Название: FLUCHSPUR
Автор: Gordon Kies
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783957448828
isbn:
- Ja.
Der Chinese oder Japaner oder Koreaner schlang sein Frikassee hinunter und ging. Konversation beendet. Ludwig stocherte in seinem Essen herum und dachte an Madame Laluna, als sich eine Hand auf seine Schulter legte und zudrückte. Ludwig drehte sich um.
- Acht Abschlüsse. Vergessen sie es nicht, Freiman!
Gefolgt von seiner affektierten Sekretärin steuerte der Boss auf den für ihn reservierten Tisch zu.
- Arschloch.
Ludwig vergewisserte sich, dass niemand seiner Tischnachbarn diese genuschelte Bemerkung gehört hatte und fuhr fort, die Spätzle auf seinem Teller von links nach rechts zu schieben. Bevor er an seinen Platz zurückkehrte, befriedigte er sich emotionslos auf dem Klo. Er und Renate hatten seit einer gefühlten Ewigkeit keinen Sex mehr. Sie sah keine Notwendigkeit, den Akt der Fortpflanzung zu vollführen, wenn eine Fortpflanzung nicht möglich war.
Lustlos und langsam drehten die Zeiger der Uhr ihre Runden. Kurz vor Feierabend hatte Ludwig fünf Abschlüsse. Auf seinem Hemd hatten sich unter den Achseln und am Rücken große Schweißflecken gebildet. Wo waren die beschissenen portablen Klimaanlagen, wenn man sie braucht! Wie sollte er in den verbleibenden fünfundzwanzig Minuten drei Abschlüsse machen? Was würde Renate sagen, wenn er wieder einen Job gegen die Wand fährt? Sie würde schweigen, den Kopf schütteln und drei Tage nicht mit ihm reden. Erst dann würde sie ihn fertigmachen.
- Soll die fette Kuh doch selber arbeiten.
Hatte er das laut gesagt? Er schaute abermals auf die Uhr und rief dann seinen Vater an.
- Ich brauche deine Hilfe.- Ludwig?- Ja.
Die Stimme seines Vaters klang fragil, was passend war, denn er war eine äußerst fragile Person.
- Was ist los?- Du musst eine portable Klimaanlage kaufen.- Ich muss was?- Du musst eine portable Klimaanlage kaufen.- Warum?- Weil ich sonst meinen Job verliere.
Ludwig wartete auf eine Reaktion seines Vaters, der am anderen Ende der Leitung in seinem Ohrensessel saß und Kreuzworträtsel löste. Sein Vater saß immer in seinem Ohrensessel und löste Kreuzworträtsel.
- Das ist eine ungewöhnliche Bitte.- Eine notwendige Bitte.- Verkaufst du diese Klimaanlagen?- Ja.- Seit wann?- Seit es so heiß ist.- Ich dachte, du arbeitest in einem dieser großen Elektromärkte.- Schon länger nicht mehr.
Sein Vater litt an Alzheimer. Manchmal fragte er Ludwig nach Mutter und manchmal erkundigte er sich, welchen Bus er nehmen musste, um nach Hause zu kommen. Mittlerweile wohnte sein Vater in einem Seniorenheim und verließ sein Zimmer nur noch, um im Garten auf einer Bank zu sitzen und Spatzen zu füttern. Hin und wieder leistete Ludwig ihm dabei Gesellschaft und sie sprachen über Dinge, an die sich sein Vater wenige Minuten später nicht mehr erinnern konnte. Es gab Momente, da betrachtete Ludwig die Krankheit seines Vaters als Segen, so musste er sich nicht an all die Dinge erinnern, die ihm widerfahren waren. Erstaunlicherweise blieb der Kindstod aus. Mit Vier wurde ihm eine Stecknadel aus dem Oberschenkel entfernt. Mit Sechs die Mandeln. Mit Zehn brach er sich bei einem Sturz vom Fahrrad, den Oberschenkelknochen und musste sechs Monate einen Gips tragen. Zwei Wochen nachdem der Gips entfernt worden war, riss das Seil eines Skilifts, in dem er und sein Vater saßen, um in den Bergen zu wandern. Beide Arme wurden eingegipst. Seine Mutter musste ihm zwei Monate den Hintern abwischen und sein Vater landete im Rollstuhl. Mit Sechzehn biss er sich die Zungenspitze ab. Mit Achtzehn bekam er anstatt des Führerscheins eine ausgeprägte Depression. Mit Dreiundzwanzig heiratete er Maria. Mit Siebenundzwanzig Uta. Bereits fünf Minuten nach der Geburt ließ er Ludwig das erste Mal fallen und war somit zwei Minuten schneller als sein eigener Vater. Mit Dreißig war er arbeitslos und Witwer. Mit Vierzig erkannten die Ärzte eine Tendenz für Alzheimer. Mit Fünfzig war von einem zweiten Frühling weit und breit nichts zu sehen. Mit Sechzig kam er ins Altersheim, Renate wollte es so.
