЧАТЬ Gesangstalente hängen. Ludwig hätte lieber die Reportage über die Massenmorde in Kambodscha gesehen, aber anstatt nach unten ins Wohnzimmer zu gehen, wartete er, bis sie eingeschlafen war. Sie schlief immer beim Fernsehen ein, jedenfalls seitdem sie verheiratet waren. Voller Vorfreude, Reportagen waren seine Passion, schaltete er auf den Kanal, auf dem die Roten Khmer ihr Gemetzel begingen, doch das Unwetter machte ihm ein Strich durch die Rechnung. Der Empfang war gestört. Ludwig schaltete den Fernseher aus und legte die Fernbedienung auf den säuberlich zusammengelegten Stapel seiner Kleidung. Donnergrollen begleitete ihn ins Land der Träume.

      Die Schlange vor dem Kessel wurde von Tag zu Tag kürzer, dennoch fror Großvater und konnte es nicht erwarten, seine Hände um den warmen Teller zu legen. Atemwolken hingen zwischen den Männern. Es gab eine Brühe, nicht mehr als warmes Wasser mit Salz und Gewürz. Dazu eine Kartoffel. Endlich! Die Wärme ließ Großvater seine Fingerkuppen spüren.

      - Bitte … ich verhungere … nur ganz wenig …

      Kraftlose Hände griffen nach Großvaters Beinen. Er blickte auf den Mann hinab. Für Güte gab es hier keinen Platz. Der Mann würde die Nacht ohnehin nicht überstehen. Großvater schüttelte ihn ab und blickte sich nicht mehr um.

      Großvaters Fingernägel kratzten über das Blech des Tellerbodens. Er seufzte, als er sich die Kartoffelkrümel in den Mund schob. Sein Zahnfleisch war wund und schmerzte beim Kauen, dennoch zermahlte er jeden Bissen, bis es nichts mehr zu kauen gab. Er schmeckte den eisernen Geschmack seines Blutes. In der Mitte des Raumes brannte in einem alten Ölfass ein kleines Feuer, malte Formen und Figuren an die Balkendecke und spendete ein wenig Wärme. Der Geruch des nur schwerlich abziehenden Rauches hatte sich in den Kleidern der Gefangenen festgesetzt. Großvater verspürte nach wie vor ein quälendes Hungergefühl. Unweit von ihm weinte ein Kamerad, mehr Junge als Mann, beim Betrachten eines vergilbten Fotos seiner Mutter. Großvater wandte den Blick ab. In die Holzwand hatte jemand das Bild einer nackten Frau geritzt. Großvater mochte sich nicht vorstellen, wie viele arme Schweine schon vor ihm hier gelegen hatten. Großvater betrachtete das Bild und floh sich zwischen die gespreizten Beine einer schönen Phantasie. Keiner sagte ein Wort, was hätte man auch sagen sollen und zudem war es ohnehin verboten. Dennoch wurde hin und wieder eine Geschichte erzählt, im Flüsterton und im engsten Kreise. Großvater mochte die Geschichte über eine Reise zum Mittelpunkt der Erde oder die, über einen Mann, der auf einer einsamen Insel gestrandet war. Dieser Crusoe hatte durchgehalten. Großvater und seine Kameraden waren am Ende. Ihre grauen Hemden und Hosen waren mit der Zeit einige Nummern zu groß geworden und Großvater zog den Gürtel Woche für Woche enger um seine knochige Hüfte. Monotonie, Schmerz und Verzweiflung dominierten diesen Ort. Suizid war eine Möglichkeit, die Erosion des Körpers, den schleichenden Zerfall zu stoppen. Irgendwie überleben, eine weitere Option, wenn auch eine weitaus schwierigere. Die Glocke erklang. Mühsam richtete Großvater sich auf und griff nach dem Arm seines Kameraden. Er lag auf dem kalten Lehmboden und röchelte. Sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch, seine Rippen zeichneten sich deutlich unter der pergamentartigen Haut ab. Es käme einem Wunder gleich, wenn er die nächsten Tage überleben würde. Rasselnder Atem drang in sein Ohr, als er sich den Arm seines Kameraden auf die Schulter legte und ihn zum Platz vor der Baracke führte.

      - Reiß dich zusammen!- Ka … kann … nicht.- Du bist wertlos für sie, wenn du nicht arbeiten kannst.

      Jeden Abend um Zehn mussten die Männer antreten. Es gab keinen Grund dafür. Zwanzig Minuten, nichts als Kälte und das Lachen der Russen.