- Tatsächlich?- Ja, schon seit April nicht mehr.- Das ist mir neu, warum hast du mir das nicht gesagt?- Habe ich.- Hast du nicht.
Sein Vater akzeptierte nicht, dass sein Gehirn fehlerhaft arbeitete. Sie hatten sich schon oft deswegen gestritten. Hätte man seinen Vater gefragt, hätte er geantwortet, dass er und sein Sohn sich nie streiten. Ludwig war in diesem Fall der Klügere.
- Dann habe ich es wohl vergessen.- Wie kann man vergessen, seinem Vater zu erzählen, dass man einen neuen Job hat?- Ist doch nicht so wichtig …- Du bist mein Sohn! Alles was du machst, interessiert mich.- Ok.- Also, was soll ich gleich nochmal kaufen?- Eine portable Klimaanlage.- Wozu?- Weil ich sonst gefeuert werde.
Ludwig erklärte seinem Vater die Situation. Schließlich willigte sein Vater ein, da es in seinem Zimmer unangenehm heiß war und erkundigte sich dann nach seiner Frau, die schon seit Jahren tief unter der Erde ruhte. Ludwig wünschte ihm einen schönen Tag und versprach, in den nächsten Tagen vorbeizuschauen. Nachdem er aufgelegt hatte, transferierte er per Onlineüberweisung den Betrag für die Klimaanlage von dem Konto seines Vaters auf das Firmenkonto. Aufgrund der Krankheit seines Vaters hatte er schon seit längerer Zeit eine Vollmacht. Sein Vater wusste nicht einmal mehr, dass er ein Bankkonto besaß, er bezog eine Art Rente, von der per Dauerauftrag ein Teil auf das Konto des Seniorenheims ging. Ludwig schaute auf die Uhr und wählte die Nummer seines einzigen Freundes. Er ließ es lange klingeln, aber Dirk nahm nicht ab. Auch auf dem Handy hatte er keinen Erfolg.
Als die Uhr ihm an diesem Nachmittag erlaubte, Feierabend zu machen, war Ludwig stolzer Besitzer von zwei portablen Klimaanlagen, was bedeutete, dass er die nächsten Wochen praktisch ohne Bezahlung arbeiten würde. Renate hatte ihn angerufen und er hatte einen Termin bei Madame Laluna. Er schaltete den Computer aus und überlegte, ob er auf seinen Boss warten musste. Musste er nicht, denn sein Boss war schon im Anmarsch. Er hörte dessen drohende Stimme im Gang.
- Wenn die Abschlusszahlen in den nächsten Tagen nicht steigen, schmeiß ich euch alle raus! Die Zahlen von heute sind ein Witz! Wir haben sogar jetzt noch dreißig Grad! Ich sollte euch Überstunden schieben lassen! Unbezahlte!
Der Boss trat in Ludwigs Blickfeld und baute sich mit hinter dem Körper verschränkten Armen vor ihm auf. Sein Blick war fordernd und nicht übermäßig freundlich.
- Und, Fuhr … äh …- Man.- Richtig. Also, Fuhrman, wie sieht es aus?- Acht Abschlüsse.- Tatsächlich?- Ja.- Hätte ich nicht gedacht.
Der Boss nickte anerkennend und tippte sich dabei mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitze.
- Dann erwarte ich morgen zehn!
Er drehte sich um und ging. Ludwig folgte ihm ein paar Minuten später.
- Wie war dein Tag?- Gut.- Hast du an die Tampons gedacht?- Natürlich.
Er nahm die Tampon-Packung aus der Aktentasche und reichte sie Renate, die in der Küche stand und mit dem Dosenöffner eine Dose junges Gemüse öffnete.
- Danke, leg sie auf den Tisch.- Was hast du gemacht?- Nicht viel. Geputzt und so.
Ludwig schaute rüber in das Wohnzimmer. Die Kissen auf der Couch waren zusammengedrückt und auf dem Tisch lag eine Tüte Chips. Er hätte zum Fernseher gehen können, um festzustellen, dass er noch warm war. Er wusste es auch so. Die Zeiten, in СКАЧАТЬ