      Die Steinbrocken kamen aus einem nahegelegenen Bergwerk, das bei den Arbeitern als die Hölle bezeichnet wurde. Hier im Lager wurden sie zerkleinert und dann mit Lastwagen in die zerstörten Städte transportiert. Russland brauchte neue Mauern. Trotz der Kälte schwitzte Großvater. Der Schuss hob sich klar und deutlich von dem Geräusch wenn Spitzhacken auf Stein trifft ab. Großvater hatte es kommen sehen. Der Mann hatte keine Kraft mehr gehabt, seine Arme zu heben, geschweige denn, eine Spitzhacke. Der Schütze bellte einen bekannten und unmissverständlichen Befehl in Richtung Großvater und seinem Nebenmann. Sie nickten, legten ihre Spitzhacken nieder und zogen den Leichnam an den Armen vom Steinhaufen. Er war leicht wie eine Feder. Sie legten ihn zu den Anderen. Auf den Wachtürmen patrouillierten bewaffnete Soldaten. Sie hatten nicht viel zu tun. Blickte man durch die Maschen des Zaunes, hätte man denken können, die Welt sei tatsächlich eine Scheibe. Niemand hatte in den neun Monaten, seit Großvater hier war, einen Fluchtversuch unternommen. Gleich zum Anfang der Inhaftierung hatte man ihnen demonstriert was passieren würde. Ausgehungerte Hunde sind schnell und erbarmungslos und die Wachen nicht die lausigen Schützen, als die sie Goebbels Propaganda stets hingestellt hatte.

      Am Abend kauerte Großvater an der Wand der Baracke unter einer dünnen Filzdecke und versuchte seine Socken zu trocknen, indem er sie an seinem Körper rieb. Eine Lektion, die ihm auf der ostpreußischen Infanterieschule eingebläut wurde: Immer auf trockene Socken achten! Fußfäule war bei der klammen Kälte eine nicht zu unterschätzende Bedrohung. Sein Magen knurrte. Er tastete im Dunkeln nach dem Karamellbonbon. Er hatte es all die Monate gehütet wie einen Schatz. Nicht einmal die Russen hatten es gefunden. Das Bonbon, eingewickelt in buntem Papier, war ein Geschenk einer liebreizenden Schwester, die es ihm bei seinem letzten Aufenthalt im deutschen Soldatenheim bei Pillau gegeben hatte. In all dem Leid, der Kälte, dem Sterben, das um ihn herum herrschte, schenkten ihm die bunten Farben des Bonbonpapiers ein wenig Hoffnung. Großvater erschrak, das Versteck hinter seiner hölzernen Pritsche war leer. Großvater suchte. Vergebens. Tränen liefen über sein Gesicht. Nicht zum ersten Mal kam ein Verlangen in ihm auf. Ein starkes Verlangen. Ein Verlangen nach einer geladenen und entsicherten Waffe, deren Lauf er sich in den Mund stecken konnte. Man hörte die Russen singen und lachen. Großvater hätte seinen linken Arm für einen winzigen Schluck des wärmenden Wodkas gegeben, den sich seine Peiniger einverleibten. Er betete, dass er auch diese Nacht überleben würde. In den letzten Wochen starben immer mehr seiner Kameraden. Jemand hatte mal gesagt, dass die Tatsache, dass das Leben aufhört, es so wertvoll macht. Großvater hätte diesen Jemand gerne an diesen Ort geholt und ihn gefragt, wie wertvoll das Leben hier sei. Jeder Tag war wie der andere und der Tag an dem man stirbt ebenso … nur kürzer. Großvater schloss die Augen, sehnte die guten Träume herbei. Meistens kamen die anderen, die Bösen. Die Hunde in ihrem Verschlag bellten, sie waren hungrig, gierig auf die Jagd. Gejagte gab es hier genug. Für die Russen war es ein netter Zeitvertreib, ein Spektakel. Tier gegen Mensch. Gnadenlos. Sinnlos. Die Waldgrenze war unerreichbar. Bei diesem Spektakel gab es nur die Option auf Tod, keine Alternative. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt, aber sie stirbt. Die Gejagten stolperten um ihr Leben. Vor den Augen ihrer Kameraden, begleitet vom Gejohle der Peiniger, starben sie immerhin als freie Männer.

      Der Kasten diente zur Abschreckung. Er war gerade so groß, dass ein Mann darin hocken konnte. Die untere Hälfte bestand aus dickem Glas und die obere Hälfte aus dicken Gitterstäben. Jeden Morgen mussten die Gefangenen davor zum Appell antreten. Jeden Morgen war der Anblick entsetzlicher. Der Mann in dem Kasten bekam ein Laib Brot und einen Krug Wasser. Er sollte nicht sterben. Noch nicht. Die gebogene Wirbelsäule bohrte sich durch das aufgeweichte Fleisch. Der Kasten war zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Exkremente und Urin verbreiteten einen bestialischen Gestank. Während ein Soldat erfasste, wie viele der Gefangenen in der letzten Nacht gestorben waren, versuchte Großvater sich dem Anblick vor ihm zu entziehen. Da er nicht essen wollte oder konnte, bearbeiteten die Soldaten den Mann mit einer Klemme, die an eine Autobatterie angeschlossen war. Das dreckige Wasser schwappte gegen das Glas, der Mann zuckte und öffnete den Mund. Seine Augen lagen in dunklen, tiefen Höhlen und sein Aussehen hatte alles Menschliche verloren. Die Haut war weiß und rissig, aufgedunsen und aus den Wunden, die ihm zugefügt wurden wuselten Maden in das Wasser. Überall waren Fliegen. Großvater schloss die Augen und hörte die kraftlosen Proteste des Mannes. Die Russen wollten noch ein paar Tage ihren Spaß. Die Glocke erklang. Drei Tote. Steine schlagen. Warum? Darum.

      Ein neuer Tag, das gleiche Leid. Großvater nahm die Beine des Toten, ein СКАЧАТЬ